Die Aktivrente steht im Monatsbericht der Bundesbank und im Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in der Kritik. Beide Institute sehen in der Maßnahme der Bundesregierung nur unzureichende Effekte für eine Verbesserung des Rentensystems.
Im Bundesbank-Bericht heißt es dazu, dass die Politik das Arbeiten über das gesetzliche Rentenalter hinaus steuerlich fördern möchte, "um Anreize für eine längere und höhere Erwerbsbeteiligung zu setzen. Studien legen diesbezüglich allerdings nur geringe Effekte nahe".
Einiges würde dafür sprechen, dass finanzielle Anreize die Erwerbsphase nur wenig verlängern dürften, und weitere steuerliche Begünstigungen Nachteile haben. Bundesbank: "Gemäß einer Umfrage im Alterssicherungsbericht 2024 der Bundesregierung spielen finanzielle Gründe (14 % der Befragten) nur eine untergeordnete Rolle für die Erwerbstätigkeit 65-Jähriger und Älterer."
Bundesbank mahnt: Aktivrente wird ihr Ziel verfehlen
Das häufigste genannte Motiv war demnach, mit gut einem Viertel, der Spaß an der Arbeit. Als weitere Motive folgen soziale Aspekte, wie weiter eine Aufgabe zu haben oder der Kontakt zu anderen Menschen. Im Monatsbericht wird zu den Daten erklärt: "Insoweit ist bei einer finanziellen Vergünstigung eher mit Mitnahmeeffekten zu rechnen. Um damit vergleichbare Effekte wie mit einer Reform der Altersgrenzen zu erzielen, wären folglich umfangreichere staatliche Finanzmittel einzusetzen".
Mit der Aktivrente möchte die Koalition Senioren ermöglichen künftig bis zu 2 000 Euro monatlich steuerfrei zur Rente oder sonstigen Einkünften hinzuzuverdienen. Das Ziel ist es, den Verbleib älterer Menschen im Erwerbsleben attraktiver zu machen und somit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Aus Sicht der Bundesbank wird die Maßnahme nicht den gewünschten Effekt erzeugen. Man geht davon aus, dass diejenigen, die ohnehin länger arbeiten wollen, die Vergünstigungen mitnehmen werden, das Rentensystem insgesamt aber nicht entlastet wird.
Auch beim DIW gibt es Zweifel an dem Erfolg der Aktivrente
Auch beim Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) blickt man im aktuellen Wochenbericht vom 18. Juni 2025 kritisch auf die Aktivrente. Der Bericht steht unter der Überschrift: Aktivrente entlastet vor allem besserverdienende Rentner.
Demnach würden rund 230 .000 abhängig Beschäftigte im Rentenalter direkt von der Maßnahme profitieren – vor allem die mit hohen Einkommen. Das verursacht zunächst jährliche Steuerausfälle. Dazu steht im Bericht:
- Laut SOEP-Daten sind 2022 rund 313 000 Menschen ab 66 Jahren sozialversicherungspflichtig beschäftigt – meist in Teilzeit. Hinzu kommen etwa 645 000 Minijobber*innen und 272 000 Selbstständige. Besonders häufig sind sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Rentenalter in der obersten Einkommensgruppe vertreten. Da geringfügig Beschäftigte nicht von der Steuervergünstigung profitieren, entlastet die Aktivrente vor allem Besserverdienende.
Beim Institut für Wirtschaftsforschung geht man davon aus, wenn das Erwerbsverhalten konstant bleibt, führt die Reform zu Mindereinnahmen von rund 770 Millionen Euro jährlich. Erst, so heißt es weiter, bei einem Zuwachs von 75.000 erwerbstätigen Rentnern könnte durch zusätzliche Einnahmen von Sozialbeiträgen sowie Unternehmens- und indirekten Steuern ein kleiner Überschuss für den Staat von gut 500 Millionen Euro entstehen. Ein stärkerer Beschäftigungsanstieg auf 150 000 Personen könnte dem zufolge sogar zu jährlichen Mehreinnahmen von bis zu 1,8 Milliarden Euro führen.
