Sind Senioren zu faul? In der ARD-Sendung Caren Miosga hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann auf Nachfrage der Moderatorin mit Nachdruck betont, dass Rentner zu wenig arbeiten. Eine harte Ansage des 47-jährigen Politikers.
Konkret erklärte Linnemann dazu: "Wir wollen sie nicht zwingen. Aber die Arbeitsstunden insgesamt sind zu wenig. Wir wollen 2000 Euro allen Rentner in Deutschland, möglichst ab dem 1. Januar 2026, steuerfrei stellen." Die Regierung wolle einen Anreiz dafür schaffen, dass Senioren mehr arbeiten.
Für den Experten läuft mit dem Rentenalter "etwas schief"
Die Aktivrente soll einer der wesentlichen Punkte dabei sein. Unterstützung bekommt der CDU-Mann von Ökonom Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft. Der Experte erklärt, dass Arbeitnehmende über 60 in Deutschland im Schnitt zehn bis 20 Prozent weniger arbeiten würden. Gerade wenn man auf die skandinavischen Nachbarländer schaut.
Dort sei die Erwerbsquote der über 60-Jährigen um zehn Prozent höher. Darum ist sich Schularick bei diesem Punkt für Deutschland sicher: "Da läuft etwas schief."
Erst vor wenigen Tagen wurde in Dänemark das Rentenalter auf 70 gesetzt für alle, die ab 1970 geboren wurden. Für die Jahrgänge der 1990er bedeutet das, sie erwarten dort erst ab 73 oder 74 in Rente gehen zu können.
Sozialverband warnt davor öffentlich Druck auf Rentner aufzubauen
Beim Sozialverband VdK schaut man durchaus kritisch auf die Äußerungen von Carsten Linnemann. Auf Nachfrage von inFranken.de erklärt der VdK, dass sich Rentner ihren Ruhestand in der Regel durch jahrzehntelange Arbeit verdient haben. Es würde sich aber zugleich ein deutlicher Anstieg der Erwerbstätigkeit in der Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen zeigen.
Waren es in dieser Gruppe im Jahr 2013 rund 13 Prozent, lag der Anteil 2023 bereits bei 21 Prozent – deutlich über dem EU-Durchschnitt von 15 Prozent. Allerdings warnte der Verband davor solche Diskussionen über den Arbeitswillen der Rentner öffentlich zu führen. "Appelle an den Leistungswillen oder moralischer Druck in öffentlichen Debatten werden kaum dazu beitragen, diesen Anteil weiter zu erhöhen", erklärt der VdK gegenüber inFranken.de.
Entscheidend sei es demnach vielmehr, "dass Arbeitgeber stärker in altersgerechte Arbeitsbedingungen, flexible Arbeitszeitmodelle sowie gezielte Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote investieren". Man dürfe auch nicht übersehen bei der Diskussion, "dass viele Menschen aus gesundheitlichen Gründen, wegen Arbeitslosigkeit oder aufgrund familiärer Pflegeverpflichtungen das reguläre Rentenalter gar nicht erreichen können".
Der Sozialverband VdK verweist zudem auf eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Verbandes vom August 2024. Dabei hätte sich gezeigt, dass fast die Hälfte der über 50-Jährigen sich vorstellen kann, im Ruhestand weiterzuarbeiten. Allerdings, so heißt es weiter, "geben etwa ein Drittel dieser Gruppe finanzielle Not als Hauptgrund an. Rund 40 Prozent lehnen eine Weiterarbeit ab, und etwa 7 Prozent sind unentschieden." VdK: "Wenn ältere Menschen aus wirtschaftlicher Not oder gesellschaftlichem Erwartungsdruck heraus zur Weiterarbeit gezwungen sind, wirft das ein bedenkliches Licht auf die soziale Situation in unserem Land."
Weiteres Problem: Fast jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit
Ein weiterer Kritikpunkt kommt in der ARD-Sendung mit dem CDU-Politiker von Christiane Benner. Die Vorsitzende der IG Metall sieht ein weiteres massives Problem an einer anderen Stelle: "Wir haben eine Menge Frauen, die in Teilzeit sind. Die würden gerne mehr arbeiten. Da hat die Bundesregierung an der falschen Stelle angesetzt."
Laut einer Grafik des Statistischen Bundesamtes vom 19. Mai 2025, war im Jahr 2024 fast jede zweite Frau (49 Prozent) in Teilzeit. Bei den Männern waren es nur zwölf Prozent. Der Blick auf Mütter und Väter in Teilzeit verdeutlicht das Problem: Mütter (68,4 Prozent) und Väter (8,3 Prozent).
Für Benner ist klar, es fehlt eben auch ganz entscheidend an Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, damit Mütter überhaupt eine Chance bekommen mehr zu arbeiten. Bei der Debatte um die fehlende Arbeitsbereitschaft im Land muss also genau hingeschaut werden.
ARD liefert Fakten-Check zur Sendung
Hingeschaut hat auch die ARD. Zur Sendung vom 25. Mai 2025 gibt es im Nachgang einen Fakten-Check. Dieser, so steht es auf der Internetseite, "dient nicht allein der Prüfung der Aussagen, sondern soll auch Hintergrundinformationen, aktuelle Entwicklungen und zusätzliche Perspektiven vermitteln.
Zur Frage in der Sendung, ob die Deutschen im Vergleich mit anderen OECD-Ländern wirklich weniger arbeiten würden, wurde für die Kritik von Ökonom Moritz Schularick eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln als Grundlage herangezogen. Darin heißt es:
2023 kam ein Deutscher in erwerbsfähigem Alter (15 bis 64 Jahre) im Schnitt auf 1036 Arbeitsstunden. In Griechenland, schreibt Schäfer, käme man im Schnitt auf 1172 Stunden, in Polen auf 1304 Stunden. Die höchste geleistete Arbeitszeit stellte er in Neuseeland fest: Dort kam ein durchschnittlicher Erwerbstätiger auf 1400 Stunden. Schlechter als Deutschland schnitten nur Frankreich (1027 Stunden) und Belgien (1021 Stunden) ab.
Im Fakten-Check heißt es, dass es an dieser Studie durchaus große Kritik gab. So erklärte Deutschlands oberste Gewerkschafterin, Yasmin Fahimi, dass der OECD-Vergleich Daten zu Vollzeit- und Teilzeitarbeit vermengen würde: "Das ist Äpfel mit Birnen vergleichen, die Statistik ist daher relativ wertlos." Schaue man sich nur die Vollzeitbeschäftigten an, zeige sich, dass diese in Deutschland mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, was dem EU-Durchschnitt entspreche.
Und Fahimi wird sehr deutlich: "Die Behauptung, in Deutschland werde zu wenig gearbeitet, ist eine unverschämte Erzählung, die Beschäftigte zu Unrecht an den Pranger stellt". Dass die hohe Teilzeitquote eine Rolle spielt, würde demnach auch, das bestätigt auch das Instituts der deutschen Wirtschaft.