Was, fragt Bärbel Schäfer, was, wenn ihr Bruder verschlafen hätte? Was, wenn es an jenem Morgen nicht geregnet hätte? Was, wenn Martin langsamer gefahren wäre? Dann wäre ihr Bruder vielleicht noch immer am Leben und Schäfer könnte mit ihm lachen, streiten und weinen. So, wie es dieses Geschwisterpaar über vier Jahrzehnte lang gehalten hat.
Nur, es gibt kein Leben im Konjunktiv. Deshalb hat Martin Schäfer am 15. Oktober nicht verschlafen, sondern ist mit seinem Porsche auf der A 9 bei Pegnitz von der Straße abgekommen. Mehrfacher Überschlag, der 47-Jährige war sofort tot.
Und Bärbel Schäfer, sie ist seit dieser Sekunde "die verwaiste Schwester meines bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten einzigen Bruders". Ihm hat sie ihr Trauer- und Erinnerungsbuch "Ist da oben jemand?" auch gewidmet. Am Donnerstag las sie daraus beim Bamberger Literaturfestival. Sie tat dies in keiner Buchhandlung und keinem Theater. Sie las im Hospiz- und Palliativzentrum der Stadt.
Nachdem die Tickets in Windeseile verkauft waren, erwogen die Verantwortlichen des Bamberger Literaturfestivals, den Auftritt Schäfers in einen größeren Saal zu verlegen. Was unter betriebswirtschaftlichen Gründen ein Gebot der Vernunft gewesen wäre, hätte den besonderen Charakter der Lesung zwangsläufig beschädigt. Nirgendwo anders wäre Schäfers Lesung besser aufgehoben gewesen als im Hospiz- und Palliativzentrum.
Weil die Fragen, denen sich Schäfer in ihrem Buch aussetzt, dieselben sind, die sich im Bamberger Hospiz- und Palliativzentrum Ärzten, Pflegern, Patienten und Angehörigen mit existenzieller Wucht aufdrängen: Wie geht ein würdiges Leben im Angesicht des Todes? Wohin mit der Trauer und Angst, wohin mit der Wut?
Und auch: Ist da oben jemand, der seine schützende Hand über einen hält? Und falls ja: "Hast du geirrt, Gott? Hast du einen Fehler gemacht?", schreibt Schäfer.
Das Buch nach Maßstäben der Literaturkritik beurteilen zu wollen, wäre ein Akt des Hochmuts. Es sind Schäfers Gefühle, ihre Trauer, ihre Worte und Sprachbilder. Schäfer vermag aus Subjekt, Objekt und Verb verständliche, in sich stimmige Sätze bilden. Das genügt.
Hoch anzurechnen ist ihr der Verzicht auf einfache Antworten und billige Weisheiten. Auch die esoterische Verklärung von Trauer und Leid ist Schäfers Sache nicht. "Trauer ist trostlos", heißt es in nachtschwarzer Lakonie.
Ihre Auseinandersetzung mit den Religionen und Gott allerdings kratzt allenfalls an der Oberfläche. "An Gott zu glauben, war irgendwie nicht cool", heißt es einmal. Der Titel ihres Buches droht deshalb Erwartungen zu wecken, die Schäfer weder einlösen kann noch will.
Auf der Bühne saß am Donnerstag stattdessen eine Frau, die unter Schmerzen und Tränen lernen musste, mit dem Tod ihres Bruders weiterzuleben. "Was ich vom Leben gelernt habe, kann ich in drei Worte fassen: Es geht weiter", schrieb der Dichter Robert Lee Frost einmal. Nichts mehr, aber auch nichts weniger schreibt in ihrem Buch auch Bärbel Schäfer.
Nur, es gibt kein Leben im Konjunktiv. Deshalb hat Martin Schäfer am 15. Oktober nicht verschlafen, sondern ist mit seinem Porsche auf der A 9 bei Pegnitz von der Straße abgekommen. Mehrfacher Überschlag, der 47-Jährige war sofort tot.
Und Bärbel Schäfer, sie ist seit dieser Sekunde "die verwaiste Schwester meines bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten einzigen Bruders". Ihm hat sie ihr Trauer- und Erinnerungsbuch "Ist da oben jemand?" auch gewidmet. Am Donnerstag las sie daraus beim Bamberger Literaturfestival. Sie tat dies in keiner Buchhandlung und keinem Theater. Sie las im Hospiz- und Palliativzentrum der Stadt.
Wohin mit der Trauer?
Nachdem die Tickets in Windeseile verkauft waren, erwogen die Verantwortlichen des Bamberger Literaturfestivals, den Auftritt Schäfers in einen größeren Saal zu verlegen. Was unter betriebswirtschaftlichen Gründen ein Gebot der Vernunft gewesen wäre, hätte den besonderen Charakter der Lesung zwangsläufig beschädigt. Nirgendwo anders wäre Schäfers Lesung besser aufgehoben gewesen als im Hospiz- und Palliativzentrum. Weil die Fragen, denen sich Schäfer in ihrem Buch aussetzt, dieselben sind, die sich im Bamberger Hospiz- und Palliativzentrum Ärzten, Pflegern, Patienten und Angehörigen mit existenzieller Wucht aufdrängen: Wie geht ein würdiges Leben im Angesicht des Todes? Wohin mit der Trauer und Angst, wohin mit der Wut?
Und auch: Ist da oben jemand, der seine schützende Hand über einen hält? Und falls ja: "Hast du geirrt, Gott? Hast du einen Fehler gemacht?", schreibt Schäfer.
Nachtschwarze Lakonie
Das Buch nach Maßstäben der Literaturkritik beurteilen zu wollen, wäre ein Akt des Hochmuts. Es sind Schäfers Gefühle, ihre Trauer, ihre Worte und Sprachbilder. Schäfer vermag aus Subjekt, Objekt und Verb verständliche, in sich stimmige Sätze bilden. Das genügt. Hoch anzurechnen ist ihr der Verzicht auf einfache Antworten und billige Weisheiten. Auch die esoterische Verklärung von Trauer und Leid ist Schäfers Sache nicht. "Trauer ist trostlos", heißt es in nachtschwarzer Lakonie.
Ihre Auseinandersetzung mit den Religionen und Gott allerdings kratzt allenfalls an der Oberfläche. "An Gott zu glauben, war irgendwie nicht cool", heißt es einmal. Der Titel ihres Buches droht deshalb Erwartungen zu wecken, die Schäfer weder einlösen kann noch will.
Auf der Bühne saß am Donnerstag stattdessen eine Frau, die unter Schmerzen und Tränen lernen musste, mit dem Tod ihres Bruders weiterzuleben. "Was ich vom Leben gelernt habe, kann ich in drei Worte fassen: Es geht weiter", schrieb der Dichter Robert Lee Frost einmal. Nichts mehr, aber auch nichts weniger schreibt in ihrem Buch auch Bärbel Schäfer.