• Bier Pioniere“: Rezension des Worker-Placement-Spiels für Kleinbrauer
  • So spielt sich der strategische Brauerei-Ausbau auf Kennerspiel-Niveau
  • Infos, Bewertung und Fazit

Bier war und ist hierzulande ein großes Thema, Brauen erlebt gerade bei jungen Menschen eine Renaissance. 2023 gab es die erste Deutsche Meisterschaft der Hobbybrauer in Stralsund . Die „Bier Pioniere“ im Arbeitereinsatzspiel von Autor Thomas Spitzer sind jedoch in einer Zeit tätig, als die Industrialisierung für Kleinbrauereien neue Herausforderungen brachte. Es galt, sich mit Weiterentwicklung und Vergrößerung der Betriebe dem Wettbewerb zu stellen. Laut Beschreibung werben die „Bier Pioniere“ in der Zeit ab den 1870er Jahren um die Gunst der Biertrinker. In langen Partien haben wir das Kennerspiel, das der Verlag Spielefaible aus Schleswig-Holstein zur Spielemesse im Herbst 2023 in Essen veröffentlicht hat, getestet. 

Wie spielt sich das Kennerspiel „Bier Pioniere“?

Die Box von „Bier Pioniere“ hat ganz schön Gewicht. Und, was nicht immer selbstverständlich ist, sie ist randvoll mit Spielmaterial. Kleine Bierfässer, Spielfiguren, Karten, Kärtchen, Marker, Flaschen, dazu ein großes Spielbrett und Tableaus: Auf den ersten Blick wird klar, dass eine intensive Auseinandersetzung mit Anleitung und Aufbau vor dem Spielbeginn stehen wird.

Die Anleitung des Strategiespiels ist verständlich verfasst und beschreibt Spielablauf und die Fülle an möglichen Aktionen präzise und nachvollziehbar. Und nicht erschrecken ob des Umfangs: Neun der 40 Seiten des Druckwerks sind ein Almanach, der sich wichtigen Personen der Braukunst und Fachbegriffen des historischen Brauwesens widmet. Für wahre Hopfenhelden ein höchst interessanter Anhang.

Der Spielablauf folgt bekannter Worker-Placement-Manier: Reihum führt jeder Braumeister eine Aktion aus und platziert einen seiner Meeple-Spielfiguren. Pro Runde stehen jedem mindestens fünf Aktionen zur Verfügung. Sobald jeder gepasst hat, kommen die Spielfiguren zurück zu ihrem Besitzer und die nächste Runde beginnt. Das Ende des Spiels wird eingeläutet, wenn der erste Braumeister 20 Siegpunkte auf der Punkteleiste erreicht hat.

Worker- und Lkw-Placement mit Aktionen-Overkill

Für Fans der hier eingesetzten Brettspielmechanik, bei dem man mit Arbeitern (und einem Lkw) Aktionsplätze besetzt, ist das große, nostalgisch illustrierte Spielbrett der Himmel auf Erden. Hier sind die vielfältigsten Aktionen möglich: Arbeiter aufwerten, Bier brauen, Fässer umräumen, Lieferungen erledigen, Geld einnehmen, um Anbauten zu finanzieren, Aktionskarten ziehen, Aktionskarten spielen, Bonusaktionen auslösen und noch viele mehr. Oftmals bringen Aktionsfelder dem ersten dort platzierten Meeple mehr, andere können erst wieder benutzt werden, wenn der Platz freigemacht wurde. 

Auf dem persönlichen Tableau befinden sich Bierkeller, Fasslager, Brauhaus, Anlegeplätze für die Ausbauten, der Verwaltungsbereich, eine persönliche Fortschrittsleiste - und besonders originell: Ruheplätze für die Arbeiter in Rente. Auch hier ist ein Arbeiter in der Verwaltung und einer auf der Fortschrittsleiste unterwegs.

Die Aktionskarten sind einen besonderen Blick wert: Sie sind unterteilt in drei Bereiche. Beim Ausspielen entscheidet sich der Braumeister für einen davon, die anderen verfallen. Der obere beige-braune Bereich wird vor dem eigenen Tableau abgelegt und bringt bei einem Blitzsymbol einen Soforteffekt, etwa eine Münze oder eine Karte nehmen. Die Symbole in der oberen Reihe sind dauerhafte Effekte. Sprich, wird der Arbeiter auf dem Feld „Fässer nehmen“ platziert, werden die Fässer, die die bereits ausliegenden braun-beigen Bereiche zeigen, addiert und das Ergebnis sagt, wie viele Fässer der aktive Braumeister tatsächlich nehmen darf. 

Eine Karte, drei Bereiche

Der violette Bereich wird ausgespielt und die Karte dann abgeworfen, wenn der darauf abgebildete Auftrag erfüllt ist. Beispielsweise verdient man sich mit der Auslieferung von „einem Pils, einem Altbier und zwei Fässern“ fünf Siegpunkte.

Der weiße Bereich bringt einen einmaligen Effekt, wenn ein Brauutensil in diesem Bereich abgebildet ist. Etwa darf ein Arbeiter ein zweites Mal eingesetzt werden. Ist jedoch eine berühmte Person abgebildet, bringt der weiße Bereich, einmal ausgespielt, dauerhaften Nutzen. So hat die Karte mit dem Bild von Gabriel Segelmayr den Effekt, dass Bonusaktionen schon ab fünf und nicht erst ab sechs Punkten ausgeführt werden dürfen. Zu bedenken ist immer das Handkartenlimit, das anfangs bei drei, nach entsprechendem Vorankommen auf der Fortschrittsleiste bei sechs Karten liegt.

