"Wir kämpfen weiter!", stellte Vitali Klitschko am Donnerstagabend im ZDF klar. Maybrit Illner hatte mit dem Bürgermeister von Kiew vor ihrer Sendung zum Thema "Endspiel um die Ukraine - Trump und Putin gegen Europa?" gesprochen. Als die Moderatorin ihn auf das Durchhaltevermögen der Ukrainer ansprach, war seine Antwort direkt und unmissverständlich: "Keiner kann uns besiegen. Wir kämpfen weiter für unsere europäische Zukunft, für unseren Traum: Die Ukraine wird eines Tages ein Teil der europäischen Familie, weil die europäischen und demokratischen Werte eine wichtige Rolle haben für jeden Ukrainer, und dafür kämpfen wir." Deshalb sei der aktuelle Korruptionsskandal auch ein "Tiefschlag für jeden Ukrainer", so der ehemalige Box-Champion, denn er zerstöre das Vertrauen von internationalen Partnern und vom Volk in die eigene Regierung.

Genau die wird zunehmend von US-Präsident Donald Trump unter Druck gesetzt. Auf dessen neueste Forderung nach Wahlen reagierte Klitschko mit Unverständnis: "Wie kann eine Wahl stattfinden, wenn das Land im Krieg ist?" Täglich würden die Russen attackieren. Und wie soll man mit den Soldaten an der Frontlinie oder den 10 Millionen Ukrainern und Ukrainerinnen verfahren, die ins Ausland geflüchtet seien: "Bevor man diese Entscheidung (Anm.: Für Wahlen) trifft, muss man klare Antworten auf diese Fragen finden", forderte er. Ob er sich selbst als Kandidaten sehe, wie Maybrit Illner einwarf, meinte er: "Heute geht es um die Souveränität des Landes, ob die Ukraine existiert oder nicht." Da gebe es keinen Grund, über Postionen zu spekulieren.

Gemutmaßt werde auch über eine Spaltung Europas, er selbst sei aber zuversichtlich: "Die EU hat aus meiner persönlichen Sicht eine riesige Zukunft", nannte er wirtschaftliche und kollaborative Aspekte, fügte jedoch hinzu: "Es ist immer eine schwierige Aufgabe, die Partner zu überzeugen und eine gemeinsame Politik zu bauen. Aber ich hoffe und drücke die Daumen, dass die EU das schafft."

CDU-Politiker Norbert Röttgen: "Wenn wir scheitern, weiß ich nicht, was wir danach noch machen"

Schaffen muss die Europäische Union schnellstmöglich eines: Die in Europa liegenden 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank auf unbestimmte Zeit einzufrieren, um die Verteidigung der Ukraine in den nächsten zwei Jahren sicherzustellen.

"Wenn das stattfindet, dann ist die Europäische Union, dann ist Europa endlich wieder im Spiel, weil wir nicht nur lamentiert haben, sondern etwas getan haben", sei es laut Wolfgang Ischinger von der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) elementar, dass der Plan der EU durchgezogen wird. Alle in der Runde nickten. Eine klare Initiative zu ergreifen, "würde auch bei diesem Knaben und Mädels Eindruck schaffen", sagte er mit Blick auf die US-Regierung unter Präsident Trump. Aus amerikanischer Sicht seien nämlich die beschlagnahmten Milliarden Teil der Verhandlungsmasse für die Friedensgespräche mit Moskau.

Es sei eine "Selbstbehauptung nicht nur gegenüber Moskau, sondern gegenüber Washington", sprach CDU-Politiker Norbert Röttgen von einer "Schicksalsfrage": "Wenn wir scheitern, weiß ich nicht, was wir danach noch machen. Deshalb muss es gelingen."

