Trinkgeld geben ist so etwas Alltägliches, dass du vielleicht noch nie darüber nachgedacht hast, was an juristischen und betriebswirtschaftlichen Hintergründen dabei angesprochen wird. Und gerade im Zeitalter der bargeldlosen Kartenzahlung scheint es praktisch, Rechnungen und Trinkgeld in einem Bezahlvorgang zu erledigen. Doch in der Praxis ist es nicht ganz so einfach. Für Servicekräfte und deren Arbeitgeber*innen gibt es einiges zu beachten.

Was ist Trinkgeld überhaupt?

Trinkgeld ist eine freiwillige Leistung, wenn du als Gast zufrieden warst. Eine Pflicht zum Geben von Trinkgeld besteht nicht, wie die Gewerbeordnung (GewO) in § 107 Absatz II Satz 2 klarstellt, auch wenn es sozial sicherlich üblich ist.

Überwiegend wird Trinkgeld als Schenkung von dir direkt an die Servicekraft angesehen. Schenkungsverträge sind nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch prinzipiell notariell zu beurkunden, um Schenker*innen vor übereilter Weggabe von Geld oder Sachen zu schützen, weil sie keine Gegenleistung dafür bekommen. Doch wenn du das Trinkgeld an die Bedienung übereignest, wird dieser Formmangel geheilt und der Vertrag wird wirksam (§ 518 Satz 2 BGB).

Ohne triftigen Grund können Schenker*innen das Trinkgeld daher nicht zurückfordern. Ausnahmen wären etwa bei grobem Undank oder einer nachträglichen Verarmung des Schenkers denkbar, aber wenig wahrscheinlich. Eine Bedienung wird kaum wütend werden, wenn sie ein hohes Trinkgeld bekommt, und die Schenker*innen beleidigen oder körperlich attackieren. Und bei den zu erwartenden Summen an Trinkgeld, die bei 5–10 Prozent des Rechnungsbetrages anfallen, wird ein Vermögensverfall des Schenkers in der Praxis kaum eine Rolle spielen. Eine Ausnahme wären vielleicht Gäste, die extrem hohes Trinkgeld von mehreren hundert Euro (oder sogar mehr) geben, ohne sich das wirklich leisten zu können. Auch erhebliche Trunkenheit könnte wegen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit eine Rückforderung begründen.

Wem steht das Trinkgeld zu?

Prinzipiell steht das Trinkgeld der Servicekraft zu, der du es gibst – nicht dem Inhaber oder der Inhaberin. Doch in vielen Betrieben sind vertragliche Regelungen zwischen Arbeitgeber und Personal üblich, die juristisch nicht unumstritten sind.

Der Grund für die Vorschriften ist, dass selten eine Bedienung allein verantwortlich für die Erfüllung des Vertrags ist und die Zufriedenheit von Gästen eigentlich eine Anerkennung für die Leistung aller Beteiligten wie Thekenpersonal, Küchenmitarbeiter*innen und Servicekräften ist. Aus Gründen der Fairness gibt es daher Betriebe, die das eingenommene Trinkgeld unter allen Mitarbeiter*innen der Schicht aufteilen, in der es erzielt wurde. Denkbar sind auch Regelungen, dass zwischen Getränken und Essen unterschieden wird und das Küchenpersonal prozentual einen angemessenen Anteil des Trinkgelds für seine Umsätze bekommt.

Juristisch nicht ganz so einfach ist die Bewertung dieser Regeln. Denn das Trinkgeld ist ja ein direkter Vertrag zwischen dir als Gast und der Bedienung – wie kommt deren Arbeitgeber*in also dazu, hierüber verfügen zu wollen? Absolut unwirksam sind daher einseitige Regelungen von oben herab, die Arbeitgeber*innen – und vor allem nach Abschluss des Arbeitsvertrages – als Arbeitsanweisung geben wollen. Technisch gesehen wäre dies ein Änderungswunsch in Bezug auf den Arbeitsvertrag; dem müssen Arbeitnehmer*innen aber nicht zustimmen. Gültige Regelungen müssen daher von Anfang an vereinbart worden sein.

Welche steuerlichen Auswirkungen hat das Trinkgeld?

