CDU-Politiker Roderich Kiesewetter (links) kritisierte bei "Maischberger" die Ukraine-Politik von Bundeskanzler Friedrich Merz.

Muss der Krieg nach Russland getragen werden?

Kiesewetter hatte im Februar 2024 gefordert, den Krieg nach Russland zu tragen. "Damals habe ich gedacht, dass das überhaupt nicht meine Position ist", gibt Stegner zu. "Man muss der Ukraine zum Beispiel mit Luftabwehr helfen, weil man damit Kindergärten, Schulen, Wohngebäude, Energien schützt und damit Leben rettet. Man darf aber nicht den Krieg eskalieren."

"Ich stehe dazu", gibt Kiesewetter zurück. "Weil es ja auch Boris Pistorius 2023 gesagt hat: Es ist das Selbstverständlichste der Welt, dass der Krieg auf das Gebiet des Aggressors fortgetragen wird." Die Ukraine müsse befähigt werden, den Krieg nach Russland zu tragen. Das habe die Bundesregierung im März 2024 unterstützt, nachdem die USA diesem Rat gefolgt seien. "Es geht nicht darum, dass man auf die Pfeile schießt, die ungeheuer teuer abgeschossen werden, sondern dass man dahin geht, wo die Pfeile abgeschossen werden." Im Klartext: Man müsse auch die Fabriken vernichten, in denen die Pfeile gebaut werden. "Und das wird mittlerweile gemacht, aber zu wenig."

Fakt ist: Die Ukraine habe erfolgreich gezeigt, dass sie auch russische Militäranlagen vernichten und russische Ölraffinerien beschädigen kann, "um so den Krieg zu verkürzen", so Kiesewetter. "Aber das mit dem Verkürzen hat nicht geklappt", wirft Stegner ein. Das Ziel müsse sein, den Krieg zu beenden. Auch nicht die Lieferung von immer mehr Waffen an die Ukraine habe zum Ende des Krieges beigetragen. Man habe damit nicht geschafft, den russischen Präsidenten Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zu bringen. "Man muss sich was anderes einfallen lassen", fordert der linke SPD-Politiker.

Kiesewetter kritisiert Merz für ausbleibende Taurus-Lieferungen an die Ukraine

"Dieses reiche Deutschland hat 18 moderne Kampfpanzer, 14 Haubitzen und vier Raketenwerfer geliefert, in der Zeit, wo man noch hätte etwas erreichen können", gibt Kiesewetter zu bedenken. "Das waren viel zu wenig Waffen für das, was unser Anspruch war." Kritisch sieht er die Haltung von Bundeskanzler Friedrich Merz in der Taurus-Frage. Merz habe etwas versprochen, auf das die Ukraine gewartet habe. Aber er habe eingesehen, dass eine solche Entscheidung innenpolitisch schwer zu erklären sei. "Das hätte er der Bevölkerung zumuten müssen", sagt der CDU-Politiker.

"Der Bundeskanzler hat einen Fehler gemacht, sein Versprechen nicht einzuhalten", kritisiert Kiesewetter. "Es gibt keine Notwendigkeit, Taurus nicht zu liefern. Weder die Nachrichtendienste, noch die Bundeswehr, noch die Firmen sagen, es gibt irgendwelche Einschränkungen. Es ist eine politische Entscheidung des Bundeskanzlers gewesen, sein Versprechen nicht einzuhalten, und die Konsequenzen sehen wir ja. Die Amerikaner versuchen jetzt, Tomahawks zu liefern, weil die Europäer zu wenig machen. Ich finde, der Bundeskanzler hat da viel eingebüßt, und auch die Union viel an Glaubwürdigkeit verloren. Es war ein politischer Fehler, den Taurus nicht zu liefern."

Ralf Stegner sieht das völlig anders. "Der Bundeskanzler ist klüger geworden", findet er. Er sei auch nicht der Meinung, dass zu wenig Waffen an die Ukraine geliefert worden seien. Deutschland sei inzwischen der größte Unterstützer der Ukraine geworden. An Stegners Aussage scheint es jedoch ein Problem zu geben, das Moderatorin Sandra Maischberger auch benennt: Stegner habe Verhandlungen gefordert. Die seien auch gescheitert, sagt sie.

