Die Zahlen, die rund um die gesetzlichen Krankenkassen genannt werden, unterstreichen die angespannte Finanzlage des gesamten Systems. Laut Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) war die Lage schon im März "dramatischer als ohnehin angenommen". Wie ein Experte jetzt erklärt, ist bei dem aktuellen Kostendruck damit zu rechnen, dass 60 Krankenkassen in Deutschland vor dem Aus stehen.
Der "GKV-Check-up 2025" der Unternehmensberatung McKinsey zeigt, dass besonders kleiner Kassen immer mehr Probleme bekommen werden. Laut einem Bericht im Handelsblatt, mit Bezug auf die neuen Zahlen, glaubt Gesundheitsökonom David Matusiewicz von der Fachhochschule für Ökonomie und Management (FOM), die von der früheren Gesundheitsministerin Ulla Schmidt geforderte Zielgröße von 30 bis 40 Krankenkassen dürfte bald erreicht sein.
Wenig erfreulich ist dabei dann auch der Bundeshaushalt 2025. Wie Finanzminister Lars Klingbeil am Dienstag, 24. Juni 2025, erklärt hat, wird es keine weiteren Zuschüsse für die gesetzlichen Krankenkassen geben.
Große Krankenkassen mit mehr Chancen
Im Jahr 1970 gab es noch über 1.800 gesetzliche Krankenversicherungen, heute nur noch gut 90. Das Problem: Durch die Erhöhung der Beiträge haben einige kleinere Versicherungen bereits Mitglieder verloren.
Die großen Kassen können ihre Beiträge länger stabil halten und sind damit auch in Zukunft für den Wettbewerb besser aufgestellt. Hier steigen die Mitgliederzahlen sogar meist an.
Jens Baas, Vorstand der Techniker Krankenkasse (TK) erklärt gegenüber dem Handelsblatt, dass die TK inzwischen rund zwölf Millionen Versicherte zählt. Damit kommt man auf etwa 16 Prozent aller GKV-Versicherten.
Beiträge werden wohl auch 2026 immer weiter steigen
Auch für den Juli 2025 haben bereits sechs Krankenkassen eine Erhöhung der Beiträge beantragt.
Schon zu Beginn des Jahres hatten 82 Kassen ihre Beiträge nach oben geschraubt. Ein Ende scheint dabei nicht in Sicht.
Der Verband der Ersatzkassen (vdek) erklärte zuletzt, man befürchte, "dass die Beiträge auch im nächsten Jahr erneut steigen werden".
Immer weniger Krankenkassen? GKV mit Erklärung
Auf Nachfrage von inFranken.de hat der GKV-Spitzenverband erklärt: "Wir haben Rekordbeitragssätze, wir haben nur noch etwas über 6 Prozent einer Monatsausgabe als Reserve und wenn nichts geschieht, wird sich die Beitragsspirale ungebremst weiterdrehen und die Zusatzbeiträge werden explodieren."
Zusatzbeiträge werden explodieren
Zu der Annahme von Gesundheitsökonom David Matusiewicz, dass es in absehbarer Zeit tatsächlich nur noch 30 Krankenkassen geben wird, hat man sich beim GKV eher zurückhaltend geäußert.
GKV: "Durch die prekäre Finanzsituation stehen die Krankenkassen stark unter Druck, die einen mehr, die anderen weniger. Ob und ggf. in welchem Ausmaß dies dazu führt, dass sich die Zahl der Kassen etwa durch weitere Fusionen reduziert, darüber können wir keine seriöse Einschätzung abgeben."
Kosten bei Krankenhausaufenthalte für Krankenkassen gestiegen
Im "GKV-Check-up 2025" wird bei den großen Kosten-Problemen besonders auf die stark angestiegenen Ausgaben für Krankenhausaufenthalte und Medikamente verwiesen. Hier heißt es:
- Vor allem die Ausgaben im Bereich Krankenhausbehandlungen wachsen mit 8,7% stark. Deutlich überproportional steigen die Ausgaben für Arzneimittel (+9,9%) sowie kleine und mittlere Leistungsbereiche, z.B. für Behandlungspflege und häusliche Krankenpflege (+12,7%), Heilmittel (+10,4%), Aufwendungen für Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen (+10,7%) sowie Schutzimpfungen (+10,9 %).
Zu den Ergebnissen erklärt Stephanie Schiegnitz, Partnerin bei McKinsey und Mit-Herausgeberin des GKV-Check-up auf bei mckinsey.de: "Mit Anpassungen bei den Zusatzbeiträgen können Krankenkassen die gestiegenen Kosten teilweise kompensieren."
Digitalisierung gegen "unwirtschaftliche Strukturen" der Kassen
Krankenkassen müssten laut Schiegnitz jetzt noch stärker auf "Daten- und Analytiktransformationen" setzen. Sie könnten demnach ein entscheidender Hebel sein, um auf die finanziellen Herausforderungen zu reagieren und sich strategisch vom Wettbewerb abzusetzen".
Die Digitalisierung müssen weiter vorangetrieben werden. Passend dazu hat man zuletzt beim Verband der Ersatzkassen von "sehr unwirtschaftliche Strukturen" gesprochen, "die durch Überversorgung und Ineffizienz geprägt sind".
Die McKinsey-Analyse fordert also von den Krankenkassen "agil und flexibel zu bleiben. Denn die Kassen müssen ihre Organisation, Strukturen und Prozesse zwangsläufig weiterentwickeln und anpassen, vor allem in Reaktion auf die Veränderungen in der Politik, die die neue Regierung mit sich bringen wird".
Verband der Ersatzkassen widerspricht der Kosten-Kritik
Der Annahme, die Verwaltungskosten wären viel zu hoch bei den gesetzlichen Krankenkassen widerspricht der Verband der Ersatzkassen. Gegenüber inFranken.de heißt es dazu: "Tatsächlich machen Verwaltungskosten nur einen vergleichsweise geringen Anteil an den Gesamtausgaben der GKV aus und zählen damit nicht zu den Kostentreibern."
Im Jahr 2024 lagen sie demnach bei lediglich 3,9 Prozent. Die verwendeten Gelder würden zudem dazu eingesetzt, um Einsparungen im System zu erzielen – etwa durch Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Betrugsbekämpfung oder eine effiziente Steuerung von Versorgungsleistungen.
vdek: "Verwaltungsausgaben sind daher ein notwendiger Bestandteil einer effizienten und verantwortungsvollen Gesundheitsversorgung."