Modernes Erzählen ist ambivalentes Erzählen. So wie in "Breaking Bad", wo man stets mit sich ringt, ob der krebskranke Chemielehrer, der aus Geldnot zum Drogenbaron wird, nun ein Guter oder ein Böser ist. Vergleichbare "Probleme" mit der Moral hat man auch beim "Tatort: Mike & Nisha" aus Ludwigshafen.

Die Kommissarinnen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) sind hinter einem jungen, sympathischen, ja fast süßen Paar her. Es hat - im Affekt - die Eltern von Mike (Jeremias Meyer) ermordet. Eltern, die direkt aus der Hölle zu kommen scheinen, die aber auch blutig niedergemetzelt werden. Wie oft kommt es in der Realität vor, dass Kinder ihre Eltern ermorden? Kam dir der Mike-Darsteller mit seiner Bob-Dylan-Gedächtnisfrisur auch so bekannt vor? Und hast du bei der spektakulären Schlussszene richtig aufgepasst?

Worum ging es?

Die Mittzwanziger Mike (Jeremias Meyer) und Nisha (Amina Merai) sind schwer verliebt. Bevor Mikes Eltern (Bruno Cathomas und Judith Hofmann) in den Campingurlaub aufbrachen, war ein kurzes Kennenlernen geplant. Das Treffen eskalierte, als Mikes Eltern erfuhren, dass die beiden frisch Verliebten heiraten wollten und ein Kind unterwegs war. Vor allem Vater Gustav tobte vor Wut. Im Streit erschlugen die jungen Liebenden Mikes Eltern. Der spießigen Nachbarschaft mit Einfamilienhäusern und Gärten fiel der hohe Lärmpegel mit nachfolgender Totenstille auf. Mike und Nisha mussten den Tatort reinigen und Leichen entsorgen. Kam das durch tragische Umstände und hoch fliegende Emotionen zu Mördern gewordene Paar mit seiner Tat durch?

Im "Tatort"-Debüt der Schauspielerin und Drehbuchautorin Annette Lober (39) dürften die Zuschauer-Sympathien bei den Tätern liegen - selbst wenn deren Verbrechen irritierend blutig in Szene gesetzt ist. Doch die Eltern und Stasi-artigen Nachbarn (Anna Stieblich, Wolf Bachofner) kommen direkt aus der Hölle: Es sind extrem unsympathische Figuren. Selbst die Kommissarinnen sind genervt von den "helfenden" Nachbarn.

Autorin Lober hat sich bei der Vorbereitung ihrer Geschichte vor allem für wahre Geschichten interessiert, die so ähnlich wie jene von Mike und Nisha sind. Über ihren Film sagt sie: "Es gab Fälle, in denen ich von Adoleszenten las, die ihre Eltern mithilfe von Freunden umbrachten. Neben der Erschütterung kam die Frage kam auf: Was muss passieren, damit jemand am Anfang seines Lebens zu solchen Mitteln schreitet?"

Wie häufig ermorden Kinder ihre Eltern?

Die Gesamtzahl aller Tötungsdelikte (Mord und Totschlag) in Deutschland lag 2024 bei 668 vollendeten Tötungsdelikten. Ein erheblicher Anteil davon sind Beziehungstaten. Familientötungen (inklusive Eltern- und Kindertötungen) sind jedoch sehr selten. Laut Bundeskriminalamt (BKA) gibt es jährlich nur einige wenige Fälle von Tötungsdelikten innerhalb der Familie.

Bekannt wurde eine Elterntötung in Berlin (2007), wo ein jugendlicher Täter seine Mutter umbrachte. Der Mord erregte mediale Aufmerksamkeit, da die Tat unter psychisch kranken Umständen stattfand. Auch in Emden (2012) töteten ein jugendlicher Täter seine Mutter, nachdem es zuvor zu familiären Konflikten gekommen war. Psychische Erkrankung spielte auch hier eine Rolle.

Der berühmteste Elternmord der letzten Jahrzehnte dürfte jener sein, der in der Netflix-Serie "Monster: Die Geschichte von Lyle und Erik Menendez" (2024) thematisiert wird. Die Brüder Lyle und Erik Menendez wurden 1996 wegen der Morde an ihren wohlhabenden Eltern José und Kitty Menéndez verurteilt. Bis heute ist nicht völlig geklärt, ob ihr Motiv das Erbe oder die Angst vor einem Leben in körperlicher, emotionaler und sexueller Misshandlung war.

