Bei "Hart aber fair" ging es nach der Osterpause gleich ordentlich zur Sache. Kein Wunder bei dem Thema "Zollkrieg und Wirtschaftsflaute: Kann Merz Aufschwung?". Diskutiert haben am Montagabend, 28. April, der CDU-Bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus, der Juso-Bundesvorsitzende Philipp Türmer, die Polit-Ökonomin Maja Göpel, der VW-Mitarbeiter Luigi Catapano, der Start-up-Investor Carsten Maschmeyer und Vera Bökenbrink, Geschäftsführerin des Wuppertaler Werkzeug-Unternehmens Stahlwille.

Als es um die Bürokratie in Deutschland ging, platzte Bökenbrink dann auch gleich der Kragen. Sie hatte zur Veranschaulichung ein Metall-"Nüsschen dabei, womit Schrauben auf und im Werkzeug gehalten werden: "Ich musste mich im Rahmen des Produkthaftungsgesetzes damit beschäftigen, ob man das Nüsschen verschlucken kann", schilderte sie ihren "täglichen Wahnsinn".

Kampf gegen Bürokratie dank Donald Trump?

Ihre Forderung an die Politik ist klar: "Geben Sie uns mehr Freiheit, nehmen Sie uns das Berichtswesen. Ich will nicht mehr gefragt werden, ob wir Kinderarbeit haben oder zum Hungerlohn arbeiten lassen. Ich möchte das nicht mehr! Ich möchte nicht mehr meine Leitern zertifizieren lassen müssen oder im Lieferkettengesetz gefragt werden. Wir sind in Deutschland: Gehen wir davon aus, dass ich ein weißes Schaf bin, und ich möchte als weißes Schaf behandelt werden!"

Maschmeyer pflichtete ihr bei. Die Überbürokratisierung und Überregulierung macht er für die Zerstörung der Autoindustrie als stärkster Industrie Deutschlands verantwortlich. "Das Nullwachstum war nicht Trump, das waren die Bürokratie und zu wenig Digitalisierung", wetterte er vor allem gegen Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Wir werden Trump dankbar sein in ein paar Jahren.

Carsten Maschmeyer

Doch er sieht eine Chance: Trumps Zollpolitik könne "etwas schaffen, was die Europäer selbst nicht hinbekommen". Sie könne den Zusammenhalt stärken, die Verteidigungssituation verbessern und die Wirtschaft durch Bürokratieabbau fördern. "Manchmal braucht man den Ärger von außen, um sich darauf zu besinnen, dass wir besser werden müssen", sinnierte der Investor und fügte hinzu: "Wir werden Trump dankbar sein in ein paar Jahren."

Trump ignorieren und einfach "besser und effizienter werden"

Eine Bemerkung, die Polit-Ökonomin Göpel mit "zynisch" kommentierte: "Wir sind wirklich in der Infragestellung der Weltordnung, die wir seit dem Zweiten Weltkrieg kennen", erklärte sie. Im Vorgehen Trumps sieht sie eine Umsetzung des "Project 2025". Dabei handelt es sich um einen politischen Plan der konservativen Denkfabrik Heritage Foundation mit dem Ziel, US-Bundesinstitutionen zu schwächen und die Macht des Präsidenten auszuweiten. "So sollten wir auch damit umgehen", warnte Göpel.

CDU-Bundestagsabgeordneter Brinkhaus lehnte es ab, sich zu viel mit Trump zu beschäftigen: "Die Welt sind auch 7,7 Milliarden Menschen, die nicht in den USA leben. Wir müssen auf uns schauen." Neben Verlässlichkeit und klaren Rahmenbedingungen brauche Deutschland einen "Neustaat mit doppel aa".

"Wir müssen bessere Gesetze machen und schneller werden", plädierte er. Deutschland müsse schlanker, besser und effizienter werden. Doch er ist optimistisch: "Wenn wir da erste Impulse setzen, dann geht ein Ruck durchs Land, dann entsteht wieder Vertrauen. Und wenn die Leute wieder Vertrauen haben, kaufen sie Autos, Waschmaschinen und Küchen."

