Vollzeitbeschäftigte mit Mindestlohn verfügen laut einer aktuellen Untersuchung über erheblich mehr finanzielle Mittel als Empfänger von Bürgergeld.
Dies gilt sowohl für Alleinstehende, Alleinerziehende als auch für Paare mit Kindern, und zwar in allen Teilen Deutschlands, wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung darlegt.
Berechnungsgrundlagen: Unterschied Mindestlohn vs. Bürgergeld
Mit dieser Studie widerspricht das WSI der Annahme, das Bürgergeld sei so hoch, dass der Anreiz zu niedrig bezahlter Arbeit fehle. Berechnungsgrundlage war der aktuelle Mindestlohn von 12,82 Euro pro Stunde. Berücksichtigt wurde, dass Menschen mit einem so niedrigen Einkommen eventuell zusätzlich Anspruch auf Sozialleistungen wie Wohngeld, Kindergeld oder Kinderzuschlag haben.
Die Berechnungen beziehen sich auf eine Vollzeitbeschäftigung, was im Durchschnitt knapp 38,2 Stunden pro Woche bedeutet. Drei Fallbeispiele wurden berechnet: Ein alleinstehender Mann mit Mindestlohn kommt den Berechnungen zufolge auf 2.121,58 Euro brutto im Monat. Nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben bleiben 1.546 Euro übrig, wie das WSI vorrechnet.
Zusammen mit dem rechnerischen Anspruch auf 26 Euro Wohngeld ergibt sich ein verfügbares Einkommen von 1.572 Euro. Dem gegenüber stehen für den Mann im Bürgergeld 563 Euro Regelsatz und bei gleicher Miete 451,73 Euro für die Unterkunft. Zusammen wären dies 1.015 Euro – 557 Euro weniger als im Job mit Mindestlohn. Wie viel Bürgergeld dir zustehen würde, kannst du mithilfe eines Online-Rechners ermitteln.
Drei Beispiele: Mindestlohn-Arbeit besser als Bürgergeld
Wird der Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro einbezogen, bleibt laut Berechnungen immer noch eine Differenz von über 500 Euro.
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Fall zwei ist eine alleinerziehende Frau mit einem fünfjährigen Kind. Sie käme in Vollzeit mit Mindestlohn auf netto 1.636 Euro. Mit Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld und Unterhaltsvorschuss seien es 2.532 Euro. Beim Bürgergeld wären es laut WSI mit den beiden Regelsätzen für Mutter und Kind, dem Mehrbedarf für Alleinerziehende, Kosten der Unterkunft und Sofortzuschlag 1.783 Euro, also 749 Euro weniger. Wer Bürgergeld bezieht, kann über einen bestimmten Weg einen Bonus von 150 Euro zusätzlich erhalten.
Drittes Beispiel: Ein Ehepaar mit einem Verdiener mit Mindestlohn und zwei Kindern im Alter von fünf und 14 Jahren hätte im Bürgergeld 660 Euro weniger, haben die Experten kalkuliert. Regional gibt es Unterschiede beim Lohnabstand, die jedoch auf der Höhe der Mietkosten basieren.
Je Region: Hier gibt es die größten finanziellen Unterschiede
Im Landkreis München, in Dachau und in der Stadt München fällt der Lohnabstand bei einem Single-Haushalt mit 379 bis 444 Euro am geringsten aus. In Nordhausen und dem Vogtlandkreis ist er mit 662 und 652 Euro am größten.
"Die Zahlen dieser Studie zeigen erneut, dass Bürgergeldempfänger und -empfängerinnen unabhängig vom Haushaltstyp und von der Region, in der sie wohnen, weniger Geld haben als Erwerbstätige, die zum Mindestlohn arbeiten", betonte WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch.
Zudem werde deutlich, mit wie wenig Menschen im Bürgergeld auskommen müssten. "Die Behauptung, sie wollten nicht erwerbstätig sein, weil sich mit dem Bürgergeld gut leben lasse, ist sachlich falsch und stigmatisierend." Statt bei der Höhe des Bürgergelds bestehe Handlungsbedarf bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums.
Appell: Statt höheres Bürgergeld mehr bezahlbarer Wohnraum
Helfen würde auch Qualifizierung von erwerbsfähigen Menschen im Bürgergeldbezug, fügte sie hinzu. Die WSI-Studie bestätigt Ergebnisse anderer Untersuchungen. 2023 sagte auch der Chef des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, trotz der damaligen Bürgergeld-Erhöhung bleibe das Lohnabstandsgebot gewahrt. Kritisch wertete Hüther damals, dass sich oft Mehrarbeit im Niedriglohnsektor nicht lohne.
nw/mit dpa
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