Die Angst, Zweiter zu werden und der erste Abwurf
- Die Entwicklung der Atombombe
- Wie weit war Deutschland im Zweiten Weltkrieg?
- Die Abwürfe über Japan
- Die Folgen des Atomschlags
Während des Zweiten Weltkriegs entwickelten die USA die bis dahin stärkste Waffe, die man auf der Erde je gesehen hatte: die Atombombe. Angetrieben auch durch die Angst, das Deutsche Reich wäre auf dem besten Weg, eine solche Waffe einsatzbereit zu machen, wurden gewaltige Ressourcen in dieses Projekt gesteckt, an dessen Ende der Abwurf über Hiroshima und Nagasaki stand. Der Beginn der atomaren Aufrüstung stand bevor.
Das Wettrennen um die Bombe
Am 1. September 1939 überfiel Hitler-Deutschland Polen, der Zweite Weltkrieg brach aus. Als die Japaner in den frühen Morgenstunden des 7. Dezember 1941 Pearl Harbor angriffen, traten auch die USA in den Krieg ein. Erst mit dem Atombombenabwurf auf Hiroshima am 6. August 1945 und Nagasaki am 9. August endete der Krieg, der schätzungsweise mehr als 70 Millionen Menschen das Leben gekostet hatte. Wie wurde die Bombe entwickelt und warum wurde sie abgeworfen? Und wie weit war das Deutsche Reich mit der Entwicklung? Waren die Ängste der Amerikaner vor einer deutschen Atombombe berechtigt?
Der italienische Physiker Enrico Fermi führte 1934 in Rom Versuche zur Uranumwandlung durch Neutronenbeschuss durch, bei denen er die "Transurane" entdeckte, künstliche Elemente, schwerer als Uran. In Deutschland setzten Otto Hahn, Fritz Strassmann und Lise Meitner diese Arbeiten fort. Im Dezember 1938 suchten sie in einer mit Neutronen bestrahlten Uranprobe nach Transuranen, dabei fanden sie Spuren des Elements Barium. Damit konnten sie den Beweis liefern, dass Uran in kleinere, aus leichteren Elementen bestehende Bruchstücke gespalten werden konnte. Gemeinsam mit ihrem Neffen Otto R. Fritsch lieferte Meitner kurze Zeit später auch die theoretische Erklärung dafür. Fermi verließ hingegen das faschistische Italien 1939 und wanderte in die USA aus, wo er mit den Physikern Niels Bohr aus Kopenhagen und Leo Szilard aus Berlin zusammenarbeitete. Im Februar 1939 wurde der US-Präsident Roosevelt über die Möglichkeit eines deutschen Atombombenbaus unterrichtet. Fermi und Slizard erbrachten im März 1939 den theoretischen Nachweis, dass aus der Kernspaltung eine sich selbst in Gang haltende Kettenreaktion mit ungeheurer Energiefreisetzung entstehen könnte. In Paris machte das Ehepaar Irène und Frédéric Joliot Curie die gleiche Entdeckung. Zur gleichen Zeit marschierte die deutsche Wehrmacht in die Tschechei ein, in dem es reichhaltige Vorkommen an Uranerz gab. Albert Einstein erhielt Besuch von Slizard, der ihn alarmierte, dass Hitler möglicherweise der Bau einer Atombombe gelingen könnte. Dieser schrieb einen Brief an den US-Präsidenten, der ihm als Antwort mitteilte, dass er diese Mitteilung als so bedeutungsvoll erachtete, um einen Ausschuss ins Leben zu rufen, um die von Einstein angedeuteten, das Element betreffenden Möglichkeiten zu untersuchen. Dies war der Beginn des Programms der USA zum Bau der Atombombe.
Das Manhattan-Projekt, so die Sammelbezeichnung aller Aktivitäten zur Entwicklung der US-amerikanischen Atombombe, war streng geheim. Mit der Entdeckung, dass im Norsk-Hydro Werk im von Deutschland besetzten Norwegen eine deutliche Steigerung der Schwerwasserproduktion (Deuterium) erfolgte, erhielt das Projekt offiziellen Rang und es wurden Mittel von 2,5 Milliarden US-Dollar ohne Konsultation des Kongresses bereitgestellt. Am 2. Dezember 1942 wurde unter Führung von Enrico Fermi der erste Atomreaktor für eine Kettenreaktion in Betrieb genommen. Ziel war die Herstellung einer Atombombe. Dieser war unter der Tribüne des Football-Stadions der Universität von Chicago aufgebaut worden. In ihm wurden Uran und Uranoxid mit Graphitblöcken zu einem Meiler aufgeschichtet, in dem Kadmiumstäbe eingefahren wurden. Diese sollten verhindern, dass der Meiler bereits während des Aufschichtens aktiv wurde. Beim Herausziehen der Stäbe wurden mehr Neutronen produziert, als das Kadmium auffangen konnte, die erste nukleare Kettenreaktion hatte begonnen, die das Material zum Bau der Atombombe lieferte. Insgesamt wurden drei Produktionsstätten geschaffen: In Oak Ridge bei Knoxville in Tennessee, Hanford bei Pasco (Washington) und Savannah River in South Carolina. Für den Zusammenbau der Bombe und die Leitung der wissenschaftlichen Forschung baute man in Los Alamos, New Mexico, ausgedehnte Laboranlagen und Werkstätten. Die Leitung des gesamten Projektes hatte der amerikanische Physiker Robert Julius Oppenheimer. Am 16. Juli 1945 war es so weit: Um 5.30 Uhr Ortszeit wurde unter dem Projektnamen "Trinity Test" die erste Atombombe der Welt gezündet. Die Sprengwirkung entsprach 20.000 Tonnen TNT, der Blitz war noch fast 300 Kilometer weit zu sehen, der Atompilz türmte sich bis zu 12 Kilometern hoch auf.
