Deutschland gilt weltweit als Land der Mülltrenner: Gelber Sack, Glascontainer, Papiertonne, Restmüll und Bio-Mülltonne - allein die Zahl der unterschiedlichen Müllcontainer scheint weltmeisterlich. Nur leider funktioniert das System in der Praxis deutlich schlechter, als die ausgefeilte Trennungslogik vermuten lässt.
Der stinkende Biomüll ist beispielsweise ein geschätzter Rohstoff: In Kompostieranlagen wird aus dem Biomüll Humus gewonnen. Oder er wird in Biogasanlagen in Strom umgewandelt. Doch beides setzt darauf, dass im Biomüll auch nur Biomüll enthalten ist. Umso bitterer ist es, dass ausgerechnet als "kompostierbar" beworbene Biomüllbeutel aus abbaubaren Plastik meist nichts im Biomüll verloren haben.
Neues Biomüll-Gesetz kommt: Bei einem Verstoß drohen hohen Strafen
Zum 1. Mai 2025 tritt in Deutschland ein neues Gesetz in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, die Verunreinigung von Bioabfällen durch anderen Müll zu reduzieren. Auf maximal 1 Prozent soll der Anteil von Fremdstoffen im Biomüll so reduziert werden. Derzeit ist es ein Vielfaches davon. Hält man sich ab Mai nicht an die Vorgaben, kann das richtig teuer werden: Es drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 2500 Euro.
Mit dem neuen Gesetz rückt auch wieder ein Produkt in den Fokus, dass bereits seit Jahren immer wieder für Ärger bei Entsorgern und Verbraucherschützern gesorgt hat: Kompostierbare Biomüllbeutel aus abbaubaren Plastik. Seit Jahren werden diese von den Herstellern als umweltfreundliche und hygienische Lösung für Bioabfälle beworben. Allein eine Vielzahl von Kommunen verbietet die Nutzung dieser Tüten für den Biomüll - selbst, wenn sie offiziell zugelassen wurden und als biologisch abbaubar zertifiziert wurden.
"Sammelbeutel aus biologisch abbaubaren Kunststoffen sind auch bei uns im Landkreis Kitzingen – wie in den meisten Städten und Landkreisen Deutschlands – von der Verwendung in der Biotonne ausgeschlossen", heißt es dazu beispielsweise von Abfallwirtschaft des Landkreises Kitzingen. "Die Kitzinger Abfallberater klären seit Jahren darüber auf, dass Sammelbeutel aus biologisch abbaubaren Kunststoffen kein Fall für die braune Tonne sind. Trotzdem kommen sie leider immer noch zum Einsatz, wie die Ergebnisse regelmäßiger Biotonnenkontrollen zeigen", schreiben die Verantwortlichen hörbar frustriert.
Abbaubare Biomülltüten: Täuschen Hersteller Kunden bewusst?
Verbraucherschützer kritisieren deshalb bereits seit langem das Vorgehen der Biomüllbeutel-Hersteller: "Mit Aussagen wie 'kompostierbar' oder 'biologisch abbaubar' erwecken Anbieter den Eindruck, dass die Produkte genau wie Obst- und Gemüsereste einfach im Biomüll entsorgt werden können" schreibt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zu dem Thema. Dieser Eindruck werde durch verschiedene Siegel noch verstärkt. Wer oder was hinter den Siegeln steckt, werde jedoch nicht klar.
In den meisten Fällen bedeutet dies nämlich nur, dass die Sammelbeutel unter Laborbedingungen innerhalb von zwölf Wochen zu mindestens 90 Prozent in Teile mit einer Größe von zwei Millimetern oder kleiner zerfallen sein muss. Daraus ergeben sich mehrere Probleme:
- In den meisten Kompostieranlagen verweilt der Biomüll keine 12 Wochen
- Laborbedingungen unterscheiden sich stark von den realen Bedingungen
- Bioplastik enthält oft auch fossile Anteile, die sich nicht zersetzen: Es verbleibt Mikroplastik in der Umwelt
- Die Tüten sind von herkömmlichen Plastiktüten im Müll kaum zu unterscheiden und werden deshalb aussortiert
Herstellerverband wehrt sich gegen Vorwürfe
Demgegenüber verteidigt die Initiative natürliche Kreislaufwirtschaft (INAK) - ein Zusammenschluss von Unternehmen und Entsorgern, die den Einsatz biologisch abbaubaren Kunststoffe fördert - die Bioabfalltüten: Die Bioabfallsammelbeutel aus industriell kompostierbaren Kunststoffen seien gemäß Bioabfallverordnung (BioAbfV) grundsätzlich zugelassen, sofern keine abweichenden Regelungen durch kommunale Entsorger bestehen. Doch genau hier liegt das Problem: Tatsächlich hatte die Verbraucherzentrale in Baden-Württemberg in einer Befragung im Jahr 2023 festgestellt, dass ein Großteil der Entsorger eben eine solche abweichende Regelung erlassen und die Verwendung der Abfallbeutel verboten hatte.
