Formal zählt künstliche Intelligenz zu einem Teilgebiet der Informatik. Im Wesentlichen beschäftigt es sich damit, menschliche kognitive Fähigkeiten nachahmen zu können. Gemeint sind Fähigkeiten wie zum Beispiel Lernen, das Lösen von Problemen, Sprachverarbeitung, das Erkennen von Mustern oder auch datenbasierte Entscheidungen zu treffen.

Die Einsatzgebiete von KI sind dabei sehr vielfältig. Sie erstrecken sich sowohl über alltägliche Anwendungen wie Navigations-, Text- oder Spracherkennungssysteme, über die Steuerung industrieller Produktionsabläufe bis hin zum Einsatz in medizinischen Bereichen. In den beiden zuletzt genannten Anwendungsbereichen ist es insbesondere die Kombination von KI und Robotik, die wesentliche Fortschritte begründet. In Bezug auf Entwicklungsstufen künstlicher Intelligenz existieren unterschiedliche Annahmen, die zwischen vier- bis hin zu siebenstufigen Klassifizierungen variieren.

Spielerei oder echter Fortschritt?

Zur sog. generativen KI zählen Anwendungen wie bspw. ChatGPT, Google Bard oder Claude. Ebenso lassen sich sämtliche Tools, mit denen Bilder, Videos, Animationen oder Musik erstellt werden können, zu der Familie der generativen künstlichen Intelligenz zusammenfassen. Solche Anwendungen erfreuen sich ob ihrer vor allem spielerischen Komponente großer Beliebtheit.

Generative KI unterscheidet sich von bis dato traditioneller künstlichen Intelligenz dadurch, dass sie nicht regelbasiert (z.B. Chatbots) arbeitet, sondern aus Daten lernt und neue Dateninstanzen (bspw. Texte, Bilder, Videos, Musik, Programmcodes) erzeugen kann. Hierbei durchläuft generative KI immer die drei Phasen von Training, Anpassung und Generierung. Somit kann die Qualität der Ergebnisse nur so gut oder schlecht sein, wie das Material, mit dem die KI gefüttert und trainiert wurde.

Der niederschwellige und spielerische Umgang trägt dazu bei, die KI-Modell zu trainieren. In dem Zusammenhang ist zu beobachten, dass die Modelle immer schneller lernen und sich ihr qualitativer Output durch eine steigende Datenmasse ständig verbessert. Die nahezu explosionsartige Vermehrung von KI-Tools wirft dabei die Frage auf, ob es sich dabei eher um Spielerreihen, insbesondere im Umfeld von Marketing und Kommunikation, oder ob um einen ernsthaften, ökonomisch relevanten technischen Fortschritt handelt.

Auswirkungen auf die Arbeitswelt

Die größten Auswirkungen künstlicher Intelligenz zeigen sich in der Arbeitswelt. Dort, wo sich durch ihren Einsatz digitale Prozesse automatisieren und damit effizienter gestalten lassen, führen sie zu Produktivitätssteigerungen. Aktuell klingen in den Medien entsprechend veröffentlichte Prognosen noch als Drohkulisse. In dem Zusammenhang gelten bspw. häufig die Berufsfelder Autoren, Werbetexter, Lektoren, Buchhalter, Übersetzer oder Kundenservice als besonders gefährdet.

Selbst Anwälte, Versicherungsmathematiker und Programmierer müssten demnach bald um ihre Einkommensquellen fürchten. In den genannten Bereichen muss KI erst noch den nachhaltigen Beweis erbringen, flächendeckend und wirklich verlässlich produktivitätssteigernd eingesetzt werden zu können.

Dahingehend liefert bspw. in der Landwirtschaft, im industriellen Produktionsbereich und im medizinischen Umfeld künstliche Intelligenz bereits mit hoher Präzision und verlässlicher Kontinuität bereits wertvolle Dienste. Im Grunde fußt die generative Leistungsfähigkeit auch hier "nur"  auf das trainierte Erkennen wiederkehrender Mustern sowie einer technischen Interpretation mit hoher datenverarbeitenden Geschwindigkeit.

