Update vom 01.04.2025: Foodwatch rechnet vor: Das kostet das Steuergeschenk für die Gastronomie 

Seit Tagen verhandeln die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD über die Eckpunkte ihrer kommenden Koalition. Bei einigen Themen herrscht noch immer Dissens, bei anderen scheint man sich bereits einig. Zu letzteren Themen gehört die geplante dauerhafte Senkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie. Diese war bereits während der Corona-Pandemie vorübergehend gesenkt worden, um die Unternehmen der Gastro-Branche zu entlasten.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch hatte diese Pläne bereits vor Wochen kritisiert (siehe Meldung unten). Dabei hatten sie vor allem die enge Verbindung zwischen Union und den Fast-Food-Riesen wie McDonald’s bemängelt: "Vor der Wahl gab es von der Gastro-Lobby Parteispenden und Wahlkampf-Unterstützung für die Union – nach der Wahl liefern Merz und Co. jetzt die millionenschweren Steuergeschenke? Das erinnert an die Mövenpick-Affäre der FDP. Die SPD darf die CDU-Steuergeschenke für McDonald’s und Co. nicht abnicken. Eine sinnvolle Mehrwertsteuer-Reform muss Verbraucher:innen entlasten und gesunde Ernährung fördern – nicht die Profite von Fast-Food-Konzernen steigern", sagte Foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann. 

Nun legte Foodwatch nochmal nach: Berechnungen der Organisation nach, würde die geplante Steuersenkung vor allem den Branchen-Riesen nützen. Allein McDonald's würde so schätzungsweise mit rund 140 Millionen Euro jährlich entlastet – die gesamte Fast-Food-Branche käme auf rund 500 Millionen Euro. Insgesamt würde die Umsatzsteuersenkung laut Institut der deutschen Wirtschaft 4 Milliarden Euro pro Jahr kosten - Geld, das an derer Stelle fehlen dürfte. 

Foodwatch kommt zu ihren Zahlen auf Grundlage der allgemeinen Geschäftszahlen der Branche: McDonald’s mache in Deutschland 4,2 Milliarden Umsatz pro Jahr. Betrachtet man dabei nur den vor Ort servierten Umsatz, kommt man auf eine Steuerersparnis von 142 Millionen Euro. Die gesamte Fastfood-Branche würde mit 500 Millionen Euro entlastet. Die Berechnung basiert dabei auf Zahlen des Bundesverbands Systemgastronomie. Demnach mache die Branche in Deutschland einen Jahresumsatz von 31 Milliarden Euro. Beachtet man wiederum nur den vor-Ort-Verzehr kommt man auf eine Entlastung von rund 500 Millionen Euro.

Dabei wehrt sich Foodwatch nicht generell gegen eine Steuersenkung für Lebensmittel: Aus Sicht von Foodwatch wäre allerdings eine gezielte Reform der Mehrwertsteuer sinnvoll, die vor allem Konsumenten entlastet und dabei klima- sowie gesundheitspolitische Ziele unterstützt. Eine Idee, die auf das Thünen-Institut zurückgeht, wäre demnach eine Steuerbefreiung für Obst und Gemüse – kombiniert mit einer höheren Steuer auf Fleisch und Milch. Dadurch könnten jährlich 10 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen eingespart werden, es gäbe 20.000 vermeidbare ernährungsbedingte Todesfälle pro Jahr weniger und es wären Einsparungen von 5,5 Milliarden Euro bei Umwelt- und Gesundheitskosten möglich.

Originalmeldung vom 14.03.2025: Foodwatch macht Merz und Söder wegen Gastro-Vorstoß Vorwürfe

Die Verbraucherorganisation Foodwatch fordert als Ergebnis der schwarz-roten Koalitionsgespräche Maßnahmen gegen anhaltend hohe Preise für Lebensmittel. "Union und SPD sollten nicht nur Geschenke an Gastronomen und Landwirte verteilen, sondern dafür sorgen, dass gutes und gesundes Essen für alle Menschen möglich ist", sagte Foodwatch-Expertin Alina Nitsche. 

Aus Sicht der NGO würden vor allem Konzerne wie McDonald's, Burger King oder Nordsee von der geplanten milliardenschweren Steuersenkung profitieren. Zudem würden die engen Verbindungen zwischen der Union und der Gastro-Lobby Fragen aufwerfen: "Die Verbindungen zwischen der Union und der Gastro-Lobby sind offensichtlich: Parteispenden, Wahlkampfhilfe und Sponsoring von McDonald's. Kaum ist die Wahl vorbei, plant die CDU eine milliardenschwere Steuererleichterung für die Branche – das erinnert an die Mövenpick-Affäre der FDP", so Foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann.