Was bei allen Planungen nicht vergessen werden darf: Man sollte immer die gegnerischen Braumeister im Blick haben und beachten, wie weit sie auf der Punkteleiste vorn sind und ob in ihrem Keller schon viele Fässer mit fertigem Bier auf den Verkauf warten. 

Historisches Setting und umfangreiches Material

Wie bei allen Kennerspielen dauert es bei „Bier Pioniere“ eine oder zwei Partien, bis man alle möglichen Aktionen und ihre Auswirkungen ausprobiert und bewertet hat. Nach den Kennenlern-Partien können die Braumeister sich dann immer neue Strategien ausdenken, ihren Betrieb ausbauen und versuchen, zielstrebig die Biersorten zu brauen, die zum Erfüllen der lukrativsten Aufträge nötig sind.

Mit „Bier Pioniere“ widmet sich Spieleautor Thomas Spitzer nach diversen Spielen rund um den Ruhrpott und Kohleförderung einem historischen Thema ohne konkreten Ortsbezug. Box und Spielbrett sind passend zur Zeit der Handlung illustriert, das Material ist hochwertig und umfangreich. Schön wäre es, für die vielen unterschiedlichen Teile eine andere Einteilung zu haben als die kleinen Beutel. 

Die Regeln und der Ablauf des umfangreichen Werks sind für Spieleerfahrene gut zu durchschauen. Gelegenheitsspieler jedoch sollten sich die vielen Brauerei-Upgrade-Techniken besser von einem „Bier Pionier“ erklären lassen, als das Regelheft zu studieren – dessen Almanach übrigens eine hochinteressante Zugabe darstellt. Was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass die „Spielefaible“-Neuheit ein vom Anfang bis Ende hochkomplexes Spiel ist, an dem nur Experten ihre Freude haben. Es fesselt auch spieleerfahrene Familien, die Spaß an verzahnten Mechaniken haben.

Bewertung: Strategiespiel mit beeindruckender Optionen-Fülle

Damit keine Missverständnisse aufkommen: „Bierpioniere“ ist ein Wirtschaftsspiel mit Worker-Placement-Mechanik. Ein Strategiespiel also, bei dem es nicht in erster Linie um das Getränk und dessen Herstellung geht. Zwar ist das Brauen eine wichtige Aktion – letztendlich aber eben nur eine von vielen. Denn „Bier Pioniere“ verfügt über eine riesige Auswahl an einzelnen Aktionen. Für sich genommen ist jede davon relativ einfach und unspektakulär, durch mögliche Verzahnungen werden die Züge jedoch komplex und das Spiel gewinnt zunehmend an Tiefe. 

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Anfangs ist das Ziel, möglichst schnell Biere fertig zu brauen und damit Aufträge zu erfüllen. Mit mehr Erfahrung werden die Möglichkeiten geschickter kombiniert. So können durch cleveres Aktivieren der weißen Karten richtig gehende Kettenreaktionen ausgelöst werden, was das Tüftlerherz extrem erfreut. 

Dabei ist der Einfluss des Glücks beim Kartenziehen nicht zu vernachlässigen. Und hat man dann eine tolle Karte auf der Hand, muss man sich auch noch entscheiden, ob es mehr bringt, den wertvollen braun-beigen Bereich in der Ablage zu platzieren oder ob man doch auf die weiße Karte setzen soll. Immer dieses „entweder – oder“, wo doch ein „sowohl - als auch“ viel besser in die Strategie passen würde.

Nach der Schlusswertung ist oft sofort klar, wo die Fehler in der eigenen Taktik lagen, und neue Strategien wollen umgehend in einer neuen Partie ausprobiert werden. Vorausgesetzt, man will sich die Brauereibau-Simulation nach 90 Minuten Spieldauer gleich noch einmal geben (auf diesen Durchschnittswert kamen wir in Dreierrunden, in denen wir das Kennerspiel hauptsächlich getestet haben). 

Klar, der Einstieg fällt Wenigspielern nicht leicht, weil das umfangreiche Material und die vielen Möglichkeiten eine herausfordernde Aufgabe erwarten lassen. Nach der einen oder anderen Einführungsrunde geht das Spiel aber flüssig und kurzweilig von der Hand. Die Mühe, die man ins Verstehen aller Abläufe steckt, zahlt sich aus – denn die Optionen-Vielfalt sorgt für einen enormen Wiederspielreiz, was „Bier Pioniere“ zu einem Strategiespiel macht, an dem man sehr lange seine Freude haben wird. 

  • Infos zu „Bier Pioniere“ im Überblick:
  • Spieleranzahl: 2 bis 4
  • Altersempfehlung: ab 12
  • Dauer: 75 -100 Minuten
  • Verlag: Spielefaible
  • Autor: Thomas Spitzer
  • Pro: 
    • Durchdacht und nachvollziehbare Regeln
    • Mechaniken funktionieren hervorragend
    • Thema gut umgesetzt 
    • Viele Strategien möglich 
    • Tolles Material
    • Sehr hoher Wiederspielreiz
  • Contra:
    • Schwieriger Einstieg für Gelegenheitsspieler
  • Redaktionswertung: 9 von 10 Punkten

Fazit: „Bier Pioniere*“ bietet nicht nur Braumeistern und Hopfenfreunden ein spielerisch ansprechendes Erlebnis. Das herausfordernde Kennerspiel der anspruchsvolleren Sorte zählt zurzeit zu unseren absoluten Favoriten. 

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Transparenzhinweis: Für das Testen des Spiels hat uns der Verlag ein Rezensionsexemplar ohne weitere Auflagen zur Verfügung gestellt.

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