Cem Özdemir will Ministerpräsident seines Bundeslandes werden, bei den Landtagswahlen im kommenden Frühjahr. Leicht wird das nicht, das weiß er. In der ARD-Talkshow "Caren Miosga" versucht er dann auch, sich die Welt ein bisschen schöner zu reden, als sie derzeit für die Grünen ist. Dass die nach derzeitigen Umfragen in der Wählergunst in Baden-Württemberg hinter CDU und AfD nur noch auf dem dritten Platz liegen und Verluste von bis zu zwölf Prozent einfahren könnten, sei zwar unangenehm. Aber das werde man schon noch aufholen bis zu den Wahlen.
Doch Özdemir hat noch ein weiteres Problem: Die Krise in der Automobilindustrie. Davon ist gerade sein "Ländle" ganz besonders betroffen, wo das Auto ein "heilig's Blechle" ist. Vielleicht ist der bekennende Radfahrer Özdemir deswegen jetzt aufs E-Bike umgestiegen - mit Bosch-Motor, wie er betont. Der kommt aus Baden-Württemberg.
Dort hat auch Daimler seinen Firmensitz. Bei dem Unternehmen mischt mittlerweile China mit. Und davor hat Özdemir ein bisschen Angst: Dass die Chinesen irgendwann die Vormachtstellung bei dem schwäbischen Autobauer übernehmen könnten. "Ich will das nicht", sagt er am Sonntagabend bei Caren Miosga. Darum fordert der Grünen-Politiker, man müsse jetzt den Blick nach vorne richten.
"Deutschland kann noch viel Boden gut machen"
Deutsche Autos seien auf dem internationalen Markt durchaus konkurrenzfähig. Das habe Özdemir auf der IAA in diesem Jahr erkannt. "Jetzt müssen wir alles dafür tun, dass die Automobilwirtschaft und die Politik ein Bündnis schmieden, um den Standort Deutschland zukunftsfähig zu machen." Das Auto der Zukunft müsse softwarebetonter sein, fordert er.
"Das Rennen ist noch nicht entschieden. Deutschland kann noch viel Boden gut machen", glaubt Özdemir. "Das setzt aber voraus, dass wir in der Politik aufhören, uns darüber zu streiten, ob wir uns auf Verbrenner oder Elektro konzentrieren. Die Messe ist gelesen. Der Markt hat sich entschieden: Das Auto der Zukunft ist elektrisch. Aber auf dem Weg dahin brauchen wir Flexibilität."
Klingt gut, doch die Autoindustrie wird das erst einmal nicht retten. Auch nicht die 190.000 Jobs, die dort in den nächsten zehn Jahren verloren gehen könnten. Das ist auch Auto-Lobbyistin Hildegard Müller klar. Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie ist sich sicher: Deutsche Autos sind wettbewerbsfähig. Aber der Standort ist es nicht. "Die Angebote sind da, der Wettbewerb ist sehr hart", so Müller. "Die Hauptsorge für die Arbeitsplätze, die ich habe, ist die: Können wir hier Wettbewerbsfähigkeit weiter aufrechterhalten?"
"Brüssel hat bisher nicht erkannt, was zu tun ist"
Beim Bau von Batterien etwa sei Europa weit abgeschlagen. Dies habe "unter anderem mit zu hohen Energiekosten zu tun", kritisiert die Auto-Lobbyistin. Was das Thema Batterien angeht, hat sie klare Forderungen: "Europa braucht eine unabhängige Batterieherstellung. Dafür brauchen wir zuerst Rohstoffe, die wir in der Europäischen Union nicht besorgen. Dafür brauchen wir eine wettbewerbsfähige Energiepolitik, die wir in Europa nicht haben. Und wir brauchen den unbedingten Willen Europas, Industrieproduktion auch ansiedeln zu wollen. Das kann ich leider nicht erkennen."
Der Automobilindustrie sei bewusst, dass sie vor großen Herausforderungen stehe. 320 Milliarden Euro sollen in den kommenden vier Jahren in Forschung und die Entwicklung neuer Antriebe gesteckt werden, weitere 220 Milliarden in den Auf- und Umbau von Werken. Müller sagt: "Die Frage, wo diese Investitionen stattfinden, richtet sich an die Politik: die Länder, den Bund und die EU. Und Brüssel hat bisher nicht erkannt, was zu tun ist."
Schuld, das ist die Lehre aus der Miosga-Sendung am Sonntagabend, sind vor allem die anderen. Doch mit dem gegenseitigen Zuschieben des schwarzen Peters wird man weder in der Autoindustrie noch in der Politik etwas erreichen. Fakt ist: Die deutschen Autobauer haben den Umstieg zur Elektromobilität verpennt, die Politik hat die Rahmenbedingungen dafür falsch gesetzt, sowohl bei der immer noch unzulänglich vorhandenen Ladeinfrastruktur als auch bei den Subventionen für E-Autos, für deren Abwicklung letztlich ein Grünen-Politiker verantwortlich ist.
Das hat Özdemir offenbar begriffen. Er sagt: Für die Rettung der Autoindustrie in Deutschland müssten alle etwas tun. "Jeder muss seinen Job machen, dann können wir das auch schaffen."