- Was bedeutet Strukturwandel?
- Warum ist er notwendig?
- Beispiel Energiewende
- Herausforderungen
- Chancen
Das Wort Strukturwandel ist in aller Munde. Insbesondere wenn es um das Thema Energie geht. Seitdem der Klimawandel und seine Folgen nicht mehr wegzudiskutieren sind, steht die regenerative Energiegewinnung hoch im Kurs. Statt fossiler (Öl, Gas, Kohle) und nuklearer Energie (Atomkraft), sind nun Wind, Wasser und Sonne gefragt, um unseren weltweit rasant gestiegenen Energiebedarf zu decken.
Das bedeutet Strukturwandel
Grundsätzlich hat Strukturwandel etwas Evolutionäres. Denn allgemein und unabhängig vom Thema Energie betrachtet, führen Entwicklungen immer zu Veränderungen, die dann mitunter einen tiefgreifenden Wandel von Strukturen zur Folge haben. So beklagte beispielsweise das Ruhrgebiet zum Ende der 50er Jahre den beginnenden Untergang der Montanindustrie. Statt auf Kohle wurde mehr auf Öl und Gas gesetzt. Die Schließung von Zechen und Massenarbeitslosigkeit waren das Ergebnis. Das Berufsbild des "Kumpels" verschwand im Ruhrgebiet am 21. Dezember 2018. Vergleichbar zu den aktuell ausgerufenen Strukturförderprogrammen in Nordrhein-Westfalen und der Lausitz gab es 1968 das "Entwicklungsprogramm Ruhr" (EPR). Vor allem sollten Bildung, Kultur und Landschaftspflege in den Fokus rücken. Investitionen in Infrastruktur und höheren Wohnwert sowie die Ansiedlung neuer wirtschaftsstarker Unternehmen (z.B. Opel 1962 in Bochum) sollten das Ruhrgebiet wieder aufblühen lassen.
Technologischer Fortschritt
Überwiegend ist technologischer Fortschritt dafür verantwortlich, dass es immer wieder zu Strukturwandel kommt und kommen muss. Die Menschheit entwickelt sich immer weiter. Besonders seit der Erfindung der Dampfmaschine und dem einhergehenden Beginn der sog. industriellen Revolution, sind in den letzten 250 Jahren auf technologischer Seite viele Dinge sehr schnell vorangeschritten. Wer z.B. 1890 geboren, im deutschen Kaiserreich noch Pferde und Kutschen kennengelernt hat, durfte am 20. Juli 1969 im hohen Alter die erste bemannte Mondlandung miterleben. Im heutigen Zeitalter der Digitalisierung angekommen, vollzieht sich technologischer Fortschritt in immer kürzeren Intervallen.
Hohe Komplexität in einer globalisierten Welt
Durch eben diesen technologisch getriebenen Strukturwandel bedingt, verändern sich auch andere Lebens- und Arbeitsbereiche, wie z.B. Ökonomie, Ökologie, Demografie oder Soziologie. Weil alle diese Systeme eng miteinander verwoben sind und sich wechselseitig beeinflussen, entsteht eine kaum zu beherrschende Komplexität. Gesteigert dadurch, dass wir in einer so eng vernetzten und globalisierten Welt leben wie noch nie zuvor. Gegenseitige Abhängigkeiten und teils nur schwer zu überwindende Interessenskonflikte sind dann eine logische Konsequenz.
Energiewende
Sowohl die produzierende Industrie und Wirtschaft als auch unser privater Konsum zeichnen sich durch einen rasant steigenden Energiebedarf aus. Gleichzeitig unterliegen bisher genutzte Energiequellen wie Kohle, Öl und Gas einem klimaschädlichen Verschleiß endlicher Ressourcen. Der hohe Ausstoß von CO2 führt dabei über den sog. Treibhauseffekt zur Erwärmung der Erdatmosphäre. Grundsätzlich wirkt CO2 wie eine Art Schutzschild. Denn es verhindert das Entweichen von Erdwärme ins Weltall. Ohne Treibhausgase läge die Durchschnittstemperatur auf unserem Planeten von Experten berechnet um etwa 33 °C niedriger. Durch den Treibhauseffekt und das Ansteigen der Temperatur jedoch schmelzen die Gletscher, der Wasserspiegel steigt und es sind teils dramatische Einflüsse auf Klima und Wetter zu beobachten. Diese Entwicklungen sind dafür verantwortlich, nach und nach bis spätestens zum Jahr 2038, den Ausstieg aus der Kohleenergie herbeizuführen.
Atomenergie galt und gilt einerseits als sicher, was allerdings durch die Nuklearkatastrophen von Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) zunehmend infrage gestellt wurde. Der Vorfall in Japan führte letztlich zu der Entscheidung, sich hierzulande aus der Atomenergie ganz zurückzuziehen. Neben dem Thema Sicherheit stellt zudem die Entsorgung radioaktiv verseuchten Atommülls ein Problem dar.
Weil in Zukunft der Bedarf an Energie zunehmen, fossile und nuklear basierte Energiegewinnung dagegen zurückgefahren wird, sollen es vor allem neue und regenerative Energieformen richten. Diese entstehen in erster Linie durch Nutzung natürlicher Elemente wie Sonnenlicht, Wind und Wasser. Hierbei werden nicht nur innovative Methoden der Energiegewinnung eingesetzt, sondern es wird auch nach alternativer Antriebstechnik (Wasserstoff), verbesserter Speichertechnologie und schonender Verbrauchseffizienz geforscht.