Moskau holt auf
Auf die Nachfrage von Kriegsminister Stimson vom 31. Mai 1945, was eine solche Bombe zu leisten vermöge, antwortete Oppenheimer: "Über einer Stadt abgeworfen, deren Menschen gewarnt und in Bunker geflohen sind, wird sie dennoch 20.000 Menschen töten. Mindestens." Sechs Wochen später, am 6. August, wurde die erste Bombe über Hiroshima abgeworfen, drei Tage später eine weitere über Nagasaki. Daraufhin kapitulierte Japan. Der Zweite Weltkrieg war zu Ende. Doch warum entschied man sich für diesen drastischen Schritt? Während des Krieges gegen Japan hatten die amerikanischen Soldaten lernen müssen, dass die Japaner lieber starben, als sich zu ergeben. Und die Ehre ging den Japanern über alles, auch über das Leben der Zivilbevölkerung. So wollte man in einem letzten Kampf die Ehre verteidigen, auch wenn dies bedeutete, dass Millionen Menschen starben. Dazu kam die Idee, geboren aus der Ideologie, dass die Amerikaner grundsätzlich feige wären und keine hohen Verluste aushalten würden. Im amerikanischen Kriegsministerium ging man bei einer Invasion von bis zu 4 Millionen toten oder verwundeten eigenen Soldaten aus und bis zu 10 Millionen tote japanischer Zivilisten. Das führte letztlich zu dem Entschluss, die Atombombe abzuwerfen und so Japan vor Augen zu führen, was ihnen im Falle einer Weiterführung des Krieges blühen könnte. Dass die USA nach dem Abwurf über Nagasaki keine weitere Atombombe mehr zur Verfügung hatte, war in Japan nicht bekannt und so kapitulierte das Kaiserreich.
Die USA hatten das Wettrennen gewonnen. Doch war es wirklich ein solches gewesen? Wie weit waren die Bemühungen des Dritten Reiches, eine Atombombe zu bauen, fortgeschritten? Zeitgleich zum Manhattan-Projekt hatten in Deutschland hoch qualifizierte Kernphysiker um den Nobelpreis-Träger Werner Heisenberg damit begonnen, die Nutzungsmöglichkeiten der Kernspaltung zu erforschen. Darunter eine "Kernspaltungsmaschine", also einen Kernreaktor, aber auch die Möglichkeit, eine Bombe zu bauen. Doch während man in den USA Milliarden von Dollar in das Projekt pumpte, wurden die deutschen Forscher durch Adolf Hitler eher knapp gehalten. So überholten die Amerikaner die Deutschen bei ihren Forschungen. Heisenberg ließ jedoch nicht locker und wandte sich im Sommer 1942 an den neuen Rüstungsminister Albert Speer mit der Bitte um Hilfe. Ab 1943 wurden die Deutschen immer weiter abgeschlagen. Das hing auch mit den verstärkten Bombenangriffen auf das Reichsgebiet zusammen, doch auch mit Angriffen auf die Produktionsstätten im von den Deutschen besetzten Europa, wie dem Werk für schweres Wasser in Norwegen. Anfang 1945 verlegte man den Versuchsreaktor aus Sorge vor den vorrückenden Sowjets ins schwäbische Haigerloch, doch auch hier gelang es nicht, die Kernspaltung zu steuern, da sie mit falschen Zahlen rechneten und somit keine theoretische Vorstellung der Funktionsweise einer solchen Waffe hatten. Nachdem die Amerikaner die Physiker verhaftet und verhört hatten, stellte sich heraus, dass diese keinen Einblick in die praktischen Probleme der Atombomben-Entwicklung hatten. Für die Amerikaner waren sie daher für ihr eigenes Projekt nutzlos. Die Deutschen waren einer funktionierenden Atombombe nie wirklich nahegekommen.
