Der Krimi um das Rentenpaket geht weiter. Bei der Probeabstimmung der Unionsfraktion hat sich zwar eine überwältigende Mehrheit für die Unterstützung der Pläne ausgesprochen - doch es gab auch zahlreiche Gegenstimmen. Bevor am Freitag (5. Dezember 2025) final abgestimmt wird, sollen die Abweichler darum nun Farbe bekennen.

Das heißt konkret: Wer von den Abgeordneten den Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) bei der Bundestagsabstimmung am Freitag ablehnen will, soll das bis 12 Uhr der Fraktionsführung melden. In den darauffolgenden 48 Stunden bliebe so genug Zeit, um Einzelgespräche mit den Abweichlern zu führen. Am Freitag gegen 12.30 Uhr soll die Entscheidung im Bundestag fallen. 

"Brauchen stabile politische Mehrheit": Kampf um Rentenpaket geht weiter

Ungewöhnliche ist der Vorgang per se nicht: Laut Geschäftsordnung der Fraktion müssen die Abgeordneten ein abweichendes Abstimmungsverhalten normalerweise am Vortag der Abstimmung bis 17 Uhr beim Parlamentarischen Geschäftsführer Steffen Bilger anzeigen. In diesem besonderen Fall bat die Fraktionsführung aber darum, sich schon 29 Stunden vor dieser Frist zu melden. 

Wie ernst die Lage ist, machte Bundeskanzler Friedrich Merz in der Fraktionssitzung noch einmal deutlich: Seiner Ansicht nach, gehöre Deutschland zu den wenigen Ländern mit einer stabilen Regierung in Europa. Scheitert die Abstimmung am Freitag, könnte sich das jedoch ändern. Deutschland und auch Europa könnten dann eine Destabilisierung erleben, warnte der CDU-Vorsitzende nach Angaben aus seinem Umfeld.

"Ich akzeptiere hier, in unserem Kreis, jede Nein-Stimme und jeden Zweifel. Aber da unten (im Plenum des Bundestags) brauchen wir eine stabile politische Mehrheit", wird er zitiert. "Alles andere führt uns ins Elend."

Spahn übt Druck auf Abweichler aus

Über das Rentenpaket wird seit Wochen gestritten. Denn die Jugendgruppe von CSU und CDU, die Junge Union (JU), will bei den Plänen von rot-schwarz nicht mitziehen: Stabiles Rentenniveau bei 48 Prozent? Ja - aber nicht noch nach dem Jahr 2031. Die Abgeordneten der Jungen Union befürchten, dass dadurch Kosten in Milliardenhöhe entstehen.

SPD und Union kommen den jungen Zweiflern jedoch nur bedingt entgegen. An dem Gesetzesentwurf werde nichts mehr geändert, machen sie deutlich. Allerdings könne zusätzlich zum Renten-Gesetz ein Entschließungsantrag vorgelegt werden, so der Vorschlag.

Jens Spahn (CDU) versuchte es auf eine andere Art: Er übte ordentlich Druck auf die Abweichler aus. Medienberichten zufolge soll er dabei zumindest durch die Blume mit hinteren, wenig aussichtsreichen Listenplätzen bei der nächsten Bundestagswahl gedroht haben. "So konkret habe ich das nicht", sagte Spahn am Sonntag in der ARD-Sendung "Miosga" dazu. "Ich führe einfach freundliche, klare Gespräche, ich drohe nicht." Es sei aber klar, dass "über Szenarien und Konsequenzen" gesprochen werde.

Abstimmung im Bundestag: So viele Stimmen bräuchten Union und SPD

Die genaue Anzahl der Nein-Stimmen und Enthaltungen bei der Probeabstimmung blieben laut dpa zunächst unklar. Es war jedoch von etwa 15 Gegenstimmen und einzelnen Enthaltungen die Rede.

Anders als bei der im ersten Versuch gescheiterten geheimen Richterwahl im Juli wird diesmal namentlich abgestimmt. Mit verdeckten Karten können die Abgeordneten also nicht spielen.

Sie müssen Stellung beziehen. Wie viele Gegenstimmen aus den eigenen Reihen für die Koalition tragbar sind, hängt davon ab, wie viele Abgeordnete am Freitag anwesend sind. Wenn alle da wären, bräuchte die Koalition 316 von 630 Stimmen für eine eigene Mehrheit. CDU, CSU und SPD kommen zusammen auf 328 Stimmen. Die schwarz-rote Koalition hat nur eine Mehrheit von zwölf Stimmen im Parlament. Stimmen die 18 Abgeordneten der Jungen Gruppe also gegen das Rentenpaket, haben Union und SPD keine sichere Mehrheit mehr.

