Das Rentensystem kämpft um Reformen. Es soll besser werden. Doch jetzt trifft die Senioren in Deutschland eine heftige Millionen-Panne. Die Rentenbeiträge wurden falsch berechnet. Zumindest sieht es so aus. 

Wie die Bild-Zeitung berichtet, hängt der Fehler mit der seit Januar geltenden Beitragserhöhung zur Pflegeversicherung zusammen. Das Problem: Für diese Nachzahlung wurde die Rentenerhöhung zum Juli zugrunde gelegt. Diese Erhöhung spielte aber von Januar bis Juni für die Rentner noch keine Rolle.

Die Rechnung zur Millionen-Panne bei der Rente

Hintergrund: Der Beitrag zur Pflegeversicherung ist im Januar auch für Rentner um 0,2 Prozent von 3,3 auf 3,6 gestiegen. Die Erhöhung wurde aber nicht in den ersten sechs Monaten bereits angerechnet, sondern wurde sollte einmalig im Juli abgeführt werden – Rechnung: Sechs Mal 0,2 Prozent.

Im Bild-Bericht findet sich auch ein entsprechendes Beispiel dazu: 

  • Eigentlich hätte ein Rentner einmalig 1,2 Prozent nachzahlen müssen. Doch gerechnet wurde mit der erhöhten Rente. Heißt: 1,2 Prozent von 2547,80 Euro (statt von 2455,98 Euro). Auch wenn das in diesem Fall nur 1,10 Euro ausmacht, wird laut Bericht unterm Strich wohl eine Summe von etwa 11 Millionen Euro zusammenkommen für alle Senioren. 

Besonders hart trifft es Neurentner, die seit Juni im Ruhestand sind. Sie haben bereits in den ersten fünf Monaten den höheren Beitragssatz vom Lohn abgezogen bekommen und zahlten im Juli nochmal. Gegenüber der Bild-Zeitung gibt eine Sprecherin von Sozialministerin Bärbel Bas an, dass es keine Rückerstattung geben soll.

Was das Bundesministerium für Gesundheit gegenüber inFranken.de dazu sagt

Auch gegenüber inFranken.de bestätigt eine Sprecherin des Bundesministerium für Gesundheit: "Eine Erstattungsregelung sieht die PBAV 2025 nicht vor." (Pflege-Beitragssatz-Anpassungsverordnung 2025)

Zum grundsätzlichen Vorgehen und der Problematik durch die gleichzeitige Beitragsanpassung und Rentenerhöhung im Juli heißt es: "Da alle Rentnerinnen und Rentner in Deutschland im Juli eine Erhöhung ihrer Renten um 3,74 Prozent erhalten haben, kann sich daraus eine geringe Abweichung ergeben (bei einer monatlichen Rente von 1.000 EUR wären dies einmalig 0,45 EUR)". 

War aufgrund fehlender Vorlaufzeit technisch nicht umsetzbar.

Sprecherin des  Bundesministerium für Gesundheit

Und weiter: "Diese Vorgehensweise trägt dem Umstand Rechnung, dass die Deutsche Rentenversicherung eine Anpassung für die rund 22 Millionen Renten, die hiervon betroffen sind, nur in einem automatisierten Auszahlungs- und Bescheidverfahren vornehmen konnte. Eine Beitragssatzanhebung mit differenzierten Beitragssatzhöhen war aufgrund fehlender Vorlaufzeit technisch nicht umsetzbar."

Rückerstattung gefordert für die Rentner in Deutschland

Kritik kommt gerade von Reiner Holznagel, Präsident vom Bund der Steuerzahler. Bei bild.de erklärt er dazu: "Gegenüber den Rentnerinnen und Rentnern ist das nicht fair! Das zuständige Sozialministerium und die Rentenversicherung wären gut beraten, die zu viel gezahlten Pflegebeiträge wiederzuerstatten."

Beim Bundesverband der Rentenberater hatte man die drohende Fehlberechnung schon im Juni im Blick. Damals stellte Thomas Neumann, Präsident des Bundesverbands der Rentenberater, dazu klar: "Zwei versteckte wie vermeidbare Ungerechtigkeiten entstehen hier zu Lasten der Rentnerinnen und Rentner."