Stegner widerspricht. "Diplomatie funktioniert nicht in drei Tagen oder mit einem Treffen", ist seine Meinung. Die deutsche Position sei jetzt, den Krieg einzufrieren. Das habe der damalige SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im vergangenen Jahr gefordert, und dafür sei er hart beschimpft worden. "Das ist nicht die Strategie Deutschlands und auch nicht die des Bundeskanzlers", antwortet Kiesewetter. "Der Krieg wird nicht eingefroren, weil ein Einfrieren Kriegsverbrechen und Massenflucht gedeutet."

"Putin sieht uns als Kriegsziel"

Die Frage bleibt aber, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden kann. Stegner ist da klar: "In einer Mischung aus der Unterstützung der Ukraine bei ihrer Verteidigung und harten, lange dauernden Verhandlungen." Kriege würden am Ende immer mit Verhandlungen enden, so Stegner.

Doch das ist so nicht richtig. "Der Zweite Weltkrieg ist auch nicht mit Verhandlungen beendet worden", erklärt Kiesewetter - und er hat Recht. "Aber das Entscheidende ist, dass wir begreifen, dass die Ukraine uns Zeit gewinnt, dass diese Ukraine einen Krieg führt, der verhindert, dass der Krieg sich ausweitet." Vor allem auf NATO-Gebiet. Russland bedrohe die Nato. "Wir haben Drohnenüberflüge, wir haben die Zerstörung von Bahninfrastruktur, wir haben die DHL-Brände. Putin sieht uns als Kriegsziel." Darum unterstützt Kiesewetter Boris Pistorius. Der Bundesverteidigungsminister hatte gefordert, die Bundeswehr müsse kriegstüchtig werden.

Man dürfe Russland und seine Aktionen auf NATO-Gebiet nicht unterschätzen, sagt auch Stegner. "Aber weder ist die NATO den Russen komplett unterlegen, noch muss man auf die Politik mit den Drohnen hineinfallen." Und er fügt hinzu: "Wir rüsten auf wie nichts Gutes, wir kürzen die humanitäre Hilfe um die Hälfte. Wir liefern Waffen, von denen wir sagen, die werden nicht eingesetzt. Ich bin skeptisch, dass wir mit Aufrüstung allein weiterkommen, und die Industrie kann auch nicht nur mit der Schwerindustrie Politik machen." Deutschland müsse verteidigungs- und bündnisfähig sein, so Stegner. Aber man dürfe den Krieg nicht herbeireden.

Kiesewetter und Stegner: Einigkeit bei Wehrpflicht

Klar ist beiden Politikern aber offenbar: Deutschland muss sich im Ernstfall verteidigen können. Deswegen spricht sich Stegner für einen freiwilligen Wehrdienst aus. Und Wehrdienst sowie freiwilliger Dienst müssten attraktiv sein. "Die Jahrgangskohorten sind viel größer, wenn man das attraktiv macht, auch dafür sorgt, dass der Dienst anständig bezahlt wird. Wir brauchen eine Musterung für alle, und wir brauchen eine Freiwilligkeit, und für die sollten wir werben mit freundlichen Worten. Aber wir sollten nicht sagen: Der nächste Krieg steht vor der Tür, und wenn Du nicht willig bist, führen wir die Wehrpflicht morgen ein. Das geht nicht."

Kiesewetter fügt hinzu: "Ich halte es für einen Fehler, dass wir nicht Frauen und Männer mustern." Einig sind sich die beiden Politiker, wenn es um die Ausgestaltung der Wehrpflicht geht. Auch Kiesewetter spricht sich für freiwillige Dienste in der Pflege, im Bevölkerungs- oder Katastrophenschutz aus. "Unsere Gesellschaft hat ganz andere Herausforderungen, und die Wehrpflicht ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt."

Quelle: teleschau – der mediendienst