Es ist einer der spektakulärsten Kunstraube der letzten Jahrzehnte: Als im November 2019 mehrere Männer in das Dresdner Grüne Gewölbe einbrachen und Kunstschätze im Wert von rund 113 Millionen Euro stahlen, machte die Tat weltweit Schlagzeilen. Nun, sechs Jahre später - kurz, nachdem es jüngst auch im Louvre zu einem aufsehenerregenden Juwelen-Diebstahl gekommen ist - nimmt "ARD Crime Time" den Fall noch einmal genauer unter die Lupe.
Die dreiteilige Dokumentation setzt in der Tatnacht an. "Bis zum 25. November 2019 galt das Grüne Gewölbe eigentlich als total sicher", erklärt die Fernsehjournalistin Heike Römer-Menschel. Sie erinnert an einen Beitrag, den der MDR bereits 2014 über das Sicherheitskonzept der Museumssammlung produziert hatte. "In diesem Film priesen die Verantwortlichen ihr System, waren sehr stolz darauf", erzählt die Autorin. "Das war natürlich alles eine Legende."
Vielmehr habe es "einen großen blinden Fleck" an dem Fenster gegeben, durch das die Täter in das Gebäude gelangten. "Das war wirklich ein riesengroßes Einstiegstor", moniert Römer-Menschel. "Das war eine Einladung für Einbrecher oder Kriminelle."
Zeugin: "Warum sollte ich lügen?"
Nichtsdestotrotz bereiteten die Täter, bei denen es sich um Mitglieder des arabischstämmigen Remmo-Clans handelte, den Einbruch mit viel Aufwand vor. Unter anderem waren Teile des Fenstergitters bereits in der Nacht zuvor herausgeschnitten und schließlich mit Klebeband wieder befestigt worden. Die Aktivitäten in den Vornächten seien laut Römer-Menschel jedoch "komplett unbemerkt" geblieben.
Zudem kopierten die Diebe die Kennzeichen eines Dresdner Taxiunternehmens. Gefasst werden konnten die Täter unter anderem, weil Passanten Wochen später das abgeparkte Fahrzeug mit den gefälschten Nummernschildern entdeckten. DNA-Spuren führten die Ermittler schließlich zu polizeibekannten Mitgliedern des Remmo-Clans, die sich im Januar 2022 vor Gericht verantworten mussten.
"Der schwerwiegendste Vorwurf" im Prozess sei dabei nicht der Einbruch ins Grüne Gewölbe gewesen, erklärt Kai Kempgens, der Verteidiger eines Angeklagten. Weil die Täter kurz nach dem Diebstahl eines ihrer Tatfahrzeuge in einer Tiefgarage in Brand gesetzt hatten, seien Menschenleben gefährdet worden - unter anderem das der Anwohnerin Elke Haase, die sich ebenfalls im Film äußert.
"Von den Anwälten, die anwesend waren, bin ich auseinandergenommen worden", erinnert sie sich. Man habe versucht, sie "unglaubhaft zu machen", vermutet die Frau, die sich gerade noch aus der verqualmten Tiefgarage retten konnte. "Warum sollte ich lügen? Was habe ich davon?", fragt sie. Im Laufe der Gerichtsverhandlung habe sie in ständiger "Angst" gelebt, "dass es irgendwann mal an der Tür klingelt".
Ein umstrittener Deal
Für die Angeklagten ging der Prozess dennoch glimpflich aus. "Die Staatsanwaltschaft hat uns zu Beginn des Verfahrens relativ deutlich gesagt, dass ihnen eine Beuterückgabe sehr viel wert wäre", verrät Kai Kempgens. Und tatsächlich: Weil ein Teil des Diebesguts zurückgegeben wurde, fiel die Strafe verhältnismäßig milde aus. Fünf der Angeklagten erhielten Freiheitsstrafen zwischen viereinhalb und sechs Jahren, ein sechster Mann wurde freigesprochen.
"Ob die Rückführung des Schmucks und der damit in Zusammenhang stehende Deal jetzt wirklich erfolgreich gewesen ist, ob damit wirklich auch der Schuld Rechnung getragen wurde", wagt Thomas Schulz-Spirohn von der Staatsanwaltschaft Berlin im Rückblick zu bezweifeln. Es sei "ja längst nicht alles zurückgekommen an Beute", gibt der Jurist zu bedenken.
Dass ausgerechnet die wertvollsten Stücke nach wie vor nicht ausgehändigt wurden, wirft bis heute Fragen auf. Während die Journalistin Heike Römer-Menschel spekuliert, dass die fehlenden Steine "am ehesten für eine Umarbeitung" und damit auch den Verkauf auf dem Schwarzmarkt geeignet seien, zweifelt ein Experte an einem Weiterverkauf.
Diamantschleif-Meister Christian Berg kann sich "schwer vorstellen, so etwas anonym zu verkaufen". Die Diamantschleifer in Deutschland seien "ein kleiner, elitärer Kreis", betont er. "Das sind Stücke, die weltbekannt sind. Wenn man darüber nachdenkt, sie zu verkaufen, ist es sicherlich ratsam, sie vorher umzuschleifen." Berg könne für sich und seine Kollegen ausschließen, "dass jemand von uns so eine Arbeit durchführen würde". Seine Vermutung: "Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Stücke immer noch in ihrem ursprünglichen Zustand irgendwo versteckt liegen."
Die dreiteilige Dokumentation "ARD Crime Time - Millionencoup im Grünen Gewölbe" gibt es in voller Länger in der ARD-Mediathek zu sehen.