In dieser Woche trifft sich die Weltelite aus Politik und Wirtschaft in Davos zum World Economic Forum. Dazu reisen auch in diesem Jahr Staats- und Regierungschefs, die Vorstände großer Unternehmen, mächtige Nichtregierungsorganisationen in die Schweiz.
Sie alle folgen dem Ruf des Weltwirtschaftsforums, das sich zum Ziel gesetzt hat, eine bessere Welt zu schaffen. Passend dazu hat die gemeinnützige Organisation Oxfam (Oxford Committee for Famine Relief), ihren Ungleichheitsbericht ("Milliardärs-Macht beschränken, Demokratie schützen") vorgelegt.
Reichenliste wächst: Vier neue Milliardäre pro Woche
Das Dokument zeigt, wie der Einfluss von Superreichen und ihren Konzernen nicht nur die soziale Ungleichheit immer weiter verschärft, sondern auch demokratische Prinzipien in ihren Grundfesten erschüttert. Deshalb zielt der Ungleichheitsbericht auch auf die bevorstehende Bundestagswahl am 23. Februar, wenn es in Richtung der Parteien heißt: Wir brauchen eine Milliardärssteuer. Oxfam ist übrigens eine weltweite Organisation, die Menschen vereint, die sich nicht damit abfinden wollen, dass es Armut und soziale Ungleichheit gibt.
Soziale Ungleichheit misst die Organisation am angehäuften Vermögen, und das ist in der Tat extrem ungleich verteilt. Im Jahr 2024 kamen insgesamt und weltweit 204 neue Milliardärinnen und Milliardäre hinzu. Das bedeutet: Durchschnittlich steigen fast vier neue Milliardäre pro Woche in den exklusiven Club auf. Damit ist ihre Zahl gemäß der Reichenliste des US-Magazins Forbes auf insgesamt 2.769 angestiegen. Die meisten Milliardäre gibt es in den USA (816), dann folgt China (404) und Indien (212). In Deutschland gibt es 130 Milliardäre.
Der reichste Mann der Welt ist demnach Elon Musk, der Chef der Autofirma Tesla, Space X und dem sozialen Netzwerk X. 2024 verfügte Musk nach Angaben von Forbes über ein Vermögen in Höhe von etwa 421 Milliarden Euro. Elon Musk ist zwar schon lange reich – und trotzdem zahlte er viele Jahre, laut dem Nachrichtenmagazin Spiegel, fast keine Steuern. Erst ab 2021 ändert sich das. Musk kündigte in einem Tweet bei X an, dass er "mehr Steuern als irgendwer in der Geschichte Amerikas zahle".
Jeden Tag um zwei Millionen Dollar reicher
Zu den Top 10 der reichsten Menschen gehören neben Elon Musk, Amazon-Gründer Jeff Bezos (gut 232 Milliarden Euro), Meta-Boss Mark Zuckerberg (205 Milliarden Euro) und Oracle-Gründer Larry Ellison (97 Milliarden Euro).
Weltweit ist im Jahr 2024 das Gesamtvermögen der Milliardäre um zwei Billionen US-Dollar (1,95 Billionen Euro) gestiegen, heißt es im Ungleichheitsbericht von Oxfam. Das Vermögen der Milliardäre wuchs damit 2024 dreimal schneller als 2023, und zwar auf insgesamt 15 Billionen Dollar (gut 14,5 Billionen Euro). Der Aufwuchs betrug im Durchschnitt zwei Millionen US-Dollar pro Tag.
"Bei den reichsten zehn Milliardären waren es sogar 100 Millionen US-Dollar (rund 97 Mio. Euro) pro Tag. Selbst wenn diese zehn Milliardäre über Nacht 99 % ihres Vermögens verlieren würden, blieben sie Milliardäre", heißt es im Report. Oxfam geht davon aus, dass es innerhalb der nächsten 10 Jahre fünf Dollar-Billionären gibt.
Klaus-Michael Kühne ist der reichste Milliardär in Deutschland
Und wie sieht die Entwicklung in Deutschland aus? Es ging weiter voran: Das Gesamtvermögen der Milliardäre stieg, laut Oxfam-Report um 26,8 Milliarden US-Dollar (26 Milliarden Euro). Es kamen neun neue Milliardäre hinzu, insgesamt sind es laut Forbes-Reichenliste 130. Deutschland hat damit nach den USA, China und Indien die meisten Milliardäre. Sie alle haben zusammen 625,4 Milliarden Dollar (knapp 607 Milliarden Euro). 71 % ihres Vermögens stammen, laut Oxfam, in Deutschland aus Erbschaften, weltweit sind es nur 36 %.
Klaus-Michael Kühne rangiert mit einem aktuellen Vermögen von 37,2 Milliarden Euro laut Business Insider auf dem ersten Rang im deutschen Forbes-Ranking 2024. Sein Logistikkonzern Kühne+Nagel hat es vom Familienbetrieb zur Weltmacht geschafft. Das Unternehmen ist in mehr als 100 Ländern aktiv und zählt mehr als 60.000 Mitarbeitende. Er lebt in der Schweiz. In der Öffentlichkeit ist der 86-Jährige besonders als Sportmäzen bekannt. Er investierte in den Hamburger SV. Derzeit prüft der Logistikunternehmer die Übernahme des Hochhausprojekts Elbtower in seiner Geburtsstadt Hamburg.
In Deutschland schützen die Milliardäre, insbesondere zwei Lobbyverbände, wie Oxfam berichtet. Der Verein "Die Familienunternehmer" und die "Stiftung Familienunternehmen und Politik" helfen insbesondere bei der Durchsetzung einer millidärsfreundlichen Steuerpolitik. Das Ergebnis der Lobbyarbeit kann sich sehen lassen: Milliardäre zahlen weniger Steuern auf ihr Einkommen als der Rest der Bevölkerung, so die bittere Bilanz von Oxfam.
