Fleischskandal bei Lidl? Es wäre nicht der Erste. Bereits im Jahr 2021 zeigte eine Studie der Deutschen Umwelthilfe eine bakterielle Belastung beim Discounter-Fleisch von Lidl und Aldi. Jetzt deckt eine Untersuchung durch die Albert Schweitzer Stiftung erneute massive Belastungen an einem Produkt bei Lidl auf. Bei Hühnerfleisch der Lidl-Eigenmarke "Metzgerfrisch" hat man in 71 Prozent der Proben multiresistente Keime gefunden.
Auf Nachfrage unserer Redaktion hat der Lebensmittelhändler ein Statement abgegeben und auch erklärt, warum man eine konkrete Forderung des European Chicken Commitment nicht unterzeichnet.
Lidl vor Fleischskandal - multiresistente Keime im Hühnerfleisch gefunden
Wie die Stiftung in einer Pressemitteilung schreibt, wurde bei der Untersuchung in 71 Prozent der Proben das Enzym ESBL nachgewiesen, das die auf dem Fleisch gefundenen Bakterien immun gegen mehrere gängige Antibiotika macht.
Weiter heißt es: "Bei der Mehrzahl der resistenten Bakterien (75 %) handelt es sich um den Fäkalkeim Escherichia coli, der diverse Erkrankungen auslösen kann, zum Beispiel Harnwegs- oder Magen-Darm-Infekte bis hin zu Sepsis. Außerdem fand das Labor Krankheitserreger wie Enterokokken (25 % der Proben), Campylobacter (18 % der Proben) und Salmonellen (1 Probe). Enterokokken können Harnwegsinfekte, Herzinnenhautentzündungen oder auch Blutvergiftungen verursachen. Campylobacter und Salmonellen sind vor allem verantwortlich für Durchfallerkrankungen".
Für Lidl wird es eng, sollte sich der Keimbefall durch weitere Proben als verbreitetes Problem bestätigen. Untersucht wurden bisher insgesamt 51 Proben von Hühnerfleischprodukten (alle Haltungsform-Stufe 2 "Stallhaltung Plus"). Diese wurden im Januar und Februar 2023 in acht zufällig ausgewählten Lidl-Märkten in ganz Deutschland genommen. Nur sechs Proben waren unauffällig. Die Untersuchung durch ein unabhängiges Labor wurde von der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt in Auftrag gegeben. Der Discounter geht nach den Anschuldigungen mit klaren Aussagen in die Offensive.
Discounter Lidl weist Vorwürfe zur schlechten Tierhaltung zurück
In dem Statement, das uns vorliegt, erklärt Lidl, dass Produktsicherheit und -qualität immer ein zentrales Anliegen des Unternehmens sind. Alle Artikel würden daher umfangreichen Qualitätskontrollen entlang der gesamten Lieferkette unterliegen.
Unternehmen: | Lidl |
Gründung: | 1973 |
Sitz: | Neckarsulm, Baden-Württemberg |
Branche: | Lebensmitteleinzelhandel |
Zu den Vorgaben und Grenzwerten heißt es: "Mit unseren eigens definierten Lidl-internen Grenzwerten sind wir dabei meist noch strenger als die gesetzlichen Vorgaben. Unsere Lieferanten sind nach dem anerkannten International Featured Standard (IFS) oder dem British Retail Consortium (BRC) zertifiziert. Zusätzlich finden von Lidl beauftragte unangekündigte Audits statt, die von unabhängigen und akkreditierten Instituten in den Produktionsstätten durchgeführt werden".
Zum Vorwurf des überhöhten Einsatzes Antibiotika erklärt Lidl: "Wir stehen grundsätzlich in engem Austausch mit unseren Lieferanten, um die hohe Produktqualität sicherzustellen und verpflichten unsere Lieferanten zu einem restriktiven Einsatz von Antibiotika nach Rücksprache mit einem Veterinärmediziner." Und: "Bei gängiger Zubereitung von Geflügel geht für den Verbraucher daher keinerlei Gesundheitsgefahr aus." Auch das Argument der schlechten Tierhaltung, möchte das Unternehmen so nicht stehen lassen: "Die von der Albert Schweitzer Stiftung festgestellten Keime sind dabei nicht auf die Haltungsform zurückzuführen, sondern stellen vielmehr eine generelle Herausforderung der gesamten Branche im Zusammenhang mit Geflügelfleisch dar. Hier arbeiten wir gemeinsam mit der Branche an Lösungen und Verbesserungen."
