Wohin führt der erste Schritt zur Reform die Rente? Am Mittwoch, 6. August 2025, hatte die neuen Bundesregierung im Bundeskabinett erste Bausteine für Veränderungen auf den Weg gebracht. Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat ihren Gesetzentwurf zur langfristigen Stabilisierung vorgestellt – nicht ohne massive Kritik im Vorfeld. 

Laut der Rheinischen Post erklärte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm: "Die Bundesregierung hat den Ernst der Lage offensichtlich immer noch nicht begriffen." Mit ihren Vorhaben würde man die Nachhaltigkeit der Rentenversicherung nicht verbessern, sondern im Gegenteil verschlechtern und die Ausgaben drastisch erhöhen.

Führen die Pläne zur Rente "in die falsche Richtung"?

Grimm: "Diese Entwicklungen sind völlig kontraproduktiv in einer Zeit, in der Deutschland dringend Wachstum braucht." Und auch Marcel Thum, Leiter des ifo-Instituts in Dresden, sieht wenig Aussichten auf Erfolg mit den Plänen von Bärbel Bas. 

Zu den Daten aus einem neuen Gutachten im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung erklärt er: "Mit Mütterrente und Haltelinie geht es leider gerade in die falsche Richtung." 

Deutschland stehe demnach "vor einer dramatischen demografischen Herausforderung". Bleiben sinnvolle Reformen aus, dann werde "der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung bis 2050 von 18,6 % auf 22 % zu steigen – mit gravierenden Folgen für Beschäftigte und Unternehmen". 

Gutachten zur Rente: Was wären bessere Maßnahmen

Das Gutachten der Stiftung zeigt unterschiedliche Handlungsoptionen, die zu einer spürbaren Entlastung führen sollen:

  • eine Verstärkung des Nachhaltigkeitsfaktors
  • eine Koppelung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung
  • eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen
  • die Abschaffung der „Rente mit 63“
  • qualifizierte Zuwanderung
  • eine inflationsorientierte Anpassung der Bestandsrenten

Damit, so heißt es im Schreiben der Friedrich-Naumann-Stiftung zur Studie, würden die Beitragssätze bis 2050 deutlich langsamer steigen lassen – nur auf 19,5 % statt 22 %. Die zusätzlichen Kosten würden dadurch nicht mehr einseitig den Jüngeren aufgebürdet, sondern fair verteilt. Das derzeitige Rentensystem ist demgegenüber eine demografische Zeitbombe.

Der Nachhaltigkeitsfaktor als Schlüssel für die Rente?

Gerade mit dem Nachhaltigkeitsfaktor hat sich auch inFranken.de in der Vergangenheit immer wieder beschäftigt. Im April 2025 kam das Thema erstmals auf, als klar war, dass ab Juli die Aussetzung des Faktors enden sollte. 

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Hintergrund: Der Nachhaltigkeitsfaktor wurde im Jahr 2005  in die Rentenanpassungsformel eingeführt, um die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung nachhaltiger zu gestalten. Er dient dazu, die Rentenanpassung zu dämpfen, wenn das Verhältnis ungünstig für die Rentenversicherung ist und umgekehrt. 2021 wurde er dann durch Union und SPD ausgesetzt zu Gunsten des Rentenniveaus von 48 Prozent, welches sonst nicht zu halten gewesen wäre. Diese Maßnahme wurde bis Juli 2025 festgeschrieben.

Mit der Rentenerhöhung im Juli um 3,74Prozent war dann klar, die Bundesregierung wird die Aussetzung verlängern, um das versprochene Rentenniveau von 48 Prozent überhaupt erreichen und halten zu können. In der Rentenformel fehlt der Faktor, im Koalitionsvertrag taucht er mit Einschränkung noch als Randnotiz auf.

Doch wie ist es zu verstehen, wenn davon die Rede ist, dass man "grundsätzlich" am Nachhaltigkeitsfaktor festhalten möchte, wenn es zuletzt gar nicht möglich war? Gegenüber inFranken.de hatte sich dazu Henriette Wunderlich, SoVD-Referentin für Rente und Arbeit geäußert.

Laut ihr würde es "ausschließen", dass man beide Maßnahmen aufrechterhalten möchte – das Rentenniveau und den Nachhaltigkeitsfaktor: "Warum man genau an beiden festhalten möchte, da kann ich auch nur ein bisschen spekulieren. Ich vermute, es hängt damit zusammen, dass das Rentenniveau erstmal nur bis 2031 stabilisiert werden soll. Ich denke, wenn man etwas aus dem Gesetz herausstreicht, ist es auch schwieriger es wieder hereinzubekommen."

Gesetzentwurf zur Rente mit Haltelinie

Bas wird die sogenannte Haltelinie für das garantierte Rentenniveau mit dem Gesetzentwurf wie geplant für die Rentenreform einbringen. Darin heißt es, dass man verhindern müsse, dass Rentenanpassungen "deutlich geringer ausfallen" als die Lohnentwicklung. 

Die Kosten dazu trägt der Steuerzahler: 2029 sind es 4,1 Milliarden, 2030 dann 9,4 Milliarden, und 2031 werden es 11,2 Milliarden Euro sein.

Ohne die Haltelinie läge das Rentenniveau 2031 demnach bei 47 Prozent, mit Haltelinie nun bei 48 Prozent. Eine Rente von beispielsweise 1.500 Euro fiele dann laut Sozialministerium um etwa 35 Euro im Monat höher aus. 

Wirtschaftsweise kritisiert Renten-Pläne scharf

Entsetzen löst diese Rentenreform auch bei Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung aus. Die Wirtschaftsweise machte ihrem Ärger gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) Luft. Schnitzer erklärt die Maßnahmen als "nach hinten gewandt". 

Schnitzer: "Kein anderes Land in Europa koppelt die jährlichen Rentenerhöhungen ohne Abstriche an den Anstieg der Löh­ne. Die allermeisten koppeln die Renten eigentlich nur an die Inflation." 

Die Expertin spricht sich stattdessen für längere Lebensarbeitszeiten und eine Dämpfung des Rentenanstiegs aus. Damit würde man die jüngeren Generationen nicht überlasten.

Ohne Reformen droht der Rente der Kollaps

Wenig gute positiv blickte zuletzt auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger auf die Entwicklungen rund um die Rente, die Krankenkassen und das Pflegesystem

Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) machte er klar: "Wenn unser Sozialstaat kollabiert, dann nützt es keinem. Und er wird kollabieren, wenn wir so weitermachen." 

Dulger hat große Erwartungen an die für Reformen eingesetzte Kommission der Bundesregierung: "Ich erwarte, dass die Kommission so schnell wie möglich konkrete Punkte vorlegt, wie man die Sozialversicherungen reformieren und verbessern kann."