Herausforderungen des Strukturwandels
Eine große Herausforderung, neben der Technologieentwicklung, stellen Organisation und Koordination des Strukturwandels dar. Selbst wenn das Ziel klar zu sein scheint, so treten bezüglich des Wegs dorthin nicht selten Unstimmigkeiten auf. Die umfangreichen Diskussionen zeigen, dass an der Stelle weniger ein Erkenntnisproblem, denn mehr ein Problem bei der Umsetzung besteht. Erschwerend hinzu kommt, dass einem zunehmenden Energiebedarf gleichzeitig, zumindest kurz- bis mittelfristig, ein noch zu geringes regenerativ gewonnenes Energievolumen gegenübersteht. Deshalb spielt auch Zeit eine wichtige Rolle.
Im Prozess der Umsetzung kommen komplexe Zusammenhänge, Mängel, Abhängigkeiten und Interessenkonflikte zum Vorschein. Zwar haben Flutkatastrophe, Corona-Pandemie und der aktuelle Krieg in der Ukraine auf den ersten Blick scheinbar nichts mit einem Strukturwandel zu tun. Dennoch legen sie schonungslos Defizite offen:
- Informationspolitik (Frühwarnsysteme, Inhalte und Formen der Kommunikation)
- Bauliche Gegebenheiten (präventiver Überflutungsschutz)
- Föderales System (Uneinigkeit in Argumentation und Maßnahmen vor dem Hintergrund unterschiedlicher regionaler Ausgangslagen)
- Digitalisierung, die bei Weitem noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie es den Anschein hatte
- Abhängigkeit von Gas und Öl sowie deren Lieferanten aus dem Ausland
- Interessenkonflikte innerhalb einer Staatengemeinschaft wie der EU oder eines föderalen Systems
Strukturwandel gestaltet sich als ein Generationenprojekt. Es ist ein Marathon, kein Sprint. Zudem ist er nicht allein zu schaffen, sondern nur in einem weltumspannenden Kollektiv. Die zu treffenden Entscheidungen müssen heute für morgen und übermorgen, mit einem langen Planungshorizont, aber nur mit geringer Planungssicherheit getroffen werden. Der Auf- und Ausbau notwendiger Kompetenzen und Ressourcen zeigt sich u.a. in der Entstehung neuer Berufsbilder wie Strukturwandelmanager oder Klimamanager, die gerade im Zuge von Förderprogrammen vermehrt Einzug in die kommunalen Verwaltungen halten.
Strukturwandel bedeutet immer auch eine Abwägung von Maßnahmen mit kurz-, mittel- und langfristigen Folgen für Wirtschaft, Umwelt, Klima und Menschheit. Die Basis für einen letztlich erfolgreichen Strukturwandel bilden Veränderungsbereitschaft, Flexibilität und Kompromissbereitschaft. Gerade mit Blick auf gut gemeinte demokratische Bürgerbeteiligungen zeigt sich oftmals, dass die teils sehr unterschiedlichen Ansichten und Argumente den Strukturwandel mehr behindern als fördern. So würde vielleicht der Glasfaserausbau mancherorts weiter vorangeschritten sein, wenn sich trotz Subvention mehr als 40 % einer Gemeinde dafür aussprechen würden.
Chancen des Strukturwandels
Strukturwandel bietet zweifelsohne immer Chancen. Wobei ein Wendepunkt - kurz davor oder schon kurz dahinter - erreicht zu sein scheint, an dem wir als Menschheit diesen Chancen mittlerweile wohl alternativlos gegenüberstehen. Maßgeblich werden
- die Schaffung von lebenswerten Lebensräumen mit hochwertigen Arbeitsplätzen
- die Entwicklung innovativer klimafreundlicher Technologien und
- Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Kultur
als zukunftsorientierte Leitbilder genannt. Aufgaben und Chancen bestehen dabei im Großen wie im Kleinen. Hier zeigen Städte und Gemeinden mit eigens initiierten sog. interkommunalen Lösungen (z.B. das Rheinische Six-Pack) bereits lösungs- und praxisorientierte Ansätze. Sie bündeln damit Ressourcen und stellen sich gemeinsam für eine Zukunft für die nachfolgenden Generationen auf. Allein die Abhängigkeit von der großen Politik und den teils noch bürokratisch umständlichen und intransparenten Förderrichtlinien bremst manchmal aus. Hier besteht die Chance, im gemeinsamen Dialog und konstruktiven Miteinander Lösungen zu schaffen, die sowohl vor Ort als auch im Ganzen funktionieren.
Während die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen die "Zukunftsagentur Rheinisches Revier" mit der Umsetzung des Strukturwandels betraut, setzt die Lausitz auf eine sog. Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMAG), die Projekte genehmigt, welche im Vorfeld durch einen sog. Werkstattprozess, durchgeführt von der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH, qualifiziert wurden.
Im Kern bedeutet Strukturwandel klassisches Projektgeschäft. Ausgehend von einer Analyse werden Ziele festgelegt, Strategien und Maßnahmen entwickelt, die umgesetzt und über ein kontinuierliches Monitoring überwacht werden. Neben dem Blick auf das zur Verfügung gestellte Fördergeld sollten alle am Strukturwandel Beteiligten vor allem auch eins tun: Eigeninitiativ Chancen ergreifen. Das bedeutet, innovative Ideen entwickeln, gutes Eigenmarketing betreiben und selbst mit Investoren verhandeln. Denn die größten Chancen ergeben sich häufig, wenn man selbst aktiv wird und sich nicht nur auf die Förderung durch andere verlässt. Darüber hinaus kann jeder einzelne zum Strukturwandel beitragen, indem er sein eigenes Verhalten (z.B. Ernährung, Mobilität, Konsum) beobachtet und ggf. entsprechend anpasst.