Grundsätzlich hat das Trinkgeld sowohl Auswirkungen auf die Bedienung als auch auf den Betrieb. Trinkgelder sind für die Bedienung nach § 3 Nr. 51 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zunächst einmal steuerfrei. Voraussetzung: Sie müssen direkt an die Empfänger*innen gezahlt worden sein und ohne, dass ein Anspruch darauf bestand. Außerdem setzen sie einen gewissen persönlichen Bezug zwischen Geber*in und Empfänger*in voraus. Entscheidend sind hier immer alle Umstände des Einzelfalles, sodass sich eine pauschale juristische Bewertung verbietet und seitens des Finanzamts durchaus "Überraschungen" drohen können. Steuerfrei erhaltene echte Trinkgelder beeinflussen im Übrigen weder Lohn noch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsgeld, da sie nicht Teil des Lohns geworden sind.

Anders schaut es womöglich bei Verteilungsmodellen aus – denn wenn etwa die Spüler*innen beteiligt werden, die niemals in konkretem Kontakt mit den Gästen waren, dürfte es am geforderten "persönlichen Bezug" für die Steuerfreiheit hapern. Verteilungsmodelle können also für Bedienungen und anderes Personal nachteilig sind, denn in diesem Fall erfasst die Lohnsteuer jeden Cent deines Trinkgeldes an sie.

Ist das Trinkgeld wegen eines Pool-Modells mit Verteilungsregelung und nachträglicher Auszahlung als Lohn zu versteuern, muss der Betrieb dies natürlich korrekt durchführen. Die individuelle Verteilung des Trinkgelds bei schichtbezogenen Modellen ist kompliziert, fehlerbehaftet und verursacht wegen des Aufwands zusätzliche Kosten. Außerdem müssen die Trinkgeldabrechnungen vom Personal kontrolliert werden können – das wiederum bedeutet, dass die entsprechenden Umsätze transparent gemacht werden müssen. Das wollen vielleicht nicht alle Unternehmer*innen.

Kommt das Trinkgeld bei Kartenzahlung auch wirklich an?

Diese wichtige Frage ist in der Praxis nur schwierig zu beantworten – denn: Wen willst du fragen, Chef oder Chefin? Die könnten die Frage selbst schon als Unterstellung unkorrekten Verhaltens werten und beleidigt sein.

Die Bedienung bringst du vielleicht auch in eine unangenehme Situation, denn bei einer negativen Auskunft wirft sie ein schlechtes Licht auf den Betrieb, was wiederum disziplinarische Folgen haben könnte. Im Grunde kannst du nur bei einer gewissen Vertrautheit mit dem Personal in einem geeigneten Moment danach fragen, ob Trinkgelder vom Betrieb weitergeleitet werden.

Zahlst du Trinkgeld per Karte, ist die Frage, wie die Kassen- und Buchführungssoftware des Betriebs damit umgeht. Auch das kannst du als Außenstehende*r nicht beurteilen. In vielen Betrieben ist die Aufbuchung des Trinkgelds bei Kartenzahlung aber problemlos möglich. Jürgen Benad, der Geschäftsführer des Deutscher Hotel- und Gaststättenverbands, erklärt gegenüber STERN, dass das Trinkgeld bei den Beschäftigten auch ankommt: "Oft gibt es einen Trinkgeld-Tronc, in den zunächst alle Trinkgelder fließen. In der Regel werden sie dann nach einem bestimmten Verteilerschlüssel zwischen dem Servicepersonal und den übrigen Beschäftigten aufgeteilt."

Fazit: Ist Barzahlung vielleicht doch besser?

Möchtest du sichergehen, dass dein Trinkgeld genau die Servicekraft erhält, die dich bedient hat, hast du natürlich auch die Möglichkeit, die Rechnung mit Karte zu zahlen und das Trinkgeld in baren Münzen zu geben. So kannst dir sicher sein, dass es auch wirklich dort ankommt, wo es hingehört. Ein weiterer Vorteil der Barzahlung: Dein Lieblingsgastronom wird nicht mit komplizierten Buchungs- und Verteilungsvorgängen belastet und das Trinkgeld ist für deine Bedienung definitiv steuerfrei. Barzahlung hinterlässt im übrigen auch keine Datenspuren.

Hast du dir auch schon einmal die Frage gestellt, ob es erlaubt ist, auf der Straße gefundenes Geld einfach zu behalten? Die Antwort liest du hier. Übrigens ist es nicht verboten, Bargeld zu Hause zu horten - es birgt aber Risiken. Auch deshalb haben wird ungewöhnliche Geld-Verstecke gesammelt: So kannst du Bargeld zu Hause vor Dieben sichern.