Steuergeschenke für Wahlkampfunterstützung? Harte Kritik an CDU und CSU

"Die CDU hatte im Januar eine Parteispende über 500.000 Euro von einem Gastro-Unternehmer erhalten, McDonald’s war Sponsor des CDU-Parteitags und finanzierte den Bau einer neuen Geschäftsstelle der CDU-Mittelstandsvereinigung mit, und der Lobbyverband DEHOGA hatte im Wahlkampf explizit für die CDU und Friedrich Merz geworben", heißt es von Seiten der Organisation. Außerdem habe die CDU am 17. Januar eine Großspende in Höhe von 500.000 Euro vom Gastro-Unternehmer Max Schlereth bekommen, der ein Restaurant in München betreibe und Chef einer Hotelkette ist. Friedrich Merz und Markus Söder hätten sich im Wahlkampf beide in McDonald’s-Filialen gezeigt und McCafé sei Sponsor des CDU-Parteitags gewesen.

Tatsächlich lobte auch die DEHOGA-Baden-Württemberg im Dezember Söder und Merz, die sich für die Interessen des Verbandes starkgemacht hätten. "Jetzt hat es die wichtigste Branchenforderung des DEHOGA auch in das Wahlprogramm von CDU/CSU geschafft", heißt es abschließend. Und nun haben CDU, CSU und SPD in ihren Sondierungen für eine Koalition vereinbart, dass die Mehrwertsteuer für Speisen in Restaurants und Gaststätten dauerhaft von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden soll, "um Gastronomie und Verbraucher zu entlasten". 

Foodwatch fühlt sich an den Mövenpick-Skandal der FDP erinnert: Die FDP hatte 2010 gegen einigen Widerstand eine Senkung der Umsatzsteuer für Hotelbetriebe durchgedrückt. Gleichzeitig wurde bekannt, dass die Partei eine Millionenspende des Hotel-Unternehmers August von Finck (Mövenpick-Hotels) erhalten hatte. Die FDP wurde in der Folge als "Mövenpick-Partei" tituliert und wegen Käuflichkeit heftig kritisiert. 

Steuergeschenke für große Unternehmen - statt Entlastung für die Bürger?

Der Streit um eine gesenkte Umsatzsteuer für Essen in Gastronomie-Betrieben zieht sich bereits seit Jahren. Die Union hatte am 16. März 2023 einen Vorschlag eingebracht, die eigentlich als Corona-Hilfe gedachte zeitlich befristete Umsatzsteuersenkung für Gastronomiebetriebe auf 7 Prozent dauerhaft umzusetzen. Interessant dabei: Zentrales Argument damals war eine "Verhaltensänderung der Menschen" durch die Corona-Pandemie.

Viele Bürger und Bürgerinnen hätten demnach verstärkt auf Lieferdienste zurückgegriffen. Es wurde damals angenommen, "dass die Verbraucher verstärkt geliefertes oder mitgenommenes Essen konsumieren würden, das dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliege. Mit der Senkung sollten Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden", heißt es zur damaligen Bundestagsdebatte. Die Union zielte auf eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Gastronomie.

Ende 2024 hatte dann die Ampel-Regierung eine dauerhafte Senkung der Umsatzsteuer abgelehnt. Die Begründung damals: Man wolle und könne keine einzelne Branche begünstigen, da sonst "andere Branchen [ermutigt würden], ebenfalls Vergünstigungen zu fordern", wie es in der Beschlussvorlage des Bundestags hieß. Die erwarteten Steuer-Mindereinnahmen von etwa 3 Milliarden Euro im Jahr, könnten an anderer Stelle zielgerichteter eingesetzt werden.

Niedrigere Preise im Supermarkt statt Geschenke für die Gastronomie?

Dies sieht auch Foodwatch so: "Eine sinnvolle Mehrwertsteuer-Reform muss Verbraucher:innen entlasten und gesunde Ernährung fördern – nicht die Profite von Fast-Food-Konzernen steigern“, so Foodwatch-Chef Chris Methmann. Konkret fordert Foodwatch eine Reduzierung beziehungsweise Streichung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse.

Die NGO fordert, die Mehrwertsteuer als Steuerungsinstrument zu nutzen: Während auf gesunde und umweltfreundliche Lebensmittel also keine oder nur ein reduzierter Mehrwertsteuersatz erhoben werden sollte, sollten klimaschädliche und ungesunden Lebensmittel wie Fleisch und Milchprodukten höher besteuert werden. Foodwatch bezieht sich bei dieser Forderung auf eine Studie des Thünen-Instituts. Demnach könnten jährlich 10 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen eingespart werden, es gäbe 20.000 vermeidbare ernährungsbedingte Todesfälle pro Jahr weniger und es wären Einsparungen von 5,5 Milliarden Euro bei Umwelt- und Gesundheitskosten möglich.

Von einer solchen Steuersenkung würden laut Foodwatch alle Menschen profitieren. Von einer niedrigeren Mehrwertsteuer in der Gastronomie profitierten dagegen nur jene, die sich Essengehen überhaupt leisten könnten. Laut einer Umfrage im Auftrag von Foodwatch machen sich zwei Drittel der Befragten Sorgen, ob ihre Lebensmittel auch in Zukunft bezahlbar sein werden. Große Sorgen deswegen machen sich 25 Prozent, etwas Sorgen weitere 42 Prozent - keine Sorgen darüber machen sich nach eigenen Angaben 33 Prozent. Für die Umfrage befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa vom 27. Februar bis 3. März 1004 Menschen ab 18 Jahren. rowa/mit dpa