Doch auch die Sowjetunion versuchte, eine Atombombe in seinen Besitz zu bekommen. Der damals 29-jährige Atomphysiker Georgi Nikolajewitsch Fljorow, zu der Zeit Soldat, zog sich im Frühjahr 1942, während die deutschen Angreifer nach der verlorenen Schlacht um Moskau sich neu orientieren mussten, in die Universitätsbibliothek von Woronesch zurück. Er las die dortigen wissenschaftlichen Magazine, um die neuesten Ergebnisse der britischen und amerikanischen Kollegen auf dem Feld der Atomphysik zu studieren und fand – nichts! Seit 1940 waren keinerlei neue Ergebnisse veröffentlicht worden. Fljorow ahnte, was das bedeutete: Die Alliierten bauten eine Atombombe. Vor dem Krieg hatte er das Phänomen des radioaktiven Verfalls gemeinsam mit einigen Kollegen entdeckt, man war jedoch der Meinung, dass die Konstruktion einer nutzbaren Atombombe frühestens in 50 Jahren möglich wäre. Ein fataler Irrtum. Fljorow schrieb an Stalin persönlich, doch dieser war bereits informiert. Der sowjetische Militärgeheimdienst GRU hatte den emigrierten deutschen Atomphysiker Klaus Fuchs angeworben, der am britischen Atomprogramm arbeitete. Dieser heuerte 1943 bei den Amerikanern an. Durch ihn und weitere Quellen wurde Moskau klar, dass dort an der ersten Atombombe gearbeitet wurde. Da die Sowjetunion die Atomforschung bereits vor Kriegsbeginn aufgegeben hatte und nun die Kräfte für die konventionelle Waffenproduktion gebraucht wurden, hinkten sie weit hinterher. Nach dem Sieg bei Stalingrad rückte das Atomwaffenprogramm wieder in den Fokus der Führung. Stalin dachte dabei bereits an die Nachkriegsordnung. Ohne eine eigene Atombombe wäre die Sowjetunion den Amerikanern weit unterlegen. So befahl Stalin im September 1942 die Bildung eines staatlichen Uran-Komitees, das unter dem Namen "Laboratorium Nummer 2" in der Akademie der Wissenschaften in Moskau unter der Leitung von Igor Kurschatow eingerichtet wurde. Ebenfalls wurde Georgi Fljorow, dem die fehlenden Publikationen aufgefallen wurden, Mitglied. Unterstellt wurde das Programm dem blutrünstigen Geheimdienstchef Lawrentij Berija.
Supermächte im Größenwahn
Nachdem Deutschland besiegt worden war, begann in Potsdam am 17. Juli 1945 die Siegerkonferenz. Dort erreichte Harry S. Truman, den Präsidenten der USA, die Nachricht vom erfolgreichen Test der Atombombe. Er nahm Stalin zur Seite und erklärte ihm, dass man über eine neue Waffe verfügte, mit der man Japan sofort besiegen könne. Stalin nahm dies regungslos zur Kenntnis. Möglicherweise war er bereits durch die Spione informiert. Als jedoch im August die Atombomben Hiroshima und Nagasaki dem Erdboden gleichmachten, zeigte dies Wirkung in Moskau. Stalin befahl, dass bis spätestens 1948 die ersten Tests stattzufinden hätten. In Windeseile wurde dazu die Infrastruktur geschaffen. Darunter der neu geschaffene Atomkomplex Tscheljabinsk 40, wo der Reaktor zur Plutoniumherstellung errichtet wurde inklusive einer geheimen Wohnstadt. In der Nähe von Nischni Nowgorod entstand mit Arsamas 16 ein riesiger Komplex an Atomfabriken, insgesamt wurden bis 1950 rund 350 Gebäude durch 250.000 Zwangsarbeiter errichtet, von denen zehntausende verstrahlt wurden.
