• Container-Häfen haben Sortierprobleme und Europlatten sind Mangelware
  • Lange Wartezeit auch bei Waschmaschinen und Geschirrspülern
  • Arbeitgeberverbände sehen Probleme
  • Und das sind die Konjunkturerwartung des ifo-Institut und der Gewerkschaften
  • Der Klimawandel und die gestörten Lieferketten
  • Die fehlenden Fahrräder und der Fachkräftemangel

Pandemiebedingte Einschränkungen und Lieferengpässe beeinträchtigen viele Branchen. Der Automobilindustrie fehlen die Chips, Europaletten sind überall knapp genauso wie Papier. Der Wirtschaft insgesamt droht ein weiteres "Stop-and-Go-Jahr", sagen die Arbeitgeberverbände und die Wirtschafts-Forschungsinstitute.

Container-Häfen haben Sortierprobleme und Europlatten sind Mangelware

Prof. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) beschreibt zum Jahreswechsel sehr plastisch im Interview mit dem Deutschlandfunk, wie die Probleme bei den Lieferketten aktuell sind. Im Augenblick würden 80 Prozent der Unternehmen berichten, sie hätten Probleme, die notwendige Elektronik zu beschaffen.

"Wir haben hier aber vor allen Dingen Logistiksystem-Probleme. Es ist ja nicht so, dass nicht produziert würde, sondern die Dinge kommen einfach nicht aus den Häfen und sie kommen über die Containerschiffe nicht bei uns an." Er beschreibt auch, dass die Logistikkosten steigen. Auch viele Häfen in der Welt hätten "Sortierprobleme", weil sie zu sind oder die Schiffe sich stauen. Für 2022 prognostiziert er: "Das löst sich auf." 

Es sind oft Kleinigkeiten, die fehlen, aber wichtig sind: beispielsweise Europaletten (EPAL). "Es ist eine der verrücktesten Entwicklungen innerhalb der Kostenlawine, die uns in diesem Jahr überrollte", sagt Technik-Geschäftsführer Peter Peschmann mit Blick auf 2021, von der Veltins-Brauerei in Meschede-Grevenstein im Sauerland, dem Online-Fachmagazin topagrar. Alleine C. & A. Veltins musste bis Jahresende mehr als 1,5 Mio. Euro Mehrkosten für EPAL aufwenden, eine Steigerung von 150 Prozent. Schlimmer noch: Ein Ende der Hochpreisphase für Palettenholz ist nicht in Sicht. Während Veltins noch vor der Pandemie einen EPAL-Stückpreis von 7,30 Euro hatte, explodierten sie 2021 auf zeitweise bis zu 20 Euro. Das Unternehmen braucht jedes Jahr 180.000 neue EPAL.

Lange Wartezeit auch bei Waschmaschinen und Geschirrspülern

Nicht die gleichen, aber ähnliche Probleme haben die Haushaltsgerätehersteller. Miele hat wegen fehlender Bauteile seine Produktion im Gütersloher Waschmaschinenwerk gedrosselt und einen Teil der Belegschaft in Kurzarbeit geschickt. "Diese betrifft von ihrer Größenordnung her ungefähr zwei Tage pro Woche", berichtet ein Miele-Sprecher der tagesschau.de. Dem 'Weiße-Ware-Produzenten' fehlen nach eigenen Angaben Elektroteile zur Steuerung der Maschinen.

Besonders lang seien derzeit die Lieferzeiten mit bis zu 14 Wochen bei den Geschirrspülern, berichtete der Miele-Sprecher. "Bei den Waschmaschinen haben die Einstiegsgeräte etwa zwei Wochen Lieferzeit, bei den übrigen Modellen kann die Lieferzeit ähnlich lang werden wie bei den Geschirrspülern. Bei den Staubsaugern sind es je nach Modell zwischen zwei und sechs Wochen."

Bei Wäschetrocknern, Kühlschränken und Rasenmähern kommt es derzeit ebenfalls zu Lieferverzögerungen. "Auch in Hausgeräten stecken Elektronik, Metalle und Kunststoffe, die derzeit weltweit knapp sind", ergänzt Werner Scholz, Fachverbandsgeschäftsführer Elektro-Hausgeräte beim Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI).

Arbeitgeberverbände sehen Probleme

Nahezu alle Unternehmen der deutschen Elektro- und Digitalindustrie sind mit Materialknappheiten und Lieferengpässen konfrontiert. Das ergab eine aktuelle Mitgliederbefragung des ZVEI. "Für drei Viertel der befragten Unternehmen hat sich die Lage in den vergangenen drei Monaten noch verschärft – für ein Drittel sogar deutlich", sagte Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung.

