Beide sind 34 Jahre alt und hätten als normale Arbeitnehmer noch fast ebenso viele Arbeitsjahre noch vor sich, zumindest wenn das gesetzliche Renteneintrittsalter von 67 Jahren bleibt: Dass es auf 70 Jahre erhöht wird, kann sich SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf nicht vorstellen. "Es wird irgendwann kommen, dann natürlich mit Ausnahmen für Menschen, die körperlich besonders hart arbeiten", sah das Johannes Winkel, Bundesvorsitzender der Jungen Union, anders. Auch sonst äußerten die Politiker im ZDF-Talk von Maybrit Illner zum Thema "Umstritten, teuer, ungerecht - wie ist die Rente noch zu retten?" unterschiedliche Ansichten - insbesondere, was das Rentenpaket von SPD-Ministerin Bärbel Bas und das darin vorgesehene garantierte Rentenniveau von 48 Prozent bis mindestens 2031 betrifft.
Dass der Nachhaltigkeitsfaktor zulasten der jungen Generation weiter ausgesetzt werde, "ist bitter genug für uns", klagte Winkler, der sich als einer von 18 jungen CDU-Abgeordneten dagegen wehrt. Allerdings ginge der Gesetzesentwurf über die Zeit von 2031 hinaus und verursache Folgekosten für 2032 bis 2040 in enormer Höhe. "Wenn es kleine Beträge sind, okay, aber Folgekosten von über 118 Milliarden Euro sind weder generationengerecht noch vernünftig", so der CDU-Politiker.
"Warum habt ihr da nicht Rabatz gemacht?"
"Wir schauen alle auf Zahlen", wollte Klüssendorf das Geld nicht als Almosen oder als zum Fenster hinausgeschmissene Geschenke verstanden wissen. Es handele sich um hart erarbeitete Altersvorsorge. "Wir wollen nicht nur Stabilität bis 2031, sondern darüber hinaus", sprach er sich für die Haltung des Rentenniveaus aus. Statt über Kürzungen zu reden, sei er bereit, über Reformen wie die Einbeziehung ausgenommener Berufsgruppen wie Selbstständige zu diskutieren.
"Wenn das Rentenniveau gesichert ist, dann profitieren diejenigen, die mittlere und guten Renten haben", konnte er damit bei Journalistin Julia Friedrichs, die sich für die Dokumentation "Die Wahrheit über unsere Rente" damit auseinandergesetzt hatte, nicht punkten. "Ich wundere mich, wo die Jungen aus der SPD sind?", kritisierte die Filmemacherin weiter. Sie habe die Partei als die der heutigen und zukünftigen Arbeiter verstanden, nicht nur als Partei derjenigen, die einmal gearbeitet haben.
Doch auch Winkel bekam von der Journalistin sein Fett ab: Sie finde den Widerstand der jungen Unionspolitiker richtig, "aber Sie sind spät dran", hätte sie sich diese Gegenwehr bereits bei der von Markus Söder eingeforderten Mütterrente gewünscht: "Warum habt ihr da nicht Rabatz gemacht? Warum habt ihr Söder nicht ins Lenkrad gegriffen?" Überhaupt seien solche "Schaukämpfe unschön", schließlich kündigen Ökonomen seit Jahrzehnten an, dass die Rente ein "Riesenproblem" sei. Da "sehenden Auges hineinzulaufen, ist fatal und fahrlässig!", urteilte Friedrichs.
Ökonom Clemens Fuest: "Entweder überlastet man die junge Generation oder wir haben Zumutungen für die Älteren"
Die Rente sei ein Kettenbrief, brachte Clemens Fuest, Präsident des Münchener "ifo-Institut", einen drastischen Vergleich ein: "Es ist einfach nichts da. Und wenn man keine oder zu wenig Kinder bekommt, dann gibt es nichts zu verteilen. Da gibt es keine guten Botschaften. Entweder überlastet man die junge Generation oder wir haben Zumutungen für die Älteren", fand der Ökonomen bei "Maybrit Illner" klare Worte.
