Heidi Reichinnek liest lieber, als fernzusehen. Mit einer Ausnahme: "Ich liebe den Eurovision Song Contest!" Umso besser, dass Louis Klamroth diesen zum ersten Programmpunkt des neuen Mediatheken-Formats "Press Play" mit der Linken-Politikerin auserkoren hat. Sie schaue den ESC "seit 1997 jedes Jahr", habe "immer ein Ranking im Kopf" und sei "nicht so der Balladenfan", plaudert Reichinnek zunächst, als handle es sich bei der ARD-Sendung tatsächlich um einen launigen Fernsehabend unter Freunden.
Gar so gemütlich bleibt es auf dem Sofa, von dem aus Klamroth und sein Gast durch verschiedene Programme zappen, nicht. Es scheint kein Zufall zu sein, dass ausgerechnet der israelische Beitrag zum ESC 2025 über den Bildschirm flimmert. "Israel wurde ja richtig ausgebuht - und dann vom Publikum am meisten hochgevotet", versucht Klamroth schließlich, die Linken-Frau aus der Reserve zu locken.
Sie beißt an: "Ich bin grundsätzlich gegen Kultur-Boykotts", stellt Reichinnek klar. "Wenn man jetzt Russland ausschließt, das ist halt so eine schwierige Sache ..." Sie sei dafür, "auf Diplomatie und Völkerverständigung" zu setzen und die Menschen "auch über Sport und Kultur" zusammenzubringen. Reichinnek seufzt: "Ich weiß, damit mache ich mich jetzt unbeliebt."
"Das heißt, Sie hätten auch lieber noch Russland mit auftreten lassen?"
Sie solle konkret werden, fordert Klamroth - und sein Gast kommt seinem Wunsch nach. "Ich mache mich bei Leuten unbeliebt, die sagen, Israel sollte da nicht mehr auftreten aufgrund der aktuellen Situation. Weil Israel Palästina angreift und dort Tausende Menschen tötet." Reichinnek betont: "Ich würde niemanden ausschließen." Im Falle Russlands sei dies jedoch passiert. "Jetzt ist die Frage: Warum schließe ich das eine Land aus und das andere Land nicht?"
"Aber", unterbricht Klamroth etwas empört, "es gibt ja einen Unterschied zwischen dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und dem Vorgehen von Israel." Ohne auf den Einwurf des Polittalkers einzugehen, erklärt Reichinnek weiter: "Die letzte Person, die für Russland da angetreten ist, war eine Frau, die sich ganz massiv kritisch gegenüber diesem ganzen System von Putin geäußert hat."
Mit einem Ausschluss nehme man solchen Stimmen die Möglichkeit, "sich da zu präsentieren und vielleicht auch Schutz dadurch zu genießen", mahnt die 37-Jährige, die den Boykott "einfach hochproblematisch" finde. "Und, ganz ehrlich: Das, was Israel in Palästina macht - wir wollen jetzt diese Debatte nicht aufmachen ..."
Klamroth resümiert: "Das heißt, Sie hätten auch lieber noch Russland mit auftreten lassen?" Sie "hätte gerne, dass Künstlerinnen und Künstler aus allen Ländern auftreten", sagt Reichinnek. "Oder wir müssen anfangen, wirklich genau zu sortieren, wer darf noch und wer darf nicht." Damit mache man den Wettbewerb jedoch "zum kompletten Politikum" - und genau das halte die Linken-Fraktionsvorsitzende für falsch: "Man muss auf der Seite der Leute stehen. Auch in Israel haben über 200.000 Menschen gegen die eigene Regierung protestiert. Das sind die Leute, die ich stärken will."