Das Leben eines Jungtieres ist in der Wildnis selten leicht – doch auch in Zoos ist es oft ein Drahtseilakt. Im Tiergarten Nürnberg kam vor wenigen Tagen ein Jungtier der Asiatischen Löwen zur Welt, doch das Glück hielt nicht lange: Nach nur kurzer Zeit war der Nachwuchs verschwunden. Die traurige Vermutung der Tierpfleger – Löwin Aarany hat das Jungtier gefressen. Ein Verhalten, das in der Natur häufiger vorkommt, aber auch Fragen zum Zuchtprogramm aufwirft.

Asiatische Löwen gehören zu den am stärksten gefährdeten Tierarten der Welt. Mit ihrem letzten natürlichen Lebensraum in Indien und einer kleinen Reservepopulation in Zoos ist jede Geburt ein Hoffnungsschimmer – und ein Risiko. Warum Aarany so gehandelt haben könnte, wie die Zuchtprogramme in Europa funktionieren und was dieses Ereignis für den Fortbestand der Art bedeutet, erfährst du hier.

Warum Löwin Aarany ihren Nachwuchs fraß: Tragödie im Tiergarten Nürnberg

Die Nachricht vom Tod des Löwenbabys machte der Tiergarten am Donnerstag, 14. August 2025, publik: "Der Nachwuchs von Löwin Aarany und dem Kater Kiron hat nur wenige Tage überlebt", heißt es in einer Mitteilung des Amts für Kommunikation und Stadtmarketing der Stadt Nürnberg. Demnach sei im Tiergarten in der Nacht vom 7. auf den 8. August 2025 mindestens ein Asiatischer Löwe, Panthera leo persica, geboren worden. In der Mitteilung schildert der Tiergarten die Ereignisse der zurückliegenden Wochen im Raubtierhaus.

Die beiden Asiatischen Löwen paarten sich etwa vor drei Monaten. Da die Tragzeit bei dieser Art ungefähr 110 Tage beträgt, war seit Anfang August mit Nachwuchs zu rechnen. Um Aarany bei der Geburt Ruhe zu gewährleisten, wurde das Raubtierhaus vor einer Woche für Besucher vorübergehend geschlossen.

Die Wurfbox war mit einer Kamera ausgestattet. Zusätzlich wurden Aarany nicht einsehbare Bereiche angeboten, um ihr mehr Raum und Wahlmöglichkeiten zu geben.

Drei Tage lang Lebenszeichen von Löwenbaby 

In den ersten drei Tagen nach der Geburt waren auf der Kamera Lebenszeichen eines Jungtiers erkennbar. Zusätzlich konnten Tierpfleger Geräusche des Nachwuchses wahrnehmen. Weitere Jungtiere wurden auf den Kamerabildern nicht entdeckt – der junge Löwe Jadoo war vorsichtshalber von den Eltern getrennt und auf die Außenanlage gebracht worden. Am 10. August wurde zum letzten Mal beobachtet, dass Aarany ein Jungtier säugte.

Seit Montag, dem 11. August 2025, war kein Jungtier mehr in den von der Kamera überwachten Bereichen zu sehen. Auch akustische Lebenszeichen fehlten. Die Eltern zeigten keine Unruhe oder Verhaltensänderungen. Ob Aarany in den von der Kamera nicht einsehbaren Bereichen doch noch ein Jungtier umsorgte, das eventuell nicht zu hören war, blieb unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.

Am Dienstag, dem 12. August 2025, war weiterhin kein Jungtier mehr zu sehen oder zu hören, weshalb die Tierpfleger am 13. August alle Bereiche des Geheges kontrollierten.

Auffressen von Jungtieren bei Löwen nicht ungewöhnlich

Dabei wurden kein Jungtier und auch keine Überreste gefunden. Der Tiergarten geht daher davon aus, dass ein Elternteil, wahrscheinlich Aarany, den Nachwuchs gefressen hat.

Das Auffressen von Jungtieren ist bei Löwen nicht ungewöhnlich. Dies wird oft dann beobachtet, wenn die Mutter entweder unerfahren ist oder die Überlebenschancen der Jungtiere, beispielsweise aufgrund gesundheitlicher Umstände, als gering einschätzt. Da das Jungtier gefressen wurde, lässt sich die genaue Ursache in diesem Fall nicht ermitteln.

Im Frühjahr 2023 brachte Aarany erstmalig Jungtiere zur Welt. Auch damals fraß sie drei von vier Welpen, was vermutlich auf ihre Unerfahrenheit zurückzuführen war. Nur wenige Monate später zog sie erfolgreich zwei weitere Jungtiere, Indica und Jadoo, auf - was zu süßen Löwenbaby-Updates aus der Tiergarten führte. Der junge Löwenkater Jadoo lebt immer noch in Nürnberg, während Jadoos Schwester Indica im Mai 2025 in den Zoo Łódź in Polen umgezogen ist.

Raubtierhaus wieder regulär geöffnet

Wie der Tiergarten weiterhin bekannt gibt, hat das Raubtierhaus seit dem Donnerstag, 14. August, wieder regulär geöffnet. Der Tiergarten hofft, dass Aarany und Kiron bald erneut Nachwuchs haben und erfolgreich aufziehen können.

Der Asiatische Löwe gilt laut IUCN als "stark gefährdet". Aktuell gibt es nur eine Population im Gir-Nationalpark in Indien und den angrenzenden Gebieten, wo im Jahr 2017 schätzungsweise 630 Tiere lebten. Der Bestand ist relativ stabil, aber er kann sich im Nationalpark nicht weiter vergrößern, da die Kapazitätsgrenze erreicht ist. Außerhalb des Parks drohen Konflikte zwischen den Wildtieren und der Bevölkerung. Wenn also unvorhergesehene Katastrophen wie Waldbrände oder Seuchen auftreten, könnten alle Tiere dieser Art dort verloren gehen. Reservepopulationen in Zoos sind daher von großer Bedeutung.

Die Zucht und Haltung von derzeit etwa 130 Asiatischen Löwen in insgesamt 41 Zoos der "European Association of Zoos and Aquaria" (EAZA) wird wissenschaftlich im Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EAZA Ex situ Programme, kurz EEP) koordiniert. Ziel ist es, die genetische Vielfalt innerhalb der Population zu bewahren.

Zuletzt wurde die Tötung von zwölf Pavianen im Tiergarten hitzig diskutiert. Besucher teilten Videos, auf denen die getöteten Tiere vor den Besuchern an Löwen verfüttert wurden. Unsere Redakteurin kritisierte die Tötung in ihrem Kommentar ebenfalls und warnte, dass entsprechendes Handeln "in Zukunft zur gängigen Praxis werden könnte". Jetzt meldet sich auch der Verein der Tiergartenfreunde Nürnberg zu Wort.