Ein Jahr ist der Sturz von Baschar al-Assad nun her. Der Weg Syriens zu einer friedlichen Zukunft ist aber noch weit, wie die neue ARD-Doku "Syrien: Kampf um die Zukunft" (ab sofort in der ARD-Mediathek) offenbart. Trotz des Versprechens der Freiheit nach dem Ende des Assads-Regimes toben überall im Land Kämpfe der Regierung mit Milizen, dazu werden Minderheiten verfolgt - und viele Täter der Schreckenszeit unter Assad wurden (noch) nicht bestraft.

Besonders die Alaviten im Land - eine Glaubensrichtung, der auch Assad angehörte - haben es schwer. Regelmäßig werden sie Opfer von Menschenrechtsverletzungen. "Kein Alavit ist in Sicherheit. Wir wissen, dass jederzeit jemand entführt und getötet werden kann, nur wegen seiner religiösen Identität", berichtet der NGO-Mitarbeiter Hassan Ahmed im Film von Kristin Becker, Ute Brucker, Matthias Ebert und Ramin Sina. Er führt das Kamerateam zu einem Zeugen, der im Rahmen eines Massakers an Dutzenden Alaviten seinen Sohn verlor.

"Die Straße war ein Albtraum, links und rechts lagen Leichen"

Dschihadisten hätten mit Gewehren sein Haus gestürmt, erinnert sich Rashid Soulaiman Saad. Als sie seinen Sohn gesehen hätten, habe einer der Gotteskrieger nur lapidar kommentiert: "Dieser ist zum Schlachten." Seine Begleiter hätten mit "Händen, Füßen und Gewehrkolben" auf Saad Sohn eingeprügelt, ehe sie ihn im Rahmen der brutalen Vergeltungsmission auf die Straße mitgenommen hätten.

Später hätten die Dschihadisten Saad angerufen und gesagt: "Geh in die Gasse beim Frisörladen. Hol deinen Sohn, bevor ihn die Hunde fressen." Vor Ort habe er den 26-jährigen Soulaiman mit drei Kugeln in der Brust vorgefunden: "Die Straße war ein Albtraum, links und rechts lagen Leichen."

Noch immer trage er die Patronenhülsen mit sich, mit denen sein Sohn hingerichtet wurde. Doch die Dschihadisten im Auftrag der radikalislamischen Regierung stellten noch viel Schlimmeres mit dem toten Soulaiman an, wie sein Vater in der Doku unter Tränen berichtet: "Sie haben seine Kleider hochgezogen, seine Brust aufgeschnitten, sein Herz herausgerissen und es auf seine Brust gelegt."

Wer die Befehle zu dem Massaker gab, ist unklar. Erste Prozesse haben zwar begonnen, doch diese seien laut Saad "überhaupt nicht" überzeugend: "Es gibt keine Gerechtigkeit." Saads Geschichte ist kein Einzelfall, wie Hassan Ahmed weiß: "Hier an der Küste passieren diese Vorfälle immer wieder: Von irgendwo kommen bewaffnete Milizen, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, und fangen an, auf Häuser und Zivilisten zu schießen." Auch deshalb zweifelt er am neuen Präsidenten Ahmed al-Scharaa und dessen Absichten.

Syrer nach Rückkehr in alte Heimat: "Dachte nicht, dass es so kaputt ist"

Optimistischer blickt Mohammed Shakir in die Zukunft. Er flüchtete einst vor Assads Schergen und dem Krieg nach Deutschland. Nach zehn Jahren brach er seine Zelte wieder ab, um nach Syrien zurückzukehren. "Deutschland hat viel für uns gemacht", sagt er im ARD-Film, aber: "Ich vermisse meine Heimat."

Mit seiner Frau und den fünf gemeinsamen Kindern - drei davon wurden in Deutschland geboren - geht es zurück. Für die Shakirs ist es eine Reise nicht ohne Risiko: Zwar bezahlt der deutsche Staat die Flüge und gibt 18.000 Euro Starthilfe, aber der Aufenthaltsstatus der Familie ist mit der Ausreise passé.

Als er durch sein einstiges Viertel in Damaskus fährt, stockt Mohammed der Atem: "Ich hätte nicht gedacht, dass es so kaputt ist." Angesichts der Schutthaufen und völlig zerbombten Häuser meint er: "Alles leer, niemand da." Doch obwohl von seiner Wohnung in einem einst sechsstöckigen Haus heute nur noch ein Haufen Geröll übrig ist, ist sich Shakir sicher: "Ich wohne wieder hier, das hier ist meine Stadt."

Ein halbes Jahr später stattet ihm das Kamerateam nochmal einen Besuch ab. In der Zwischenzeit hat sich der Familienvater ein Geschäft mit Metallteilen aufgebaut. "Man kann von diesem Geld leben", zieht er ein zufriedenes Zwischenfazit. Es laufe mittlerweile "gut", lässt er die Filmemacher wissen, aber: "Zwei Monate lang hatte ich große Probleme." Gerade seine Frau, aber auch seine Kinder hätten noch Anpassungsschwierigkeiten. Trotzdem stehe er zu seiner Entscheidung, in seine Heimat zurückzugehen, unterstreicht Mohammed.

Quelle: teleschau – der mediendienst