Kompromiss im Rentenstreit? Vorschlag der Koalitionsspitzen an Junge Union

Öffentlich auf ein Abstimmungsverhalten festgelegt hat sich von den jungen Abgeordneten bisher nur der CDU-Abgeordnete Daniel Kölbl: Er will mit Ja stimmen. Der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, kündigte am Montag in der CDU-Vorstandssitzung laut Teilnehmern hingegen an, mit Nein stimmen zu wollen. Union und SPD legten schon vor der Probeabstimmung ein Kompromissangebot vor. Dieses sieht Folgendes vor:

  • Die Rentenkommission soll schon dieses Jahr mit Vorbereitungen für eine große Reform loslegen, bis Mitte 2026 Vorschläge vorlegen und auch mit Vertretern der jungen Generation besetzt werden - zum Beispiel aus der Jungen Gruppe der Union
  • Außerdem sollen auch Themen behandelt werden, die für die SPD bisher ein Tabu waren, zum Beispiel ein späteres Renteneintrittsalter als 67.

Der Jungen Gruppe reicht das jedoch nicht. In einem Positionspapier bezeichnete sie das Gesetz auch nach dem Kompromissvorschlag als "nicht zustimmungsfähig". Wie die Mitglieder der Jungen Union abstimmen, entscheidet letztlich jedoch jeder selbst.

Das sieht das Rentenpaket von Union und SPD vor

Das planen Union und SPD im Rahmen des Rentenpakets:

  • Rentenniveau: Das Rentenniveau soll bis 2031 auf 48 Prozent festgelegt sein. Ein Rentner, der 45 Jahre genau zum Durchschnittsgehalt gearbeitet hat, soll dadurch am Ende eine Rente in Höhe von 48 Prozent des dann gültigen Durchschnittsverdienstes erhalten - und das soll sich nach Möglichkeit auch in naher Zukunft nicht ändern. Kosten: 11 Milliarden Euro im Jahr 2031. Auch nach 2031 soll das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht liegen. Kosten: 15 Milliarden Euro jährlich.
  • Aktivrente: Im Rahmen der Aktivrente sollen sich Rentner schon ab dem 1. Januar 2026 bis zu 2.000 Euro steuerfrei zur Rente dazuverdienen können. Allerdings gibt es viel Kritik an dem Konzept, etwa weil es bestimmte Gruppen ausschließt.
  • Frühstart-Rente: Die Frühstart-Rente soll ebenfalls am 1. Januar 2026 starten. Vom 6. bis zum 18. Lebensjahr sollen Kinder dadurch jeweils pro Monat zehn Euro auf ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot gezahlt bekommen.
  • Mütterrente III: Mit der Mütterrente III soll die rentenrechtlichen Anerkennung von Kindererziehungszeiten für Mütter (und Väter), deren Kinder vor 1992 geboren wurden, verbessert werden. Aktuell wird noch nach dem Geburtsjahr des Kindes unterschieden, das soll sich jedoch ändern und die Mütterrente auf alle ausgeweitet werden. Kosten: ab 2027 erst 5 Milliarden, später 4 Milliarden Euro jährlich. 
  • Stärkung der betrieblichen Altersversorgung: Betriebsrenten sollen quantitativ und qualitativ weiter ausgebaut und gestärkt werden, vor allem bei kleineren Unternehmen und bei Beschäftigten mit geringen Einkommen. 
  • Reform der geförderten Altersvorsorge: Die bisherige Riester-Rente soll laut Koalitionsvertrag in ein neues Vorsorgeprodukt überführt werden – mit weniger Kosten. 
  • Rentenkommission: Grundsätzliche Schritte zu allen drei Säulen der Altersvorsorge – also gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche und private Altersvorsorge – sollen in einer Rentenkommission aus Politik und Wissenschaft ausgehandelt und ab Sommer 2026 in Gesetzen umgesetzt werden.
  • Keine Haltelinie für den Beitragssatz: Seit 2018 müssen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler – also die Arbeitgeber und Versicherten – unverändert 18,6 Prozent vom Einkommen zahlen. Nach einem ersten leichten Anstieg 2027 soll der Prozentsatz weiter ansteigen, die 20-Prozent-Marke 2030 erreichen und 2040 bei 21,4 Prozent liegen.