Es knallt, Leute schreien, auf dem Boden brennt es, und Staub wirbelt auf. Bundeswehrkräfte rücken mit Schutzschilden und Schlagstöcken vor. Offizierin Alina (33) und der Ausbilder Peter (39) sind mittendrin. Gemeinsam mit ihren Kameradinnen und Kameraden trainieren sie während ihres Auslandseinsatzes im Kosovo für den Ernstfall.

Die ZDF-Reportage "37°: Hoher Einsatz - Soldaten im Kosovo" begleitet die beiden in Südosteuropa zwischen Pflichtbewusstsein, Kameradschaft und der immer präsenten Gefahr eines Krieges. Der Film veranschaulicht plastisch, um was es letztlich geht, wenn in politischen Debatten über Wehrpflicht und "Kriegstüchtigkeit" die Rede ist.

Die NATO und damit auch die Bundeswehr sind seit 1999 im Kosovo im Einsatz. Der Frieden nach dem Krieg, in dem Kosovo-Albaner für ihre Unabhängigkeit von Serbien kämpften, ist alles andere als stabil. Die rund 300 deutschen Soldatinnen und Soldaten sollen gemeinsam mit den Einheiten anderer NATO-Länder im Rahmen des sogenannten KFOR-Einsatzes Spannungen eindämmen.

Alina will beweisen, "dass ich es doch kann"

Alina und Peter blicken unterschiedlich auf ihre Aufgabe: "Mir geht es jetzt persönlich nicht um das große Politische, sondern um den einzelnen Menschen. Deswegen halte ich das für wichtig", erklärt der 39-Jährige. Alina findet: "Die Menschen in Deutschland müssen verstehen, dass es auch in Deutschland hilft, wenn die Welt stabil ist."

Als Offizierin leitet Alina inzwischen einen sogenannten Zug und ist für 34 Soldaten verantwortlich. Um an der Spitze ihrer eigenen Einheit stehen zu können, musste die 33-Jährige sich "ein Ticken mehr beweisen" als ihre männlichen Kameraden, glaubt sie. Als Frau in der Bundeswehr werde sie "nicht immer zu 100 Prozent" ernst genommen. "Dann weckt das in mir tatsächlich den Trotz zu beweisen, dass ich es doch kann", erklärt sie entschlossen.

Wie männlich die Bundeswehr ist, zeigt sich nicht nur in Zahlen - von den 180.000 Einsatzkräften sind lediglich 24.000 Frauen -, sondern auch eindrücklich in den Aufnahmen des ZDF: Meist scheint Alina die einzige Soldatin weit und breit zu sein.

Ohne Waffen verlässt niemand Camp Bondsteel

Für Alina ist es der erste Auslandseinsatz ihrer Karriere. Ob sie nicht manchmal Angst habe, fragt sie ihr bester Freund vor ihrer Abreise. Doch die 33-Jährige beschäftigt weniger ihr eigenes Wohl, sondern "dass ich in eine Situation komme, in der ich falsch entscheide, die ich nicht richtig beurteilen kann, und am Ende jemand dafür mit seinem Leben bezahlen muss".

Die Gefahr ist im Kosovo nicht so omnipräsent wie beispielsweise in Afghanistan, doch unbewaffnet verlässt niemand das amerikanische Camp Bondsteel, auf dem die deutsche Einheit stationiert ist. Ihre Sorgen sieht man Alina im Einsatz nicht an: Ruhig und bestimmt erteilt sie Befehle, bevor sie mit ihrem Zug auf Patrouille geht. Dabei tragen alle Schutzausrüstung und haben eine sogenannte Langwaffe dabei.

Auf einer solchen Patrouille ist auch das ZDF-Team dabei: Als Alina und ihr Zug ein verdächtiges Haus entdecken, geht die Offizierin als Erste durch die Tür. Wer oder was sie dort erwarten könnte, wissen die Einsatzkräfte nicht. Die Spannung ist beinahe greifbar. Dieses Mal finden sie im Inneren nur Verwüstung. Doch die Gefahr bleibt ein ständiger Begleiter.

Vor dem Einsatz schreiben Alina und Peter ihre Testamente

Angesichts der Gefahren, die Einsatzkräfte im Ausland erwarten, empfiehlt die Bundeswehr ihnen, im Vorhinein ihr Testament zu schreiben. "Es ist schon irgendwo ein seltsames Gefühl", gibt Alina zu. "Trotzdem ist es aber auch etwas, das sich gut anfühlt, weil ich weiß, dass damit Sachen geregelt werden, die ich geregelt haben will. Obwohl es schon eine schwerere Aufgabe war", erklärt sie. Peter hat ebenfalls sein Testament geschrieben: "Ich kann im Einsatz ums Leben kommen und da ist schon wichtig, dass abgesichert ist, was mit meinem Vermögen geschieht."

In der Bundeswehr gilt: vorbereitet sein auf einen Fall, der hoffentlich nicht eintritt. So auch im Kosovo: Dort trainieren die Soldatinnen und Soldaten beispielsweise den kontrollierten Umgang mit Demonstrationen. Selbst das ist nicht ungefährlich: Bei einer solchen Übung wird Alina am Kopf getroffen und verliert das Bewusstsein.

Auch in diesem Moment sind die Gedanken der Offizierin zuerst bei ihrer Einheit. "Dann wurde mir aber sehr schnell klargemacht, ich soll mich jetzt mal um mich selbst kümmern", erzählt sie später. Hunderte Kilometer von zu Hause entfernt sind es die Kameraden, die auf sie achten.

Briefe aus der Heimat: "Dann bin ich wieder der Mensch"

Doch die Kameradschaft kann Familie und Freunde nicht ersetzen: "Ich persönlich habe hier im Einsatz hin und wieder einsame Momente", gibt Peter zu. Mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern telefoniert er zweimal die Woche. Die Familie ist die Distanz gewohnt: Peter ist seit über 20 Jahren bei der Bundeswehr und war bereits mehrmals im Ausland im Einsatz.

Alina spricht jeden Tag mit Freundinnen und Freunden. Manchmal bekommt sie außerdem Post aus der Heimat. Ein Brief ihres besten Freundes rührt die sonst so taffe Frau sichtlich. "Wenn ich das lese, dann bin ich Alina, dann bin ich wieder der Mensch und habe ein Leben, das über die Bundeswehr hinausgeht", lächelt sie.

"Wir trainieren die ganze Zeit für einen Fall, von dem wir hoffen, dass er nicht eintritt"

Alinas Gedanken sind während ihrer Zeit im Kosovo bei ihrem Einsatz. Doch die Angst vor einem Krieg begleitet sie angesichts der angespannten außenpolitischen Lage dennoch. "Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich hätte vor der Gefahr eines Krieges keine Angst oder Sorge", gibt sie zu. "Es ist so typisch für uns Soldaten: Wir trainieren die ganze Zeit für einen Fall, von dem wir hoffen, dass er nicht eintritt."

Doch sollte es so weit kommen, fehlen der Bundeswehr Tausende Einsatzkräfte. Peter wünscht sich deshalb eine Rückkehr zur Wehrpflicht - für Männer und für Frauen.

"37°: Hoher Einsatz - Soldaten im Kosovo" ist am Dienstag, 18. November, um 22.15 Uhr im ZDF und bereits jetzt in der ZDF-Mediathek zu sehen.

Quelle: teleschau – der mediendienst