Egal ob gebildet, ungebildet, konservativ oder weltoffen: Überall kann man vorgefasste Meinungen finden. Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass man sich in unserer Gesellschaft eher unsympathische, engstirnige und weniger intelligente Menschen vorstellt, die diese Vorurteile haben.

Doch stimmt das? Verschiedene Studien haben sich die Frage gestellt, ob der Bildungsgrad die Tendenz zur Vorurteilsbildung beeinflusst. 

Grundlagen der Studien und Ergebnisse

Stereotype und Vorurteile beeinflussen nicht nur unsere Wahrnehmung, sondern auch unser Denken und Handeln. Doch wovon hängt es eigentlich ab, ob man eine voreingenommene Meinung hat, oder nicht? Bei diesem Artikel orientieren wir uns an dem Buch "Vorurteile haben immer nur die anderen" von Juliane Degner, welches die aktuellen Forschungsergebnisse aus der Sozialpsychologie aufgreift. Weiter gibt die Autorin eine Einsicht in psychologische Prozesse und Mechanismen, die Stereotypen und Vorurteilen zugrunde liegen. Juliane Degner ist Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Hamburg. Hier forscht sie vor allem zu automatischen Prozessen der sozialen Wahrnehmung und Eindrucksbildung. Weiter interessiert sie sich dafür, welchen Einfluss soziale Kategorisierungsprozesse, Stereotype und Vorurteile auf letzteres haben.

Degner erklärt, dass es eine Vielzahl an groß angelegten Studien gibt, welche meist in Form von Fragebögen und Interviews abfragten, inwiefern Personen feindseligen Aussagen über verschiedene negativ stigmatisierte Gruppen zustimmen. Zusätzlich mussten die Befragten Persönlichkeitsfragebögen ausfüllen, ihr Bildungsniveau angeben und/oder Intelligenzaufgaben bearbeiten. Im Anschluss wurde ein generalisierter Vorurteilsindex von den Forscher*innen berechnet, anhand dessen sich Personen als mehr oder weniger vorurteilsbehaftet einordnen ließen. 

Ein konsistentes Ergebnis zeigte sich laut Degner bei allen Studien: Menschen, die offen rassistische oder fremdenfeindliche Einstellungen äußern, neigen auch oft dazu, sich sexistisch, antisemitisch und islamfeindlich zu äußern oder Feindseligkeit gegenüber Homosexuellen, Obdachlosen und Personen mit Behinderung auszudrücken. Häufiger werden also negative Bewertungen gegenüber verschiedenen sozialen Gruppen beobachtet. Weitere signifikante statistische Zusammenhänge sind laut Degner:

  • Menschen, bei denen ein geringerer Intelligenzquotient oder geringere kognitive Fähigkeiten gemessen wurden und/oder die ein niedrigeres Bildungsniveau haben, neigen stärker dazu, negative Einstellungen gegenüber Mitgliedern anderer Gruppen zu äußern; und das vor allem gegenüber ethnischen Minoritäten.
  • Menschen, die geringere Offenheit und Aufgeschlossenheit für neue Erfahrungen aufweisen oder allgemein geringere Verträglichkeit im Sinne von Rücksichtnahme, Kooperationsbereitschaft, und Empathie aufweisen, neigen eher zu generalisierten Vorurteilen als Menschen mit hoher Offenheit und hoher Verträglichkeit.
  • Neigungen zu emotionaler Labilität oder Ängstlichkeit zeigen sich durchweg als nicht mit Vorurteilen assoziiert.