Wie klug sind die Pläne der neuen Regierung?

"Es wäre schon toll, zuallererst eine Regierung zu haben", merkte Bökenbrink an. Auch sie gab sich zuversichtlich: "Als Unternehmerin muss ich hoffen. Sonst bin ich raus." Die beiden Parteien hätten ihrer Beobachtung nach verstanden, dass die Wirtschaft entfesselt werden müsse. "Extrem froh" sei sie auch, dass mit Katharina Reiche als neuer Wirtschaftsministerin jemand ins Amt komme, "die Wirtschaft und Energie versteht".

Auch Autorin Göpel hielt "Menschen mit Kompetenz vielversprechender als Parteienproporz", warnte aber, nicht das Klima zu vergessen: "Wir brauchen einen wirklich klugen, effizienten, kreislauforientierten Umgang mit den Ressourcen (...) – das fehlt mir komplett als eines der übergeordneten Ziele", verwies sie auf den Koalitionsvertrag. Gerade in Europa, dem sich am schnellsten erwärmenden Kontinent, wäre das entscheidend. Deutschland habe mit seinen Start-Ups eine "tolle Base". Diese müsste man befähigen, Sollbruchstellen zu kitten und Exportschlager der Zukunft in die Welt zu bringen.

"Das ist genau der Plan", sagte Maschmeyer, der den Koalitionsvertrag offenbar anders gelesen hat. Dass darin auf "Start-ups als die Hidden Champions von morgen" gesetzt werde, finde er toll. "Und die Regierung kann man frühestens nach 100 Tagen kritisieren", ergänzte er.

Philipp Türmer (SPD): "Finanzierungsvorbehalt ist tickende Zeitbombe"

Vorausgesetzt, die SPD-Union-Koalition kommt zustande. Dem müssen am Dienstag noch die Mitglieder der Jusos zustimmen. Deren Vorsitzender Philipp Türmer hatte im Vorfeld davon abgeraten. Von Klamroths Bedenken, dass dies "Neuwahlen in unsicheren Zeiten" bedeuten würde, wollte der SPD-Politiker nichts wissen. "Da stehen lustige Sachen drin, dass wir als Deutschland doch endlich einen Deutschen auf den Mond schießen wollen", erklärte er mit einer Spitze gegen CSU-Parteivorsitzenden Markus Söder. "An den wesentlichen Stellen gibt es massive Leerstellen im Koalitionsvertrag." Er verwies auf den "allgemeinen Finanzierungsvorbehalt, der alle Projekte dieses Koalitionsvertrags unter den Vorbehalt stellt, dass Geld da ist."

"Wir können nicht nur über Geld reden", echauffierte sich Brinkhaus. Doch Türmer hielt dagegen: "Sie haben mir nicht zugehört (...) ganz ruhig". Es gebe schon jetzt eine Lücke von 130 Milliarden Euro im Kernhaushalt und "und die vielen tollen Projekte werden nichts", wenn die Reichsten in diesem Land nicht besteuert würden. "Solange Sie das nicht einsehen, ist die tickende Zeitbombe dieser Finanzierungsvorbehalt", wurde er für diese Aussage mit Applaus aus dem Publikum belohnt.

Jetzt war Brinkhaus an der Reihe. Alles mit Geld zu lösen, wäre "unterkomplex und einfach" und würde nicht funktionieren. "Wir müssen machen, was jede Familie macht, wenn sie mit Geld nicht klarkommt", brachte er einen – wie Göpel anmerkte – hinkenden Vergleich. Da müsse der Terrassenumbau zugunsten von Omas 80er-Feier ein paar Jahre warten. "Meine Bitte ist: Nicht nur darüber reden, wie man Schulden macht, sondern über Reformen". Das Publikum hatte er damit auf seiner Seite.