Das Institut der deutschen Wirtschaft sieht keine dramatische Entwicklung
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln bewertet die Zahlen im Ungleichheitsbericht von Oxfam als "einseitig" und lehnt die geforderte Vermögenssteuer vehement ab. Zwar kann das Institut die Steigerung der Vermögenswerte bei den Milliardären nicht bestreiten. Davon hätten aber nach den miesen Corona-Jahren alle Vermögen, also auch die kleinen, profitiert.
Das IW verweist auf die Befragungsdaten der Deutschen Bundesbank zur Verteilung von Vermögen. Die zeigen, dass sich die relative Vermögensungleichheit zwischen 2010 und 2021 in Deutschland leicht reduziert hat. Der Grund: Die Vermögen seien nicht nur in der Breite, sondern auch in Haushalten mit geringen Vermögen überdurchschnittlich stark gewachsen. Das IW kann mit seinen Argumenten die Oxfam-Zahlen nicht widerlegen, versucht sie aber zu relativieren und lehnt vor allem die Therapie ab.
"Eine Wiederbelebung der Vermögensteuer, wie von Oxfam gefordert, wäre in der aktuellen Wirtschaftslage ein gefährlicher Schritt. Sie würde deutsche Unternehmen zusätzlich belasten, Investitionen in die dringend benötigte Transformation blockieren und die internationale Wettbewerbsfähigkeit erheblich schwächen", so IW-Experte Maximilian Stockhausen.
Die Bekämpfung der Armut hingegen stagniert
Während die Superreichen immer mehr Vermögen anhäufen, ist die Zahl der Menschen, die unter der erweiterten Armutsgrenze leben (laut Weltbank sind das 6,85 US-Dollar pro Tag), seit 1990 unverändert bei fast 3,6 Milliarden. Das entspricht aktuell 44 % der Menschheit. Die Bekämpfung der Armut stagniert also, so Oxfam. Frauen sind besonders von Armut betroffen. Weltweit müssen 733 Millionen Menschen infolge von Armut hungern – etwa 152 Millionen mehr als 2019. Die Weltbank geht davon aus, dass es mehr als ein Jahrhundert dauert, die Armut zu überwinden, wenn die Ungleichheit nicht abnimmt. Laut Weltbank-Berechnungen wäre Armut dreimal schneller zu beseitigen, wenn sich die Ungleichheit verringert.
"Auch in Deutschland wächst der Superreichtum unaufhaltsam", warnte Oxfam. Zugleich habe die Armut in den letzten Jahren stark zugenommen, viele Menschen konnten ihren gewohnten Lebensstandard nicht halten. "Diese extreme Ungleichheit entsteht maßgeblich durch eine ungerechte Steuerpolitik", sagte Oxfam-Referent Manuel Schmitt gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit. "Superreiche zahlen hierzulande oft weniger Steuern und Abgaben als Mittelschichtfamilien".
Die großen Vermögen beruhen vor allem auf dem Besitz und der Beteiligung an Konzernen, vornehmlich in Form von Aktien. Kritisch sieht Oxfam, dass die damit verknüpfte wirtschaftliche Macht dazu führt, dass Superreiche und ihre Unternehmen zunehmend Einfluss auf die Politik ausüben. "Das sehen wir bei der Amtseinführung des US-Präsidenten Donald Trump: Ein milliardenschwerer Präsident, unterstützt vom reichsten Mann der Welt, Elon Musk", sagt Serap Altinisik, geschäftsführende Vorstandschefin von Oxfam Deutschland, der Bild-Zeitung. Maßgeblicher ist allerdings der meist indirekte Einfluss von Superreichen. Das funktioniert, nach Auffassung von Oxfam, gut über die Finanzierung von Parteien und Politikern, den Besitz und die Finanzierung von Medien und gezielte Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit im eigenen Geschäftsinteresse.
Ist eine andere Steuerpolitik wirklich die Lösung?
Oxfam fordert zur Lösung der Ungleichheit eine andere Steuerpolitik. Aber ist eine andere Steuerpolitik wirklich die Lösung? Ja, meint jedenfalls Oxfam. In den vergangenen Jahrzehnten gingen die Steuerbelastungen durch den massiven Druck der Superreichen und ihren Lobbyverbänden zurück.
Bis heute profitieren Superreiche und Konzerne von Steuersenkungen und großzügigen Ausnahmeregelungen, während die Steuern für Milliarden von Menschen gestiegen sind. Experten von Oxfam haben folgendes ausgerechnet: Während Familien aus der Mittelschicht im Schnitt etwa 43 % Steuern und Abgaben auf ihr Arbeitseinkommen zahlen, entrichten Milliardäre und Multimillionäre oft nur zwischen 25 und 30 % auf ihr gesamtes Einkommen – und das, obwohl Unternehmenssteuern hier eingerechnet sind.
"Superreichen nutzten beispielsweise in Deutschland die Senkung von Unternehmenssteuern, die unzureichende Besteuerung von Kapitalerträgen, die Abschaffung von und Ausnahmeregelungen bei Erbschaftssteuern und die Abschaffung von Vermögensteuern", heißt es im Oxfam-Bericht. Zwei Drittel aller Länder in der Welt hätten keine Form der Erbschaftssteuer auf Vermögen. "Die Hälfte der Milliardäre der Welt lebt in solchen Ländern. Alle Milliardäre der Welt, die jünger als 30 Jahre sind, haben ihr Vermögen geerbt", schreibt Oxfam.
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