Effekt der Aktivrente laut Institut zu gering
Das DIW schreibt dazu aber auch, dass es unsicher bleibt, ob diese Effekte eintreten. Studienautor Peter Haan, Leiter der Abteilung Staat im DIW Berlin erklärt: "Das lässt sich nicht genau schätzen, da es bisher kaum Beschäftigte in dem Alter gab. Daher muss man plausible Annahmen treffen und Szenarien rechnen."
Das Prinzip hinter der Aktivrente steht laut DIW unterm Strich aber wohl auf wackeligen Beinen. Neben den steuerfreien 2000 Euro gibt es ein entscheidendes Problem in der Gleichung.
Stefan Bach, Leiter der Studie erklärt: "Gleichzeitig wird der vorzeitige Erwerbsaustritt weiterhin gefördert, so etwa durch die vorgezogene abschlagsfreie Altersrente nach 45 Beitragsjahren oder durch steuer- und abgabenfreie Aufstockungen bei der Altersteilzeit. Das passt nicht zu den Zielen der Aktivrente."
Finanzministerium wehr sich gegen Kritik
Auf Nachfrage von inFranken.de wehrt sich das Bundesministerium der Finanzen (BMF) gegen den Vorwurf einer Reform ohne Effekt.
Ein Sprecher erklärt: "Die Stärkung der Altersversorgung ist der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen. Die Aktivrente soll dabei zusätzliche finanzielle Anreize schaffen, damit sich freiwilliges längeres Arbeiten mehr lohnt. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass Fehlanreize und Mitnahmeeffekte hier vermieden werden. Die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung werden zeitnah abgestimmt. Dabei wird das BMF insbesondere auf diese Aspekte achten."
Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: Fehlanreize und Mitnahmeeffekte werden wir vermeiden. Wir prüfen dabei insbesondere die Nichtanwendbarkeit der Regelung bei Renteneintritten unterhalb der Altersgrenze für die Regelaltersrente, die Beschränkung der Regelung auf Einkommen aus sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und die Anwendung des Progressionsvorbehalts.
Sozialverband VdK sieht "große sozialpolitische Gefahr"
Beim Sozialverband VdK sieht man in der DIW-Darstellung zur Aktivrente durchaus eine Bestätigung der eigenen Sichtweise. Auf Nachfrage von inFranken.de verweist der Verband auf eine offizielle Aussage von Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK.
Bentele: "Die Ergebnisse des DIW bestätigen unsere Skepsis gegenüber der Aktivrente. Die übergroße Mehrheit der über die Regelaltersgrenze hinaus arbeitenden Menschen ist in Minijobs tätig und würde von der Steuerentlastung überhaupt nicht profitieren."
Die VdK-Präsidentin erklärt zudem, dass es durchaus schwierig zu vermitteln sei, dass "die Steuerbelastung von jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die den gleichen Job machen, bei gleichem Einkommen wesentlich höher wäre, als die der arbeitenden Rentnerinnen und Rentner". Bentele: "Positive Einnahmeeffekte gäbe es vor allem für Rentnerinnen und Rentner mit einem sehr hohen Gesamteinkommen.
UND: Sollte laut VdK die Annahme des DIW zutreffen, "dass man aus Gleichbehandlungsgründen Selbstständigen, Freiberuflern sowie Unternehmerinnen und Unternehmern den Freibetrag von 2.000 Euro kaum verwehren könnte, wären die Mitnahmeeffekte noch größer". Die Berechnungen des DIW würden demnach zeigen, dass die Aktivrente "kein Allheilmittel ist" und zudem "eine große sozialpolitische Gefahr birgt".
Renteneintrittsalter sollte ernsthaft diskutiert werden
Die Bundesbank sieht laut ihrem Bericht zudem mehr Sinn darin, über das Renteneintrittsalter zu diskutieren. Dazu heißt es: "Für längere Erwerbsleben sei es umso bedeutsamer, das gesetzliche Rentenalter (für die Zeit nach 2031) und die Altersgrenze für den frühestmöglichen Rentenzugang an die Lebenserwartung zu koppeln und die vorgezogene abschlagsfreie Rente zu beenden".
Eine Rente ohne Grenzen forderte zuletzt sogar Enzo Weber, Ökonom am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und Professor für empirische Wirtschaftsforschung an der Universität Regensburg.
Eine Regelaltersgrenze ist für ihn völlig überholt. Gerade die Arbeitsverträge in Deutschland sollten neu gestaltet werden.