US-General a.D. Ben Hodges: "Ich bin wütend, weil 80 Jahre weggeworfen werden"

Spätestens seit Veröffentlichung von Donald Trumps Nationaler Sicherheitsstrategie ist diese Selbstbehauptung notwendiger denn je. "Die USA stehen erstmals seit 80 Jahren nicht mehr an unserer Seite, sondern sind mit Russland verbunden", fasste Röttgen das Papier zusammen, zudem werde die Ukraine "zum Business Case und nicht zum Thema gemeinsamer Sicherheit."

Dass der Profit einzelner Personen "mehr gilt als Prinzipien", hielt auch Politikwissenschaftlerin Claudia Major für beunruhigend an diesem Papier, das Europa mit einer "Mischung aus Herablassung, Verachtung und Feindlichkeit" betrachte und damit ziemlich genau dem russischen Bild entspreche.

Noch deutlichere Worte fand der ehemalige Oberkommandeur der US-Armee in Europa, Ben Hodges, der aus Virginia zugeschaltet war: "Ich bin wütend, weil 80 Jahre weggeworfen werden", beschrieb er die Strategie als "Schlag in die Magengrube". Mehr noch: "Für mich fühlt es sich an wie ein Betrug unter Freunden, die eigentlich an einem Tisch sitzen." Das Papier sei nicht nur schlecht für Europa, sondern auch für Amerika - "geschäftlich, aber auch weil wir Verbündete in Bezug auf Truppen und geheimdienstlichen Informationen brauchen - und zwar dringend." All das werde mit dieser Strategie weggeworfen. "Der Einzige, der einen Vorteil daraus ziehen wird, ist Wladimir Putin", hielt er seinen Frust nicht zurück.

Hodges rief deshalb "alle Freunde der USA in Europa" dazu auf: "Bitte geben Sie nicht auf! Die Ukrainer werden auf ewig weiterkämpfen, weil sie wissen, was passiert, wenn sie damit aufhören. Dann wird es Butscha noch und noch und noch einmal geben. Und dann wird der Rest Europas dran sein."

Dass nicht die Amerikaner, sondern die Russen "das Spiel beherrschen", davon war auch Katrin Eigendorf, internationale Sonderkorrespondentin des ZDF, überzeugt. Putin sei ein "ausgebuffter Profi im Übern-Tisch-Ziehen, die Amerikaner sind dem nicht gewachsen". Russland hätte seit Jahren die Destabilisierung von Europa, der USA sowie der transatlantischen Beziehungen praktiziert - "bei der USA waren sie erfolgreich", zog sie Fazit.

Claudia Major: "Es gibt keinerlei Hinweise, dass Russland zu Kompromissen bereit ist"

Das bestätigen die Friedenspläne der US-Amerikaner, in denen nicht nur Wahlen in der Ukraine gefordert werden. Gebiete sollen an Russland abgetreten oder von der russischen Armee besetzt werden, dazwischen soll es eine demilitarisierte Wirtschaftszone geben. "Dass nach dem Großangriff 2022 Russland verbrieft bekommt, dass es mit seiner Armee in bestimmten Teilen der Ukraine bleiben darf (...), das finde ich keine gute Basis für Sicherheitsgarantien irgendeiner Art", kritisierte Ischinger.

"Es glaubt keiner, dass aus so einem Diktatfrieden ein Frieden wird", pflichtete ihm Röttgen bei, denn: "Die Belohnung von Krieg ist nicht Frieden." Putin könne vermutlich gar nicht fassen, "wie viele Geschenke er einsammelt", übte er sich in Küchenpsychologie, "er hat nichts erkämpft, sondern erhält lauter strategische Geschenke." Dabei sei völlig offen, ob er die zum jetzigen Zeitpunkt entgegennehmen wolle. Schließlich hätte er der russische Präsident noch nicht mal den ursprünglichen 28 Punkte langen Trump'schen Friedensplan unterzeichnen wollen - "und das war schon würdelose Kapitulation (Anm.: seitens der Ukraine)", meinte Röttgen.

Die Antwort lieferte Claudia Major: "Es gibt keinerlei Hinweise, dass Russland zu Kompromissen bereit ist."

Quelle: teleschau – der mediendienst