Mit Reminiszenztherapie versucht man, demente Patienten in Welten der Vergangenheit zu führen, um im Langzeitgedächtnis gespeicherte Erinnerungen zu "triggern". Auch die Münchener Kommissare Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) setzen in der Wiederholung des außergewöhnlichen "Tatort: Flash" von 2022 auf ein solches Verfahren, weil ihr einziger Zeuge in einem Mordfall an Demenz leidet. Es ist der ehemalige Psychotherapeut Norbert Prinz (Peter Franke), der während der 80er-Jahre den später als Frauenmörder verurteilten Alois Meininger (Martin Leutgeb) behandelte.

Nun ist Meininger nach über 30 Jahren Sicherheitsverwahrung entlassen worden und hat offenbar einen neuen Mord begangen. Danach ist der Täter in einer geheimen Kellerwohnung untergetaucht. Von diesem "Bunker" sprach Meininger schon während der 80-er in den Therapiesitzungen mit seinem Therapeuten Dr. Prinz. Die Ermittler glauben gar, dass Norbert Prinz seinen Patienten in jenem "Bunker" damals aufsuchte und behandelte.

An dieser Stelle kommt das "Institut für dementielle Erkrankungen und Reminiszenztherapie" von Professor Ralph Vonderheiden (André Jung) ins Spiel. Dort baut der renommierte Wissenschaftler mit seiner Mitarbeiterin Dr. Laura Lechner (Anna Grisebach) Erinnerungsräume für Demente, in denen diese bis ins letzte Detail originalgetreue "Settings" aus ihrem früheren Leben wiederfinden. Im Falle von Norbert Prinz, der zu Hause von seiner Tochter (Jenny Schily) gepflegt wird, baute man dessen Praxiszimmer der 80-er nach, wo er einst den späteren mutmaßlichen Mörder Meininger behandelte. Batic und Leitmayr beginnen mit dem Verhör des dementen Zeugen in dessen "Welt" von damals. Dabei werden sie mit Knopf im Ohr von den Demenzspezialisten des Instituts beraten. Ob die Polizisten mit ihrem "therapeutischen Verhör" Erfolg haben?

Das Erste beendet mit diesem Erinnerungs-"Tatort" seine Sommerpause mit Wiederholungen alter Fälle. Weiter geht es am Sonntag, 14. September, mit Neuware. Im "Tatort: Ich sehe dich" aus Franken ermittelt Fabian Hinrichs alias Felix Voss ohne seine ausgestiegene Partnerin Dagmar Manzel diesmal alleine.

Auch ein Kommissar erinnert sich

Doch zurück zum "Tatort: Flash", dem 90. Fall von Batic und Leitmayr, die im Sommer 2025 ihren letzten Fall abgedreht haben dürften. Ferdinand Hofer, der jahrelang den Assistenten Kalli gespielt hat, bleibt dem Münchner "Tatort" erhalten und wird künftig zusammen mit Carlo Ljubek (49) das neue Ermittler-Team bilden. Ljubek wird von 2026 an als Kriminalhauptkommissar Nikola Buvak zu sehen sein. Leitmayr und Batic verabschieden sich mit der Doppelfolge "Unvergänglich" im Frühjahr 2026 nach 100 Ausgaben vom Publikum.

Dass in "Flash" ein dementer Zeuge im Mittelpunkt steht, dessen Erinnerung "wiederbelebt" werden muss - es ist eine überaus reizvolle Krimi-Idee. Das renommierte Autorenduo Sönke Lars Neuwöhner und Sven S. Poser ("Tatort: Der Mann, der lügt") hat sie sich ausgedacht. Regisseur Andreas Kleinert, der mit "Die letzte Welle" oder dem Franken-Beitrag "Wo ist Mike?" für einige der besten BR-"Tatort"-Krimis der letzten Jahre verantwortlich war, hat den Stoff zudem äußerst stimmungsvoll umgesetzt. Inklusive gelungener Rückblende-Szenen aus den 80-ern, die den wilden Tanzclub "Flash" bebildern, wo der Mörder wohl sein Opfer fand. Ein Schuppen, an den sich auch Leitmayr durchaus schwärmerisch erinnert und in dem die grau gewordenen Polizisten ebenfalls Jugenderinnerungen nachhängen. Klar, dass der Vergnügungstempel längst dicht gemacht hat, aber die Polizisten in dessen alten Rest-Interieur herumspazieren können.

Die Scheinwelt alter Erinnerungen

Wie trügerisch Erinnerungen und scheinbare Fakten selbst für nicht-demente Personen sind, diese Frage hängt durchaus subtil inszeniert über der 90. Ermittlung des Münchener Qualitätskrimis. Im Lauf der 90 Minuten wird eben nicht nur der demente Zeuge dank der Scheinwelt seiner alten Praxis alten Erinnerungen zugeführt, auch die Zuschauer des exzellenten "Tatorts" sollen wohl ein wenig verführt und zu Urteilen herausgefordert werden. Das Resultat ist einer der cleversten und besten "Tatorte" der Saison 2021/22. Verantwortlich dafür ist auch das brillante Spiel des mittlerweile 84-jährigen Peter Franke, der den Demenzpatienten verkörpert. Auch der Rest des Ensembles liefert facettenreiche und mit subtilem Humor gewürzte Vorstellungen ab: André Jung als Demenzforscher, Jenny Schily als von der Pflege des Vaters genervte Tochter und Anna Grisebach als Midlife Crisis-Wissenschaftlerin mit viel Lebenshunger.

Tatort: Flash - So. 07.09. - ARD: 20.15 Uhr