Mit einem Kuddelmuddel fing es an, dann wurde ein handfester Krach in der Bundesregierung daraus. Der Grund: Die Wiedereinführung der Wehrpflicht, über die der Bundestag am Donnerstag zum ersten Mal beraten soll. Weil die Unionsparteien mit dem von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius vorgelegten Gesetzentwurf nicht zufrieden waren, tagten in den letzten Wochen vier Koalitionspolitiker hinter verschlossenen Türen.
Heraus kam ein Kompromiss mit einem Vorschlag der Unionsparteien: Sollten sich zu wenig Jugendliche für einen Dienst bei der Bundeswehr entscheiden, sollte der Rest dazugelost werden. Klingt makaber, ist außerdem juristisch umstritten. Auch bei den Journalisten, die am Mittwochabend zu Gast bei Sandra Maischberger im Ersten sind, kommt die Idee nicht gut an. Mit dem Losverfahren ist keiner einverstanden.
Doch Franca Lehfeld, freie Journalistin und Ehefrau von Ex-FDP-Chef Christian Lindner, geht sogar noch weiter: "Die einzige Botschaft, die bei den Bürgern ankommt, ist: Die streiten, und die streiten genauso wie vorher", kritisiert sie. "Und das kostet Vertrauen." Nun müsste Bundeskanzler Friedrich Merz dafür sorgen, dass die zuständigen Akteure an einen Tisch kommen und eine Lösung finden, verlangt die Journalistin.
Michael Kretschmer: "Deswegen haben wir diese populistischen Wahlergebnisse"
Michael Kretschmer sieht das ganz anders. Der sächsische Ministerpräsident ist dafür bekannt, dass er oft mit seinen Mitbürgern spricht. "Wir müssen zuhören, was die Leute in diesem Land wollen, und dann ab und zu genau das tun, was sie wollen. So sind wir miteinander erfolgreich", sagt der CDU-Politiker.
In Sachsen fahre man damit gut - und das müsse auch die Bundesregierung beherzigen, verlangt Kretschmer. Er fordert deswegen, die Bundesbürger in die Entscheidung zur Wehrpflicht einzubeziehen. "Es muss doch darum gehen, zu sagen: Jeder junge Mensch muss in den kommenden Jahren etwas unmittelbar für sein Land leisten. Wir müssen uns verteidigungsfähig aufstellen."
Kretschmer weiter: "Wenn wir das wollen, müssen wir wissen, wie das funktioniert, wie die Technik geht, wie das Zivilschutzthema geht, wahrscheinlich auch das Thema Betreuung in Krankenhäusern. Und das wollen wir jetzt gemeinsam regeln, und wir sprechen mit der Bevölkerung darüber, wie das geht."
Kretschmer setzt sich für einen Volksentscheid zur Wiedereinführung der Wehrpflicht ein. Er kritisiert: "Wenn wir diese Politik in der Art und Weise, wie wir sie jetzt in der Bundesrepublik Deutschland betreiben, mit diesem Streit und damit, dass wir der Bevölkerung erklären, dass wir wissen, wie es geht, wird das mit Sicherheit schiefgehen. Das hat uns in diese Situation geführt. Ein großer Teil der Menschen zweifelt an der Demokratie, viele sind verzweifelt. Deswegen haben wir diese populistischen Wahlergebnisse. Wir müssen uns nicht mit der Frage von Brandmauer oder Unvereinbarkeitsbeschlüssen beschäftigen, sondern mit der Frage, was im Interesse der Menschen liegt, wo wir die Mehrheit der Menschen wiederfinden, und wie wir mit der Bevölkerung wieder zusammenkommen."
"Über das Wie muss ganz anders mit der Bevölkerung gesprochen werden"
Klar sei, dass man ein Pflichtjahr für junge Menschen brauche. "Aber über das Wie muss ganz anders mit der Bevölkerung gesprochen werden." Das Thema Wehrpflicht sei eine zentrale Frage. "Und das ist doch das Naheliegendste, dass man dazu auch eine breitere Diskussion führt. Ein Volksentscheid ist schwierig, das gibt unsere Verfassung nicht her", weiß Kretschmer. Deswegen ist er für eine Volksbefragung, bei der die Bundesbürger über drei oder vier von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwürfe abstimmen sollen. "Damit hat man einen ganz anderen Rückhalt, diese Dinge auch durchzusetzen."
Unklar ist jedoch, wie so eine Volksbefragung technisch ablaufen soll, noch dazu in der kurzen Zeit, die dazu noch bleibt. Außerdem: Die jungen Menschen, die die neue Wehrpflicht eigentlich betrifft, sind jetzt 16 oder 17 Jahre alt. An einer Bürgerbefragung dürften sie also gar nicht teilnehmen.