• Aldi und Lidl: Studie untersucht Fleischqualität der Discounter
  • Fleisch-Skandal: Mehr als ein Viertel aller getesteten Putenbrüsten waren mit antibiotikaresistenten Keimen belastet
  • Die resistenten Erreger könnten schon bald eine der weltweiten Haupttodesursachen sein
  • DUH will Verbot von Reserveantibiotika in der Massentierhaltung

Discounter wie Aldi, Lidl, Penny und Co. kämpfen um Vorherrschaft, wer das günstigste Stück Hühnchen, Pute, Rind oder Schwein auf den Teller bringen kann. Die Folge sind Massenstallungen mit katastrophalen Haltungsbedingungen und Futtertröge voll mit Antibiotika. Billige Fleischprodukte vom Discounter stehen deshalb zu Recht stark in der Kritik. Doch die Konsequenzen der nicht-artgerechten Haltungsformen bekommen nicht nur die Tiere zu spüren. Eine Studie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hat aufgedeckt, welcher großen bakteriellen Belastung die Konsumierenden von Discounter-Fleisch ausgesetzt sind. 

Lidl und Aldi: Zahlreiche Fleisch-Produkte sind mit gesundheitsschädlichen Keimen belastet

Mehr als 60 Putenfleisch-Proben aus ganz Deutschland hatte die Natur- und Umweltorganisation genommen - aus jeweils 31 Lidl- und Aldi-Filialen.  Alle Produkte wurden mit der Haltungsstufe "Stallhaltung Plus" deklariert. Auf der Skala der Haltungsformen entspricht dies der zweitschlechtesten von vier Stufen. Ausgewertet wurden die Probekäufe im Labor des Instituts für Pharmazie und pharmazeutische Mikrobiologie der Universität Greifswald von Prof. Dr. Katharina Schaufler.

Das Ergebnis der Studie zeigt: Die Keimbelastung der Putenprodukte ist verheerend.  Bei Lidl wies jeder dritte, bei Aldi jeder vierte Testkauf antibiotikaresistente Keime auf. Acht von 31 Lidl-Produkten enthielten außerdem gefährliche Keime, die sogar Reserve-Antibiotika ausschalten können. "Sie werden bei uns Menschen im Notfall eingesetzt, wenn einfache Antibiotika nicht mehr wirken", heißt es in der Studie der DUH.

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Antibiotikaresistente Keime: Deshalb sind sie so gefährlich

Im Zuge der Studie warnt die DUH vor der Gefahr, die von antibiotikaresistenten Keimen ausgeht. In Europa infizieren sich jährlich  mehr als 670.000 Menschen mit multiresistente Erregen, 33.000 Menschen sterben sogar an den Folgen. Laut DUH sind Babys unter einem Jahr besonders gefährdet. 

Weltweit liegt die Zahl der Todesopfer, die daran sterben, dass Antibiotika nicht mehr wirken, bei 700.000 Menschen pro Jahr - Tendenz steigend. Es könne davon ausgegangen werden, dass "in wenigen Jahrzehnten Antibiotikaresistenzen die Haupttodesursache vor Krebs werden."

Die Ursache für die Entwicklung für die Bildung der resistenten Keime ist der Einsatz von Antibiotika selbst. Die Erreger werden über das Fleisch bei den Konsument*innen verbreitet und gelangen zudem über die Abgase der Massentierhaltungsanlagen, der kontaminierten Gülle und den Abwässern der Schlachthöfe in die Umwelt. 

DUH stellt Forderungen auf: Verbot von Reserveantibiotika in der Massentierhaltung

Die DUH fordert deshalb schärfere Maßnahmen und Kontrollen beim Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltungsbranche. Es soll diskutiert werden, ob und wann Antibiotika überhaupt verwendet werden sollen. Außerdem fordert die DUH einen Stopp der Massentierhaltung zur Eindämmung der Gesundheitsrisiken aus der Fleischproduktion: "Nur mit mehr Platz je Tier in tiergerechten Haltungen sowie weniger Tieren insgesamt verringern wir den seit drei Jahren anhaltend hohen Antibiotikaverbrauch im Stall."

Aldi und Lidl haben zwar bereits beschlossen, in den kommenden zehn Jahren Fleisch aus Massentierhaltung - also den Haltungsstufen "Stallhaltung" und "Stallhaltung Plus" - aus den Regalen zu verbannen. Das ist laut DUH aber zu spät. "Es darf nicht sein, dass sie den Menschen noch neun Jahre lang Fleisch mit mehrfach resistenten Keimen verkaufen dürfen. Wir fordern einen sofortigen Ausstieg aus den Haltungsstufen 1 und 2. Der Handel muss langfristige Verträge mit bäuerlichen Betrieben mit Haltung 3 und 4 zu fairen Erzeugerpreisen schließen. Gesunde Tiere brauchen keine Antibiotika", so Agrarexpertin Reinhild Benning von der DUH.

Die Umwelthilfe ist zudem nicht die einzige Organisation, die gegen den Einsatz von Antibiotika in der Fleischindustrie ist: Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellt sich dagegen. Bisher ist das Verwenden von Antibiotika in Tierfabriken in der EU total legal: neun von zehn  Puten erhalten Antibiotika. Davon sind 40 Prozent sogar Reserve-Antibiotika, also Wirkstoffe, die bei Menschen als letzte Instanz genutzt werden, wenn alle anderen Maßnahmen gegen antibiotikaresistente Keime nicht mehr wirken. Eine Limitierung des Einsatzes von Antibiotika gibt es bisher nur im Ökolandbau. 

Infektion mit antibiotikaresistenten Keimen: Was kann passieren?

Wer sich bei der Zubereitung einer Putenbrust  einen antibiotikaresistenten Keim einfängt, läuft Gefahr, dass bei schmerzhaften Infektionen wie beispielsweise einer Zahn- oder Blasenentzündung - schlimmstenfalls einer Blutvergiftung - die Antibiotika nicht mehr wirken. 

Die konkreten Forderungen der Deutschen Umwelthilfe sehen wie folgt aus: 

  • Reserve-Antibiotika mit höchster Priorität für Menschen müssen in der
    Massentierhaltung verboten werden 
  • Ein gesetzliches Reduktionsziel für Antibiotika bei Lebensmittel liefernden Tieren von minus 50 Prozent bis 2025 (die EU-Kommission fordert im European Green Deal minus 50 Prozent bis 2030)
  • Tierärztinnen und Tierärzte müssen bei jedem Antibiotikaeinsatz vorab nachweisen, dass ein Antibiotikum überhaupt nötig ist
  • Jeder Antibiotikaeinsatz muss nach Dosis dokumentiert und von Behörden regelmäßig kontrolliert werden
  • Das Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung müssen so nachgebessert werden, dass Tierwohl und Tiergesundheit sich messbar verbessern

Doch nicht nur bei den Discountern stoßen Tierschützer*innen immer wieder auf kritische Mängel in der Fleischproduktion. Auch in einer Großmetzgerei, die die Supermarktkette Rewe beliefert, entdeckten Lebensmittelkontrolleure "gravierende hygienische Mängel".