EPAL sind in der Krise heiß begehrt und teuer.
CC0 / Pixabay / webandi

Ein rasches Ende der Knappheiten ist nicht in Sicht: Rund die Hälfte der Unternehmen erwartet, dass die aktuelle Situation noch bis Mitte des Jahres anhalten wird. Die andere Hälfte geht davon aus, dass die Lage auch darüber hinaus angespannt bleibt.

Auch die Auftragsbücher im Maschinen- und Anlagenbau sind gut gefüllt, zugleich kämpfen aber auch hier viele Unternehmen mit Material- und Lieferengpässen. Die Volkswirte des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) bekräftigen trotzdem ihre Wachstumsprognose von plus 10 Prozent für 2021 und für 2022 rechnen sie mit einem Produktionsplus von 5 Prozent. In der Metall- und Elektro-Industrie (M+E-Industrie) insgesamt gab es im Dezember 2021 wieder über 300.000 Kurzarbeiter. Das war der höchste Stand seit April 2021 und ein Anstieg von 63 Prozent gegenüber August. Auch Gesamtmetall-Chefvolkswirt, Lars Kroemer, sieht in den Lieferengpässen, die die M+E-Industrie in der ganzen Breite treffen, den Hauptgrund. "Die Lieferschwierigkeiten hätten sich bis Jahresende immer weiter massiv verschärft und beträfen nicht nur Automobilhersteller, sondern alle M+E-Industriezweige." 

Und das sind die Konjunkturerwartung des Ifo-Instituts und der Gewerkschaften

Die Ökonomen vom ifo-Institut in München erwarten in 2022 ebenfalls anhaltende Lieferengpässe. Erste Ansage der renommierten Forschungseinrichtung: Die vierte Coronawelle bremst die deutsche Wirtschaft spürbar aus.

Die zunächst erwartete kräftige Erholung für das Jahr 2022 verschiebt sich deshalb weiter nach hinten. Zweite Ansage: Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt in 2021 um 2,5 Prozent, in diesem Jahr um 3,7 Prozent und im Jahr 2023 um 2,9 Prozent zulegen.

In seiner aktuellen Konjunkturprognose geht das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung sogar von einem Wirtschaftswachstum um 4,5 Prozent in 2022 aus. Das beruht einmal auf Aufholeffekten, weil nach einem schwierigen Winter durch die erwartete schrittweise Überwindung der Pandemie ab dem Frühjahr der private Konsum wieder stärker in Schwung kommt, während sich Lieferengpässe langsam entspannen.

Der Klimawandel und die gestörten Lieferketten

Auch der Klimawandel hat einen erheblichen Anteil an den Lieferengpässen, wie Anke Herold, Geoökologien und Geschäftsführerin des Öko-Instituts in Freiburg, analysiert. Sie berichtet, dass in Texas heftige Schneestürme im letzten Jahr wüteten und die Temperaturen sanken auf niedrigere Werte als in den 40 Jahren davor.

Die Stromversorgung in Texas fiel über Wochen aus, und Chiphersteller wie Samsung und Infineon mussten die Produktion unterbrechen. "Die Halbleiter-Fabriken waren noch nicht einmal mehr kontrolliert herunterzufahren. Dadurch wurden nicht nur die Produktionsanlagen beschädigt, sondern auch Komponenten der Infrastruktur der Werke", so Herold.

Auch in Taiwan fiel die Chipproduktion in diesem Jahr wegen des Klimawandels aus: "Hier war es jedoch eine Dürre, die dazu führte, dass den Halbleiterproduzenten TSMC und UMC das Frischwasser für die Produktion fehlte."

Die fehlenden Fahrräder und der Fachkräftemangel

Die längste Geduld, wegen gestörter Lieferketten, brauchen Kund*innen vor allem beim Kauf von Fahrrädern. Manche Räder können erst mit monatelanger Verspätung geliefert werden.

"Einige Händler warten bis heute auf bis zu 40 Prozent der Räder, die sie bereits 2020 bestellt haben", sagte jüngst Hans-Peter Obermark vom Verband des Deutschen Zweiradhandels der Funke-Mediengruppe. Die Branche rechnet erst ab 2024 mit einer Normalisierung.

Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) in München macht noch ein weiteres Fass auf: Folgt man einer Mitgliederbefragung, ist der Mangel an Fachkräften für viele Unternehmen in Bayern (62,6 Prozent) in diesem Jahr der größte Bremsklotz auf dem Weg aus der Corona-Krise. Aber das ist eine andere Geschichte, die wir aber bald erzählen.