Zum Thema Rente gebe es seiner Ansicht nach keine guten Botschaften - weder für die junge Generation, noch für die Ältere. "Was nicht gut ist, sich in einem Gesetz auf etwas festzulegen, das erst ab 2032 kommt", stimmte er zumindest teilweise der Kritik der Jungen Union zu und wollte das Thema in den Wahlkampf 2029 verschieben. Eine leichte Lösung gebe es aber nicht: "Wir werden Mangel zu verteilen haben, wir werden Verluste zu verteilen haben. Es ist ganz wichtig in einer Gesellschaft, offen darüber zu sprechen, denn es sind relativ harte Entscheidungen", machte er allen Anwesenden und dem TV-Publikum bewusst.
Ideen wie die Erweiterung der Einzahler wirken plausibel, allerdings dürfe man nicht vergessen, dass diese Personen dann auch Ansprüche haben würden, die finanziert werden müssten. Auch eine Umverteilung innerhalb der Senioren, wie sie Friedrichs zuvor vorgeschlagen hatte, hätte Risiken: Umverteilung wirke wie eine Steuer, es würden dann noch mehr Menschen versuchen, das System zu meiden, appellierte er, behutsam an diesen Stellschrauben zu drehen.
Auch eine private Ergänzung für die Rentenversicherung müsse kommen, schließlich könnten Sozialversicherungsbeiträge nicht ins Unendliche steigen, attestierte Fuest. Das würde den Faktor Arbeit zu sehr verteuern und die Wirtschaft weiter belasten. "Immer mehr Investoren schauen sich die Zahlen an und wollen von der Politik eine Ansage", denn sie würden sich nicht in einem Land engagieren, in dem Steuern und Sozialversicherungen steigen. Doch die Wirtschaft könne langfristig nur dann wieder angekurbelt werden, wenn private Investitionen steigen, nahm er Bezug auf eine von seinem Institut veröffentlichte Grafik, die den wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands illustrierte und Merz zu der Aussage hinreißen ließ: Wenn sich Staatskonsum, BIP und Investitionen nicht wieder in der laufenden Legislaturperiode annäherten, sei die Regierung "gescheitert".
Fuests nüchterne Schlussfolgerung: Erkenntnis: "Wir können die Rentenversicherung nur entlasten, wenn wir den Leuten etwas wegnehmen. Es gibt da nichts umsonst. Wir müssen nicht Renten kürzen, aber das Wachstum verlangsamen. Die Renten werden künftig nicht wie die Löhne steigen können. Punkt. Das ist eine der unangenehmen Wahrheiten aus unserer Demografie."
SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf: "Wir sind reformbereit"
Die objektiv schlechte Lage wird sich nicht verbessern. "Deshalb brauchen wir gemeinsam einen großen Wurf", berief sich Winkel zum wiederholten Mal auf SPD-Politiker, diesmal auf Gerhard Schröder, der mit dem Bündnis 90/Die Grünen die Agenda 2010 ausgehandelt hatte. "So einen Mut bräuchten wir heute", meinte er.
Von "zwei Männern in einem Raum", die gemeinsam eine Lösung erarbeiteten, wollte Klüssendorf zwar nichts wissen. "Aber den Mut zu haben, nicht in den kleinsten Kompromissen zu bleiben", den wollte auch er zeigen, "wir müssen uns in der Mitte treffen. Wir sind reformbereit, lass uns in die große Diskussion gehen um die Sozialversicherung." - "Dafür haben wir die Rentenkommission", warf Winkel ein. "Dann warten wir geduldig bis 2031", kommentierte Friedrichs zynisch.
So lange soll es laut Klüssendorf nicht dauern. Bundeskanzler Merz hatte bereits 2026 Erkenntnisse versprochen.