In der Bioabfallverordnung sei seit Ende 2023 auch eine vereinheitlichte Kennzeichnung festgelegt worden, auf die sich Verbraucher und Entsorger verlassen könnten. "Die Behauptung, dass Hersteller von kompostierbaren Bioabfallsammelbeuteln Kunden absichtlich täuschen und Greenwashing betreiben, ist unbegründet", betont Katrin Schwede von der INAK in einer Stellungnahme. Verbraucherschützer kritisieren aber, dass die Kennzeichnung für Laien nicht auf Anhieb verständlich sei. Für die Entsorgungsbetriebe komme hinzu, dass eine Kennzeichnung auf den Tüten nach beginnender Zersetzung nicht mehr lesbar sei - diese also wie normale Kunststoffe aussortiert würden.
Entschieden stellt sich die INAK gegen die Behauptung, die industriell kompostierbaren Bioabfallsammelbeutel würden Mikroplastik hinterlassen. "Die zugelassenen Beutel erfüllen strenge Normen zum vollständigen biologischen Abbau sowie Tests zur Ökotoxizität, um negative Auswirkungen auf die Umwelt auszuschließen", betont Schwede. Wenn Mikroplastik nach der industriellen Bearbeitung im Biomüll gefunden, sei dies auf andere Quellen, beispielsweise herkömmliche Kunststofftüten und Plastik enthaltendes Papier, zurückzuführen. Die mit Zusatzzertifizierung „DINplus“ ausgezeichneten Bioabfallsammelbeutel aus abbaubaren Kunststoff würden sich hingegen innerhalb von 6 Wochen vollständig zersetzen.
Klare Kennzeichnung gefordert
Der "unvollständige Abbauprozess der Sammelbeutel" stelle die "Betreiber von Kompost- und Vergärungsanlagen zunehmend vor unlösbare Probleme, da die zulässigen Grenzwerte für Fremdstoffe immer weiter verschärft werden" schreibt hingegen die Abfallwirtschaft in Kitzingen. Und durch das neue Gesetz werden diese Grenzwerte nochmal verschärft. In vielen Gemeinden sollten sich Nutzer der Biomülltüten also darauf einstellen, dass ihre Bio-Mülltonnen in den kommenden Monaten häufiger stehen gelassen werden.
Die Verbraucherzentrale weist zudem darauf hin, dass die Beutel auch im heimischen Kompost nichts zu suchen haben: Sie zersetzen sich nicht vollständig und vor allem entstünde bei der Zersetzung kein wertvoller Humus – "die Kunststoffe bringen für den Kompost keinen Mehrwert und sind in gelben Tonnen, gelben Säcken oder ähnlichen Sammelsystemen für Kunststoff besser aufgehoben" schreiben die Verbraucherschützer.
Sie fordern deshalb eine besser Kennzeichnung und klare gesetzliche Vorgaben für die Tüten: Denn für Käufer und Käuferinnen der Tüten ist die Problematik nur schwer zu erkennen. Zwar gäbe es auch Bioabfallsammelbeutel aus abbaubaren Kunststoff, die geeignet sind, doch dies sei eben für Kunden und Kundinnen nur schwer zu erkennen. Dies zeigen auch Rezensionen zu den Tüten, die man beispielsweise bei Amazon findet. "Für alle, die auf die Umwelt achten und ihren Biomüll ordentlich trennen möchten, sind diese Tüten absolut empfehlenswert", heißt es da beispielsweise. Dabei sind die Tüten eben genau dafür eben oft nicht geeignet.
Und selbst, wenn die Entsorger auf die Problematik aufmerksam machen, scheint dies bei den Verbrauchern nicht immer durchzudringen: "Mit den Beuteln sind wir sehr zufrieden, aber die Müllabfuhr nimmt unsere braune Tonne nicht mit, weil sie denkt, es sind normale Plastikbeutel. Hilfreich wäre vielleicht ein Aufkleber, den man oben auf die Tonne kleben kann" heißt es von einem Käufer angeblich abbaubarer Biomüllbeutel bei Amazon.
Die Verbraucherzentralen fordern daher "ein Kennzeichnungssystem für kompostierbare und biologisch abbaubare Produkte, auf das Verbraucher:innen sich tatsächlich verlassen können". Denn die Biomülltüten "bieten keine Vorteile für die Umwelt und sollten deshalb nicht als nachhaltigere Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen verkauft werden dürfen".
Amazon-Bestseller: Müll-Greifzange für Senioren*
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