Ökonomie und Wohlstand

Bei aller kritischen Betrachtung eines unaufhaltsam technischen Fortschritts und seinen nicht nur positiv zu bewertenden Einflüssen, ist dennoch festzuhalten, dass er den Menschen – auch wenn nicht allen – Nutzen, komfortable Lebensbedingungen und Wohlstand gebracht hat. In den letzten 250 Jahren hat die Spezies Mensch eine ungeheure Leistungsexplosion in vielen Lebensbereichen vollbracht, die in historischer Dimension betrachtet, einzigartig ist. Wohlstand definiert sich einerseits individuell und subjektiv betrachtet durch den persönlichen Lebensstandard (Einkommen, Vermögen).

Andererseits lässt er sich volkswirtschaftlich durch die allgemeinen gesellschaftlichen Lebensumstände (soziale Sicherungssysteme, Bruttoinlandsprodukt, Infrastruktur) beschreiben. Kritiker halten dagegen, dass sich Wohlstand sich nicht nur in ökonomischen Kennzahlen niederschlägt. Sie betonen die negativen Auswirkungen von KI-getriebenen technischem Fortschritt in Form ökologischer Schäden.

Im Zusammenhang werden u.a. Ansätze eines sog. Postwachstums diskutiert. Statt auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP), setzen solche alternativen Ansätze auf Lebensqualität, Gesundheit, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit. Diese Faktoren hätten dann einen höheren Stellenwert als das BIP, und der Fokus läge auf sozialen und ökologischen Werten, anstelle auf rein ökonomischen Wachstumszielen.

Einfluss künstlicher Intelligenz

Es ist zu erwarten, dass künstliche Intelligenz künftig einen zunehmenden Einfluss auf die Wohlfahrtsentwicklung nehmen wird. Ob dieser positiv oder negativ ausfällt, wird im Wesentlichen davon abhängen, inwieweit sich gegenläufige Effekte, wie z.B. steigende Arbeitslosigkeit gegenüber Effizienzsteigerung und Wirtschaftswachstum, aufheben. Neben solch rein ökonomischen Betrachtungen sollten die damit verbundenen Einflüsse auf das soziale Miteinander keinesfalls missachtet werden.   

Der anerkannte KI-Experte Ray Kurzweil geht im Interview mit der Zeit davon aus, dass künstliche Intelligenz bereits im Jahr 2029 die menschliche Intelligenz übertreffen und damit der Punkt der Singularität erreicht sein wird. Seine Vision dabei ist, dass Implantate Menschen mit KI verschmelzen lassen. Dies sei aus seiner Sicht "der einzige Weg, um mit einer immer intelligenteren KI mitzuhalten und nicht von ihr beherrscht zu werden."

Mit den Implantaten käme es, so Kurzweil, zu Interaktionen zwischen Gehirn und Technik, vergleichbar heutzutage noch mit Smartphones – nur, dass diese noch nicht implantiert seien. Im Ergebnis ließe sich dann jedoch nicht mehr unterscheiden, ob bspw. die Antwort auf eine Frage vom eignen Gehirn oder vom implantierten KI-Assistenten stamme. Bei dieser Science-Fiction-Vision vertraut Kurzweil auf die Menschen: "Ich habe ein Grundvertrauen in die Menschen, sie werden die Dinge der Zukunft so regeln, dass sie eben nicht das Ende der Welt bedeuten."

Europäischer AI Act

Allein das Vertrauen auf den gesunden Menschenverstand dürfte nicht ausreichen, um künstlicher Intelligenz einen bedenkenlosen Freifahrtschein auszustellen. Die Diskussion um das von Kurzweil skizzierte Zukunftsbild wirft auf alle Fälle moralische und ethische Fragen auf. Moralisch sind Fragen zu Werten, Normen und Regeln unseres künftigen Miteinanders in einer global vernetzten Gesellschaft zu beantworten. Diese Antworten wären gleichzeitig ethisch zu reflektieren.

Mit dem AI Act haben am 24. Mai 2024 die EU-Mitgliedstaaten das weltweit erste Gesetz zur Regulierung von KI verabschiedet. Darin sind zwar Regeln festgelegt, die Verantwortung zur Einhaltung liegt jedoch bei den Menschen. Damit wird der AI Act nicht anders als bspw. das Strafgesetzbuch vor missbräuchlichen Handlungen schützen. Angesichts der täglichen Nachrichtenlage mag das Grundvertrauen von Ray Kurzweil in die Menschen und deren Entwicklungen erschüttert werden. Denn es ist nicht die Technik und ihr Potenzial an sich, sondern ihre Verwendung vor dem Hintergrund moralisch vertretbarer und sozialverträglicher Absichten.