Seine geliebte Tischtennisplatte im Bundesgesundheitsministerium darf er nicht mehr benutzen. Auch sonst scheint es nicht viel Austausch zu geben zwischen Karl Lauterbach und seiner Nachfolgerin im Amt, Nina Warken von der CDU. "Sie hat mich nicht ein einziges Mal angerufen", informierte Lauterbach am Dienstagabend auf Nachfrage von Sandra Maischberger. "Aber wenn mir etwas wichtig ist und ich will das in die gesundheitspolitische Diskussion einbringen im Hintergrund, dann gelingt mir das auch, ohne dass ich angerufen werde".

Im ARD-Talk "Maischberger" erbrachte der SPD-Politiker den Beweis seiner Diskursmacht sozusagen im Vordergrund. Einbringen wollte sich Lauterbach etwa in die Diskussion um die mögliche Streichung des Pflegegrads 1. Nach Meinung des Ex-Gesundheitsministers sei dies nicht "der klügste Vorschlag", denn: "Wenn man den Pflegegrad komplett wegnimmt, betrifft das natürlich auch Leistungen, mit denen man versucht, höhere Pflegebedürftigkeit zu verhindern."

"Ein deutsches Auto kann man sich nicht mehr leisten, Bauen sowieso nicht"

Reformen, so Lauterbach weiter, müssten grundsätzlich immer ein Plus an Gerechtigkeit und Effizienz bringen. Kein guter Reformansatz sei hingegen: "Der Bürger zahlt mehr für das, was ineffizient organisiert ist." Die Menschen würden die daraus resultierende Ungerechtigkeit immer stärker spüren, ist der SPD-Politiker überzeugt. Dies sei auch der Grund, warum die Sozialdemokraten "bei den Arbeitern, bei den Gewerkschaftsmitgliedern so viele Wähler verloren haben".

Beispiele für die grassierende Ungerechtigkeit im Land aufzuzählen, fiel dem sich zunehmend in Rage redenden Talk-Gast nicht schwer: "Wir haben eine ausgeprägte Zwei-Klassen-Medizin! Die Leute müssen auf den Facharzt monatelang warten - der Privatversicherte ist sofort dran. Bei der Pflege hat man Angst, dreieinhalbtausend Euro bezahlen zu müssen, die man nicht hat. Die Miete wird immer teurer, die Nebenkosten steigen, ein deutsches Auto kann man sich nicht mehr leisten, Bauen sowieso nicht mehr." Lauterbach: "Ich glaube, dass das Gerechtigkeitsproblem der Elefant im Raum ist."

"Obwohl wir regieren, ist die Ungerechtigkeit größer geworden"

Sandra Maischberger warf im Gespräch mehr als einmal ein, dass ihr Gast als Bundesminister im Kabinett Scholz für diese Entwicklungen mitverantwortlich zeichne. "Obwohl wir regieren, ist die Ungerechtigkeit größer geworden, das muss man ehrlicherweise zugeben", konzedierte Lauterbach. Er vermutet aber auch: "Wenn wir nicht regiert hätten, wäre vielleicht alles noch viel schlimmer."

Bei den Gesundheitsreformen sei ihm als Minister schlicht die Zeit ausgegangen, das Geplante in die Tat umzusetzen. In anderen Ressorts wie dem der Bildung habe es erst gar keine ausreichenden Reformansätze gegeben. Wie es gehen könnte, wisse er aber schon: "Es gibt mindestens zehn Beispiele, die ich nennen könnte, wie man Reformen macht, die der Bürger als konkrete Reformen erlebt für mehr Gerechtigkeit", beteuerte der Sozialdemokrat.

Dass Parteichef Lars Klingbeil unlängst "mutige Reformen" im Stile Gerhard Schröders eingefordert hat, beeindruckte Karl Lauterbach nur bedingt. Eine mutige Reform zu machen, bedeute nämlich nicht, den Leuten mehr Geld abzunehmen und die eigene Klientel zu schröpfen, sondern sich mit den Ländern und den Krankenhausverbänden anzulegen. "Dafür" - und da sprach der Ex-Minister vermutlich aus leidvoller Erfahrung - "braucht man Mut".