Wenn man in Oscar-Kategorien denkt, ist Roland Emmerich kein großer Regisseur. Der Exil-Schwabe, lange Zeit der erfolgreichste Deutsche in Hollywood, hat selbst nie die goldene Trophäe zur Dankesrede vor der Academy in die Höhe recken dürfen. Kein einziges Mal war er als Autor oder Regisseur oder einer seiner Filme in einer der Königsdisziplinen nominiert. Auf der anderen Seite erspielten seine Werke wie "Independence Day" (1996), "Godzilla" (1998) oder "The Day After Tomorrow" (2004) ein Box Office von über vier Milliarden Dollar. Roland Emmerich, der am 10. November 70 Jahre alt wird, ist damit einer der erfolgreichsten deutschen Regisseur aller Zeiten.

Die unerwartet intime Dokumentation "Meister der Apokalypse - Roland Emmerich" von Jo Müller - Schwabe wie Emmrich selbst - zeigt nun eine andere Seite des Filmemachers: Nicht mehr Weltuntergang, Brachialbilder und formelhafte Charaktere stehen im Mittelpunkt, sondern die Reise eines sensiblen Filmbesessenen durch ein nicht immer einfaches Leben. Der Dokumentarfilm, ab 5. November ist er auch in der ARD-Mediathek zu finden, erzählt von einem in amerikanischen Science Fiction- und Abenteuerkino verliebten Provinzschwaben aus gutem Hause, der zahlreiche Widerstände überwinden musste: die seines wohlhabenden, aber konservativen Unternehmer-Elternhaus, die Ablehnung durch deutsche Filmkunst-Kritiker, die schwierigen Startjahre in Hollywood voller Demütigungen sowie seine lange Zeit im Verborgenen gehaltene Homosexualität.

Filmemacher Jo Müller schrieb schon das 2017 erschienene Buch "Roland Emmerich - Die offizielle Biografie". Nun hat er seine zahlreichen Interviews plus weiteres Archivmaterial aus sieben Lebensjahrzehnten zu einem berührend ehrlichen Film zusammengefügt. Roland Emmerich, der sich - auch für Einrichtungsfans hochinteressant - in verschiedenen seiner mit großem Geschmack eingerichteten Häuser in London und Los Angeles zeigt, erweist sich in Begegnungen mit Müller über mehrere Jahrzehnte als nachdenklicher Gesprächspartner, der intensiv über viele Dinge des Lebens reflektiert: Filme natürlich und ihre Tricks, über persönliche Niederlagen, Triumphe und Beziehungen.

Berührendes Wiedersehen mit der Villa der Kindheit

Interessant am Leben Roland Emmerichs ist: Obwohl er nach Hollywood ging und heute manchmal lieber ins Englische "switcht", um Gedanken und Gefühle auszudrücken, ist ihm die Heimat und seine Herkunftsfamilie sehr nah. In einer der bewegendsten Filmszenen besichtigen Roland und sein Bruder die abgeschlossene Familienvilla in Sindelfingen, die demnächst abgerissen werden soll. Man geht durch den Garten, wo bis vor kurzem noch eine Skulptur mit den Köpfen der vier Emmerich-Kinder zu sehen war (ein Bruder, Wolfgang, ist bereits verstorben), und hängt Erinnerungen an die Kindheit nach. Von den Eltern hatten die Kinder durchaus lange etwas: Vater Hans starb 2005 mit 82, Mutter Hilde erst 2022 mit 94 Jahren.

In den frühen Jahren drehte Roland Emmerich alle seine Filme in der Nähe seiner Heimatstadt. Weil sie schon damals nach Amerika aussehen sollten, wurde eine schwäbische Mulde so ausgestattet, dass man Deutschland möglichst nicht sieht. Zum Beispiel mit typisch amerikanischen Holzständerhäusern und Polizeiautos. Und wenn deutsche Freunde nach Los Angeles kommen, wo Roland Emmerich mit seinem 33 Jahre jüngeren Mann Omar lebt, gibt es immer Spätzle. In vielen der Interviewszenen ist auch seine fünf Jahre jüngere Schwester Ute zugegen, die mit ihm jung in die USA umsiedelte und seit langem seine Filme produziert.

"Ich habe es mehr zu mehr Hollywood gemacht, als es war"

Roland Emmerich dachte von Anfang an groß. 1977 begann er an der Hochschule für Fernsehen und Film München Szenenbild zu studieren. Als er den Film "Star Wars" gesehen hatte, wechselte er ins Regiefach. Sein Abschlussfilm "Das Arche Noah Prinzip" zeigte bereits, wo es für ihn langgehen sollte. Größtenteils fremdfinanziert, kostete er etwa eine Million D-Mark. Das Budget für einen typischen Abschlussfilm lag damals bei 20.000 D-Mark. "Ich hatte schon immer vor, amerikanische Filme zu machen. Also Unterhaltungsfilme, Action- Filme, Science Fiction-Filme", erzählt Emmerich in der Dokumentation. Er redet darin auch über sein recht spätes Outing, das mit dem Action-Genre zu tun hatte, mit welchem man seinen Namen verbindet. "Das Wort schwul gehört da nicht hin. Das hätte meiner Karriere wahrscheinlich nicht sehr gutgetan." Aber Emmerich sagt auch: "Outing macht man in Deutschland, in Amerika muss man das nicht machen. Ich wollte niemals der schwule Regisseur sein, deshalb habe ich es verheimlicht."

Roland Emmerich gibt im Film zu, dass er unter der verborgenen Sexualität stark gelitten hat: "Ich war schon gequält. Wenn man sich sexuell nicht betätigen kann, das ist ja ganz schlimm. Man muss ehrlich sein. Aber es war die Aids-Zeit. Ich habe panische Angst gehabt, dass ich sterben werde, wenn ich Sex habe. Ich habe natürlich Sex gehabt. Aber sehr, sehr wenig."

Heute wohnt der fast 70-Jährige in einem L.A.-Traumhaus, das wie kaum ein zweites nach altem Hollywood aussieht. Es ist die Villa des Hollywood-Tycoons und Paramount-Mitgründers Jesse Louis Lasky, der es 1919 bauen ließ: mit traumhaften Terrassen, Pool und Badehaus, das extra für opulente Partys eingerichtet wurde. "Ich habe es mehr zu mehr Hollywood gemacht, als es war", sagt Emmerich im Film. Fast könnte man sagen, dass dies auch das Motto seiner Filme sowie seines Lebens war und ist.

Meister der Apokalypse - Roland Emmerich - Mo. 10.11. - ARD: 23.35 Uhr