Was passiert mit dem Nachhaltigkeitsfaktor? Im Jahr 2005 wurde er in die Rentenanpassungsformel eingeführt, um die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung nachhaltiger zu gestalten. Er dient dazu, die Rentenanpassung zu dämpfen, wenn das Verhältnis ungünstig für die Rentenversicherung ist und umgekehrt.

2021 wurde er dann durch Union und SPD ausgesetzt zu Gunsten des Rentenniveaus von 48 Prozent, welches sonst nicht zu halten gewesen wäre. Diese Maßnahme wurde bis Juli 2025 festgeschrieben. Läuft also jetzt aus. Wie ist es zu verstehen, wenn im Koalitionsvertrag davon die Rede ist, dass man „grundsätzlich“ am Nachhaltigkeitsfaktor festhalten möchte, wenn es zuletzt gar nicht möglich war? 

Auf Nachfrage von inFranken.de hat sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und der Sozialverband Deutschland (SoVD) dazu geäußert.

Nachhaltigkeitsfaktor bleibt weiter unwirksam – er bleibt aber im Gesetz stehen

Eigentlich, so sieht es auch Henriette Wunderlich, SoVD-Referentin für Rente und Arbeit, würde es sich bei genauer Betrachtung doch "ausschließen", dass die Bundesregierung beide Maßnahmen aufrechterhalten möchte – das Rentenniveau und den Nachhaltigkeitsfaktor. 

Wunderlich: "Warum man genau an beiden festhalten möchte, da kann ich auch nur ein bisschen spekulieren. Ich vermute, es hängt damit zusammen, dass das Rentenniveau erstmal nur bis 2031 stabilisiert werden soll. Ich denke , wenn man etwas aus dem Gesetz rausstreicht, ist es auch schwieriger es wieder reinzubekommen."

Und die SoVD-Expertin verweist darauf, dass die Union ursprünglich die Stabilisierung des Rentenniveaus gar nicht so erreichen wollte, sondern "durch ein gutes Wirtschaftswachstum". Wunderlich: "Auch das könnte dazu beigetragen haben, dass man jetzt noch am Faktor festhalten möchte."

Regierung will Rentenniveau vorerst ohne Nachhaltigkeitsfaktor erhalten

Gegenüber inFranken.de spricht man beim BMAS dann eben auch davon, dass man an "die langfristige Finanzierbarkeit der Renten" denkt. Steigende Beiträge müssten demnach in Zukunft wohl verkraftet werden, dafür werde man an entsprechenden Stellen aber ansetzen. BMAS: "Auch wenn künftig ein steigender Beitragssatz zu erwarten ist, treten wir dem mit aktiver Arbeitsmarktpolitik entgegen. Dafür ist vor allem ein hohes Maß an Beschäftigung und eine gute wirtschaftliche Entwicklung zentral. Auch daran arbeitet die Bundesregierung mit Nachdruck."

Aktuell hat der Nachhaltigkeitsfaktor also keinen Platz bei der Berechnung der Rente, wie das Bundesministerium deutlich erklärt: "Das Rentenniveau ist in Deutschland in der Vergangenheit bis zum Einsetzen der Haltelinie bereits gesunken. Ein weiteres Absinken wäre nicht gerecht gegenüber den vielen Menschen, die über lange Jahre das Rentensystem mit ihren Beiträgen gestützt haben und nun verdient in Rente gehen."

Während der Geltung der Haltelinie, so heißt es weiter, "kommt der Nachhaltigkeitsfaktor nicht zur Anwendung". Für weitere Reformen zur nachhaltigen Stabilisierung des Rentensystems werde zudem eine Rentenkommission eingesetzt. Im Jahr 2029 wolle man laut Koalitionsvertrag die Entwicklungen prüfen. 

Ob der Faktor überhaupt noch zur Geltung kommen wird in Zukunft bleibt also offen. In der alten Bundesregierung gab es laut SoVD sogar "die Überlegung, das Rentenniveau dauerhaft festzuschreiben, dann hätte man die Kürzungsfaktoren rausnehmen können". Wunderlich: "Aber so wie jetzt ist, wird man wohl zunächst an der alten Formel festhalten."