Mögliche Erklärungen für den Zusammenhang

Weiter stellt sich die Frage, wie sich diese in Studien beobachteten Zusammenhänge erklären lassen. Kann eine geringe Intelligenz nun als Ursache für die Entstehung von Vorurteilen gesehen werden? Degner führt verschiedene mögliche Gründe an, weshalb ein Zusammenhang beobachtet werden konnte:

  • Ein schlechterer Zugang zu Bildung kann dazu führen, dass das Bewusstsein für kulturelle Unterschiede, Toleranz und die Vielfältigkeit der Gesellschaft nicht ausreichend geschult wird.
  • Menschen mit geringeren Denkfähigkeiten sind möglicherweise leichter überfordert und fühlen sich von Diversität und Fremdheit bedroht.
  • Ein schlechterer Zugang zu Bildungseinrichtungen kann damit einhergehen, dass Stereotype und Vorurteile nicht hinterfragt und kritisch betrachtet werden. Generell sammeln diese Menschen oft weniger Erfahrungen und Wissen.

All diese möglichen Erklärungen klingen zunächst sehr schlüssig und logisch; jedoch sollte man auch hierbei nicht voreilig pauschalisieren.

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Weshalb Vorurteile bei allen vorkommen können

Spannend zu wissen ist außerdem, dass sich in aktuellen Studien laut Degner zeigt, dass Menschen mit hoher Intelligenz genauso viele und genauso negative Vorurteile hegen wie Menschen mit geringer Intelligenz. Es gibt jedoch einen Unterschied: Die Gruppen, gegenüber denen Vorurteile gehegt werden. So entwickelten Menschen mit einer geringeren Intelligenz vor allem Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten, während die Menschen mit höherer Intelligenz sich eher gegen Konservative, Manager*innen und Großunternehmer*innen, christliche Fundamentalist*innen oder Militärs richteten.

Ähnlich war es mit dem Aspekt der Offenheit. Menschen, die eine geringere Offenheit für neue Erfahrungen hatten, standen Gruppen mit geringem Status und liberalen Normen eher negativ gegenüber. Dahingegen äußerten sich offene Menschen eher negativ gegenüber Gruppen mit hohem Status und konservativen Werten. Es zeigt sich: So gut wie alle Personen neigen dazu, Vorurteile gegenüber Gruppen zu empfinden, die ihnen sehr unähnlich in ihren Werten und Überzeugungen sind. Die Frage ist also weniger, ob man Vorurteile hat, sondern gegen wen sich diese Vorurteile richten.

Allein die Persönlichkeitseigenschaft der allgemeinen Verträglichkeit erlaube laut Degner vorsichtige Vorhersagen. Denn: Wer grundsätzlich kaum irgendjemanden leiden kann, nur wenig kooperationsbereit ist und wenig Empathie für andere aufbringt, empfindet dies in der Regel nicht nur gegenüber Einzelpersonen, sondern auch gegenüber Mitgliedern aller sozialer Gruppen.

Korrelation oder Ursache: Intelligenz als Faktor für Vorurteile

Wichtig zu wissen ist, dass es sich bei den Studien nur um Korrelationen handelt. Der sogenannte statistische Zusammenhang hingegen ist eher gering. Dies bedeutet: Personen mit höherem IQ weisen nur im Mittel geringere Vorurteilswerte auf als Personen mit geringerem IQ; jedoch gibt es auch eine Menge an Personen, die über- oder unterhalb des Mittels sind. Es gibt also auch intelligente Personen, die viele Vorurteile äußern, sowie Personen mit geringerer Intelligenz, die keine Vorurteile äußern.

Die Intelligenz, Offenheit oder Verträglichkeit sind also keine dominanten Ursachen für Vorurteile. Wäre dies so, müssten die Korrelationen deutlich stärker ausfallen. Bildung allein reicht also keinesfalls aus, um Vorurteile vollkommen zu beseitigen. Es spielen viele andere Faktoren, wie der kulturelle Hintergrund, persönliche Erfahrungen und die soziale Umgebung, ebenfalls eine Rolle.

Wie Degner zusammenfassend erklärt, sind es nicht eine hohe oder geringe Intelligenz, Bildung oder Offenheit, die jemanden tolerant oder intolerant werden lassen. Vielmehr liegt es daran, welcher Weltanschauung Menschen zustimmen. Dies wiederum hängt einerseits von ihrer Persönlichkeit, andererseits von ihrer Vorurteilsneigung zusammen.