Vier Jahre lang war er Sprecher der 20-Uhr-Ausgabe der "Tagesschau" - mehr Renommee haben nicht viele Jobs im deutschen Fernsehen. Im Mai dieses Jahres jedoch nahm Constantin Schreiber Abschied von den ARD-Nachrichten. Über die Motivation hinter diesem Schritt sprach der 46-Jährige jetzt in der Auftaktfolge seines neuen Podcasts.

Wie Schreiber erläutert, habe er sich in der Rolle des Nachrichtensprechers journalistisch nicht ausreichend gefordert gefühlt: "Ich kam gegen 18.30 Uhr in den Sender, zum NDR, habe mich umgezogen und mir überlegt: Welche Krawattenfarbe soll's heute sein?", beschreibt er den typischen Ablauf. "Gegen 19.45 Uhr bekam ich Zettel, die ich vorlesen sollte, auf denen ich keinen einzigen Satz selbst geschrieben habe."

Ex-"Tagesschau"-Sprecher: "Das biss sich mit der Marke, mit der Erwartungshaltung an die Sendung"

Es sei bei der "Tagesschau" vorgesehen, "dass man als Sprecher dort arbeitet und nicht als Redakteur, auch nicht als Moderator". Bei ihm sei über die Jahre jedoch der Wunsch immer größer geworden, wieder journalistisch zu arbeiten und hinauszugehen in die Welt: "Das biss sich mit der Marke, mit der Erwartungshaltung an die Sendung."

Eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit seinem "Tagesschau"-Abschied hat offenbar auch die Kontroverse über Schreibers Positionen zum Islam gespielt, wie er in seinem Podcast ausführt. Der langjährige Auslandskorrespondent ist Autor von Sachbüchern und Romanen, die sich kritisch mit Islam und Islamismus auseinandersetzen. 2023 wurde er nach einer Lesung an der Universität Jena mit einer Torte beworfen. Danach erklärte er, sich zum Thema Islam vorerst nicht mehr äußern zu wollen.

Schreiber räumt im Rückblick ein: "Das passte auch nicht zur Rolle als 'Tagesschau'-Sprecher zu dem Zeitpunkt, dass ich in so hochkontroversen Debatten unterwegs war." In diesem Sinne sei es "ein bewusster Teil dieses Wechsels" gewesen, "dass ich es falsch finde zu sagen: Ich äußere mich zu bestimmten Dingen nicht, weil die Rahmenbedingungen so feindselig sind."

Constantin Schreiber: "Das hat mein Sicherheitsempfinden bei Security sehr verändert"

Der Journalist blickt besorgt auf den Zustand der freien Meinungsäußerung in den Medien: "Wo leben wir denn?", frage er sich. Es sei "Teil der Meinungsfreiheit und auch der Pressefreiheit, alle Themen journalistisch bearbeiten zu können". Er kenne jedoch inzwischen viele Kollegen, "die sich journalistisch ein Stück weit zurückziehen, weil es bei vielen Themen inzwischen so ist, dass Hass zurückkommt". Schreiber: "Den muss man schon aushalten können."

Ihm selbst habe ein Vorfall vor einigen Monaten in einer großen deutschen Veranstaltungshalle vor Augen geführt, wie bedrohlich die Lage inzwischen ist. Er sei damals von einem Security-Mitarbeiter nach seinem Auftritt durch einen langen Gang begleitet worden. "Auf einmal blieb der unvermittelt vor mir stehen, drehte sich um und sagte zu mir: 'Das hast du nicht ernst gemeint mit deinen Büchern, oder? Das mit dem Islam hast du nicht so gemeint, oder?'", berichtet Schreiber.

Er habe die Situation "als sehr bedrohlich empfunden". Um eine Auseinandersetzung zu vermeiden, habe er geantwortet: "Nee, das habe ich nicht so gemeint." Noch heute mache ihm das Erlebnis zu schaffen: "Ich gebe zu, dass das mein Sicherheitsempfinden bei Security sehr verändert hat. Es hat mich sehr schockiert."

"Haltung mit Meinung wird immer wichtiger"

Seit September arbeitet Constantin Schreiber als Reporter und Autor für die zum Springer-Konzern gehörende Medienmarke "Welt" - und äußert sich auch wieder zu den Themen Islam und Islamismus. Seine neue Rolle im konservativ-marktliberal wahrgenommenen Medienhaus reflektiert er im Podcast durchaus kritisch.

Menschen seien heute "Gefangene der Algorithmen", man bekomme mehr vom Gleichen angezeigt anstelle journalistischer Vielfalt, so Schreiber. Dieses Muster schwappe inzwischen auch auf die klassischen Medien über: "Haltung mit Meinung wird immer wichtiger, weil darüber letztlich die Bindung (zum Publikum, d.Red.) funktioniert." Dadurch gerate die Annahme ins Rutschen, dass Medien objektiv und ausgewogen sind.

Er selbst frage sich: "Ist das die neue Form des Journalisten? Auch wenn einige den Kopf schütteln würden und sagen 'Das darf nicht sein': Ich fürchte, es ist so." Er selbst sehe "auch die Schattenseiten dabei, dass man in politische Debatten gerät". Aber "die Wirkmechanismen des Journalisten", so Constantin Schreiber, hätten sich eben geändert.