Die Entwicklung der Atombombe ging jedoch nur schleppend voran. Es fehlten den Forschern wichtige Forschungsschritte, wie zum Beispiel die Kettenreaktion. Und es fehlte an Uran. Nach dem Ende des Krieges tat sich eine Chance auf: Auch Deutschland hatte an einer Atombombe gearbeitet. So flog fast das gesamte Kurtschatow Institut in den sowjetisch besetzten Teil Deutschlands und packte alles ein, was nützlich erschien. Auch auf die deutschen Forscher hatte man es abgesehen. Mit Geld und Versprechungen lockte man sie in die Sowjetunion. Bis zu 300 Forscher nahmen das Angebot an, sie wurden im subtropischen Abchasien am Schwarzen Meer untergebracht, wo sie fürstlich bewirtet wurden. Die Kehrseite: Die Auflagen dort waren streng, sie durften das Areal kaum verlassen und ihre Korrespondenz wurde gelesen und zensiert. So kam das sowjetische Programm allmählich in Schwung und erste Ergebnisse wurden erzielt. Im Sommer 1946 fanden sowjetische Geologen im Erzgebirge Uran. Damit war auch dieses Problem gelöst. Mithilfe der amerikanischen Spione, deutscher Wissenschaftler und dem Uran aus dem Erzgebirge konnten sie einen detonationsfähigen Sprengkopf herstellen. Dazu wurde in der kasachischen Steppe von 3000 Zwangsarbeitern eine komplette Stadt für den ersten Test gebaut. Am 29. August 1949 um sechs Uhr morgens wurde die erste sowjetische Atombombe erfolgreich gezündet. Auch der Geheimdienstchef Berija war bei dem Test anwesend und war außer sich vor Freude. Kurtschatow wurde später mit dem Titel "Held der Sozialistischen Arbeit" ausgezeichnet. Wäre der Test jedoch nicht erfolgreich gewesen, wären er und seine Männer von Berija auf direkten Befehl Stalins erschossen worden.
Die Zündung der ersten sowjetischen Atombombe war gleichzeitig der Startschuss zum atomaren Wettrüsten der beiden Supermächte. Direkt nach dem Ende des Krieges hatten die Amerikaner mit weiteren Forschungen und Tests begonnen. Diese Tests wurden auf dem Bikini-Atoll durchgeführt, das von der USA geräumt wurde. Den Einwohnern versicherte man, es wäre nur für kurze Zeit. Am 30. Juni 1946 explodierte die erste Bombe. Im weiteren Verlauf wurden auch auf den umliegenden Inseln Tests durchgeführt, insgesamt beläuft sich die Zahl der bekannten Tests dort auf etwa 106 zwischen 1946 und 1962. Um die Sprengkraft zu erhöhen, wurde die Wasserstoffbombe entwickelt. Dabei dient der konventionelle Atomsprengkopf als Zünder für die Kernfusion, die in der Wasserstoffbombe dann zu einer thermonuklearen Reaktion führt. Dabei verschmelzen zwei Kerne ineinander und bilden einen neuen Kern. Durch Druck und Hitze wird bei der Implosion im Bombenkörper der thermonukleare Prozess in Gang gesetzt. Die erste von den USA getestete Wasserstoffbombe, Ivy Mike, wurde 1952 getestet. Sie wog 65 Tonnen, war also für einen direkten Abwurf nicht geeignet, und hatte eine Sprengkraft von 10,4 Millionen Tonnen TNT. Die Insel, auf der sie getestet wurde, gab es danach nicht mehr. Doch bereits 2 Jahre später gelang es, eine Bombe nach dem gleichen Prinzip über dem Eniwetok-Atoll aus einem Flugzeug abzuwerfen. Castle Bravo, wie sie genannt wurde, hatte eine Sprengkraft von 15 Millionen Tonnen TNT. Dies war auch die stärkste von den USA getestete Bombe, obwohl sie später noch stärkere in ihrem Arsenal hatte.
Die Zar-Bombe: Reine Machtdemonstration
Doch auch die Sowjetunion forschte und testete. Am 12. August 1953 zündeten sie ihre erste Wasserstoffbombe. Den Höhepunkt, sofern man ihn so nennen möchte, erreichte man am 30. Oktober 1961. Auf direkten Befehl Chruschtschows sollte eine Bombe mit einer Sprengkraft von 100 Megatonnen entwickelt werden, die Zar-Bombe. Um den Fallout zu reduzieren, baute man eine Bombe mit einer Sprengkraft von 50 Megatonnen. Damit war sie 3800-mal so stark wie die über Hiroshima abgeworfene Bombe. Sie wog 27 Tonnen, war acht Meter lang und zwei Meter breit. Um den Piloten mehr Zeit zu geben, aus dem Explosionsradius zu gelangen, wurde sie an einem eigens dafür eingesetzten Fallschirm in 10.000 Metern Höhe abgeworfen. Die Explosion erfolgte in 4000 Metern Höhe. Die von der Explosion ausgelöster seismische Welle betrug 5,0 auf der Richter-Skala und soll angeblich noch bei der dritten Umrundung auf der Erde messbar gewesen sein. Die Zone der totalen Zerstörung der Bombe betrug 35 Kilometer, der Feuerball hatte einen Radius von 3,5 Kilometern. Der Atompilz erreichte eine Höhe von 64 Kilometern. Für einen direkten Einsatz im Krieg war sie nicht geeignet, sie war eine reine Machtdemonstration.
Es schien, als ob dem atomaren Wettrüsten kein Ende gesetzt werden könnte. In immer weiteren Tests wurden weitere Waffen getestet. Die Arsenale füllten sich. Und die Welt stand plötzlich vor einem Atomkrieg. Wie es dazu kam, wird hier beschrieben.