Aufschrei! Die perfekte Vorlage für alle, die es eh schon immer wussten. Mit Schaum vorm Mund prusten sie im Chor: Endlich zeigen diese Migranten, dass sie eben nicht zu integrieren sind. Wundert's Euch, dass sie ihr Geld schon längst außerhalb von Deutschland verdienen? Oder zur Nationalhymne denkbar leise sind?

Aber nicht nur von rechts wird scharf geschossen: Auch der DFB ist empört, und das auf allen Ebenen. Kein gemeinsames Werteverständnis! Wäre doch zu schön gewesen, wenn die Nationalmannschaft ohne diesen Skandal zum lupenreinen Demokraten nach Russland und vier Jahre später nach Katar fahren könnte. Alles WM bei Freunden quasi. Fotos mit Schurken? Doch nicht mit den Herren vom DFB!

Abseits dieser hochempörten Gesellschaft dreht es derweil vielen einfach nur den Magen um. Sei es aufgrund des PR-Desasters der beiden Premiere-League-Kicker, das seinen Ursprung nur in schlechter Beratung oder grenzenloser Naivität, vielleicht sogar Dummheit haben kann. Oder einfach aus Mitleid mit all den türkischen Mitbürgern in Deutschland, für die eine freiheitlich-demokratische Türkei durch eine Wiederwahl Erdogans erst recht wieder in weite Ferne rücken würde.

Und derweil zieht sich Recep Tayyip Erdogan wie Putin das Trikot vom Leib und freut sich wie ein Taktikfuchs inmitten seiner nationalistischen Fans über diesen Coup, selbstverständlich exklusiv verbreitet über die Kanäle seiner Partei AKP. Denn Gegner Deutschland hatte keine Chance. Zum einen hat der Präsident deren rechtskonservative Abwehr maximal verwirrt, zum anderen die Gegenoffensive des DFB im Keim erstickt - mit einer Nichtnominierung von Özil und Gündogan hätte sich der Fußballverband bei den türkischstämmigen Deutschen nämlich erst recht ins Abseits geschossen.

Was bleibt ist die Erkenntnis, dass Fußball und Politik nicht zusammenpassen. Auch wenn sie leider oft zusammen stehen. Dem DFB sei zur Schadensbegrenzung gemeinsam mit ihrer Elf geraten. Als Gastredner vor versammelter Mannschaft könnte Deniz Yücel über die Erlebnisse eines Journalisten im türkischen Gefängnis reden. Oder besser Liverpool-Kicker Emre Can. Sein Thema? Warum es dem Heimatland gegenüber ausgesprochen höflich ist, die Einladung des Unterdrückers der eigenen Vorfahren auszuschlagen.