Organisationen kritisieren Lidl scharf für den Umgang mit den Hühnern
Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung, hatte Lidl in der offiziellen Mitteilung scharf kritisiert: "Wie man sieht, bedeuten die Bedingungen in den Ställen der Lidl-Lieferanten nicht nur viel Elend für die Tiere, sondern sind auch gefährlich für uns Menschen. Wir erwarten, dass Lidl das Übel an der Wurzel packt, sich endlich daran macht, die Tierhaltung zu verbessern und der Europäischen Masthuhn-Initiative beitritt. So kann Lidl sowohl Tierleid als auch Gefahren für uns Menschen reduzieren."
Auch von Dr. Rupert Ebner, Tierarzt und ehemaliger Vizepräsident der Bayerischen Landestierärztekammer äußerte sich dahingehend: "Die Entscheidungsträger*innen im Lebensmitteleinzelhandel haben es in der Hand. Das Wohl der Tiere muss in den Mittelpunkt der Tierhaltung gestellt werden. Die Verwendung von Begriffen wie ›Stallhaltung Plus‹ oder ›Tierwohl‹ verharmlosen die bestehenden Verhältnisse in der realen Tierhaltung."
Die hohe Keimbelastung, so heißt es weiter, "ist auf die Bedingungen in Lidls Hühnermast zurückzuführen". Beteiligte Tierschutzorganisationen rund um die Albert Schweitzer Stiftung hatten dazu in den vergangenen Monaten mehrere Video-Recherchen aus Ställen von Lidl-Lieferanten in Deutschland, Spanien, Italien und Österreich veröffentlicht.
Lidl erteilt Forderung nach Beitritt zur Europäischen Masthuhn-Initiative eine Absage
Für die Albert Schweitzer Stiftung und 15 andere Tierschutzorganisationen führt der Weg zur Besserung bei Lidl nur über den Beitritt zur Europäischen Masthuhn-Initiative. Nur so könnten die Lebensbedingungen der Hühner zu verbesser werden. Die Forderung ist klar.
Vom Discounter-Riesen aus dem Hause der Schwarz-Gruppe kommt hier vorerst eine klare Abfuhr. Die Erklärung, warum man diesen Schritt nicht gehen möchte, ist ausführlich: "Wir haben intensive und konstruktive Gespräche mit der Open Wing Alliance geführt, zu der auch die Albert-Schweitzer-Stiftung gehört. Wir unterstützen nach wie vor das Ziel der Initiative, das Tierwohl und die Haltungsbedingungen in der Geflügelhaltung zu verbessern. Bei all unseren Bemühungen für Verbesserungen möchten wir jedoch unsere Versprechen einhalten und setzen uns aus grundsätzlicher Überzeugung daher nur Ziele, die realistisch erreichbar sind. Um die Forderungen des European Chicken Commitment bereits bis 2026 vollständig erfüllen zu können, benötigt es ein breites Bündnis der wichtigsten Marktteilnehmer".
Eine Unterschrift unter die Forderungen des European Chicken Commitment wird es zum aktuellen Zeitpunkt nicht geben von Lidl. Man befürworte aber die Implementierung nationaler Brancheninitiativen und werde diese unterstützen, um "gemeinsam mit Erzeugern, Industrie, Handel und Tierschützern das Tierwohl und die Tiergesundheit in der Geflügelhaltung zu verbessern". Es sei dem Konzern wichtig, dass man "diesen Weg mit Blick auf die jeweiligen Besonderheiten in den einzelnen Ländern gehen und Tierschutz in seiner gesamten Komplexität –von den Landwirten bis hin zum Kunden –berücksichtigt wird".