Wer waren die Darsteller des jungen Paares?

Vor allem Mike-Darsteller Jeremias Meyer ist gut im Geschäft. Der 26-jährige Münchner spielte zuletzt in der Klasse-Serie "Tschappel" (ZDF-Mediathek) einen jugendlichen Hänger in der oberschwäbischen Provinz. Die Serie war für mehrere Preise nominiert.

Auch in der deutschen Amazon-Serie "Der Greif" (2023) nach dem gleichnamigen Fantasy-Roman von Wolfgang und Heike Hohlbein aus dem Jahr 1989 spielt er die Hauptrolle. Zuvor war er als "Axel" in der ebenfalls von Amazon produzierten Serie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" zu sehen.

Nicht ganz so bekannt ist die 30-jährige Amina Merai, Darstellerin der Nisha. Die Berlinerin mit polnisch-tunesischen Wurzeln studierte bis 2019 Schauspiel an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Von 2018 bis 2021 war sie Ensemblemitglied am Schauspiel Stuttgart. Im Fernsehen konnte man Merai in Episodenrollen in Formaten wie "In aller Freundschaft - Die jungen Ärzte", "SOKO Leipzig" oder "Nord bei Nordwest" sehen.

Was genau passiert am Schluss des "Tatorts"?

Wer verwirrt von der Schlussszene war, darf sich sagen lassen: Ja, die tragischen Täter Mike und Nisha begehen am Ende des Krimis Suizid, indem sie sich von einer halb abgerissenen Autobrücke in die Tiefe stürzten. Im "Tatort" sieht man jedoch nur, wie das Paar mit entschlossenen Schritten auf den Abgrund zuläuft. Der Sprung selbst wird nicht gezeigt. Lediglich die bestürzten Gesichter der sie verfolgenden Kommissarinnen sollen den Selbstmord verdeutlichen. 

Gedreht wurde die Szene auf der Ludwigshafener Hochstraße Süd. Diese war zum Zeitpunkt des Drehs gesperrt, weil im Abriss und Neubau befindlich. Das SWR-Team bekamen die Genehmigung, einen Tag auf der Brücke zu drehen und nutzte das spektakuläre Motiv der dramatischen Abbruchkante. In der Realität war diese jedoch viel besser gesichert als im Film.

Der nächste "Tatort" aus Ludwigshafen mit Odenthal und Stern soll im Frühjahr 2026 laufen. Der Titel lautet "Tatort - Sashimi spezial". Johanna Stern entscheidet sich spontan, undercover bei einem Fahrradkurierkollektiv zu ermitteln, nach dem ein Fahrer dort unter merkwürdigen Umständen zu Tode kam. Ab Mitte November entsteht unter der Regie von Martin Eigler bereits der übernächste Ludwigshafen-Fall, zu dem es aber noch keine weiteren Details gibt.

Einschaltquoten und Kritik

Der Ludwigshafener "Tatort: Mike & Nisha" erzielte im Ersten sowohl bei jungen als auch bei älteren Zuschauergruppen beeindruckende Einschaltquoten. Der Krimi mit Ulrike Folkerts wurde von insgesamt 7,58 Millionen Menschen verfolgt, darunter 1,02 Millionen Zuschauer im Alter von 14 bis 49 Jahren. Der Marktanteil betrug insgesamt hervorragende 29,9 Prozent, und bei den jüngeren Zuschauern erreichte er 19,8 Prozen, wie es bei DWDL.de heißt. Damit konnte sich der "Tatort" deutlich vor der Sendung "Wer stiehlt mir die Show?", die zeitgleich bei Prosieben ausgestrahlt wurde, platzieren.

Trotz guter Einschaltquoten fallen die Rezensionen jedoch überwiegend negativ aus. Bei "Wie war der Tatort" sind Kommentare zu lesen, wie "Im Rennen um den schlechtesten Tatort aller Zeiten ganz weit vorne…" oder "Wie kann man den Zuschauern so einen Mist anbieten?". Neben den Ermittlern wird auch die Besetzung der weiteren Darsteller kritisiert. Auch die Erzählung ist für einige Kommentatoren "unschlüssig" und die Handlung "langweilig", gar "unterirdisch".