Die Experten sprechen bei der Millionen-Panne nicht etwas von einem Rechenfehler, sie bezeichnen es als "Zwangszinsen". 

Gar kein Rechenfehler bei der Rente, sondern Zwangszinsen?

Die beiden Ungerechtigkeiten laut dem Bundesverband:

  • Der einmalige Aufschlag von 1,2 % wird auf die zum 1. Juli 2025 erhöhte Rente erhoben. Das führt zu einer überproportionalen Nachzahlung. Bei der Regelaltersrente nach 45 Beitragsjahren zum Durchschnittsentgelt sind es beispielsweise 79 Cent. Dies entspricht jedoch einem Zinsaufschlag zu Lasten der Beitragszahler in Höhe von 13,3 %. Der Wert errechnet sich aus den Mehrkosten auf Basis der Rentenanpassung zum 1. Juli 2025 in Höhe von 3,74 %, bezogen auf die erzwungene ‚Stundung‘ des Beitrags über ein bis sechs Monate.

Dazu räumt der Bundesverband der Rentenberater auf seiner Internetseite selbst ein, dass die 13,3 Prozent Zwangszinsen "zweifellos eine plakative Überschrift" seien, "wenn es die Eckrentnerin nur mit 79 Cent betrifft". ABER: Der Bundesgerichtshof hätte beim Thema Verbraucherschutz klargestellt, "dass beispielsweise Banken Buchungspostenentgelte in dieser Höhe nicht einfach in Rechnung stellen können". Neumann: "Insofern fehlte zumindest der Politik das Fingerspitzengefühl, den Rentenversicherungsträgern in der Verordnung klare Vorgaben zu machen!"

  • Die zweite Ungerechtigkeit betrifft die oben bereits erwähnten Neurentner. Hierzu heißt es beim Verband: "Wer erst im 1. Halbjahr 2025 in Rente gegangen ist, zahlt ebenfalls die vollen 1,2 % Nachzahlung – selbst wenn der erhöhte PV-Beitrag nur für ein oder zwei Monate ‚gestundet‘ wurde. Eine Neu-Rentnerin mit 2.000 Euro Brutto-Rente im Juni zahlt so rund 25 Euro Nachzahlung, obwohl ihr tatsächlicher Vorteil durch den im Juni noch reduziert gezahlten Beitrag bei nur 4 Euro lag". 

Für Neumann ist klar: "Das ist sachlich nicht gerechtfertigt." Die Lösung laut Bundesverband der Rentenberater: Man hätte die bereits gängige Praxis bei Zusatzbeiträgen zur Krankenversicherung anwenden können. Dort werde eine Beitragserhöhung regelmäßig erst zwei Monate später umgesetzt. Übertragen auf die Pflegeversicherung hätte dies bedeutet, die Erhöhung ab März 2025 zu erheben – ohne Rückwirkung. Bei Rentenneuzugängen hätte der höhere Beitrag zur Pflegeversicherung dann direkt berücksichtigt werden können. UND: Die Verordnung, so heißt es, ließe den beteiligten Stellen hierfür Gestaltungsspielraum.

Es gibt häufig falsche Rentenbescheide

Bereits im Juni hatte inFranken.de über das Problem falscher Rentenbescheide berichtet. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatte mit einem Fakten-Check Meldungen dazu zu widerlegen. 

Auf Nachfrage der Redaktion hatte Rentenberater Christian Lindner für die Darstellungen der DRV wenig Verständnis: "Nicht so ganz nachzuvollziehen ist die Aussage der Rentenversicherung, bei lediglich 0,6 Prozent aller Widersprüche seien Fehler aufgetreten. Da stellt sich schon die Frage: Was versteht die DRV unter einem Fehler?"

Der aktuelle Fehler zeigt, dass es sich lohnt immer eine Prüfung der eigenen Daten durchzuführen – wer auf bestimmte Dinge achtet, bekommt am Ende mehr Geld in der Rente.