Margot Friedländer ist 102 Jahre alt und eine der wenigen noch lebenden Zeitzeugen der Verfolgung und Ermordungen von Jüdinnen und Juden während der Nazi-Zeit. Sie ist trotz ihres hohen Alters noch aktiv: egal ob bei der Deutschen Filmpreisverleihung, anlässlich des 75. Geburtstags des Grundgesetzes oder mit Vorträgen in Schulklassen. Sie ist in ihrer Altersgruppe ab 90 Jahren mit ihrer gesundheitlichen Verfassung eine absolute Ausnahme. 82 % der Menschen, die so alt werden wie sie, sind pflegebedürftig, notiert das Statistische Bundesamt in Wiesbaden. Sie zu versorgen, ist teuer: für sie selbst, für ihre Angehörigen und für die Sozialversicherungssysteme. Wie du für den Fall der Pflege vorsorgen kannst, damit hat sich die Stiftung Warentest in ihrem Report zur Pflegetagegeld-Versicherung beschäftigt. Weil die Materie ausgesprochen komplex ist, empfiehlt es sich, den vollständigen Bericht der Zeitschrift Finanztest zu kaufen (Download-Preis: 4,90 Euro).   

Die Leistungen aus der Pflegeversicherung reichen für die stationäre Pflege nicht

Um die finanziellen Belastungen einer alternden Gesellschaft aufzufangen, entstand die Pflegeversicherung. Sie besteht seit dem 1. Januar 1995 als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung. Es gilt eine Versicherungspflicht für alle gesetzlich und privat Versicherten in einer Krankenassekuranz. Der gesetzliche Beitrag zur Pflegeversicherung liegt seit dem 1. Januar 2024 bei 3,4 % des monatlichen Bruttoeinkommens. Für Kinderlose beträgt er 4 %, weil sie einen Zuschlag von 0,6 % zahlen.

Im Jahr 2022 beliefen sich die Beitragseinnahmen auf eine Summe von rund 57,8 Milliarden Euro. Die Ausgaben lagen im selben Jahr bei rund 60 Milliarden Euro. Trotz des hohen Beitragsaufkommens reicht also die Summe nicht, um alle anfallenden Kosten für die Pflege zu decken. Wie das sein kann, erläutern wir anhand von zwei Beispielen.

Erstes Beispiel dafür sind die Kosten für die stationäre Pflege in einem Heim. Die Pflegeversicherung reicht nicht, um die anfallenden Ausgaben zu decken, die Bewohnerinnen und Bewohner müssen eigene Mittel dazugeben. Bundesweit lag die finanzielle Eigenbeteiligung für Pflegebedürftige in Heimen durchschnittlich am 1.1.2024 im ersten Aufenthaltsjahr bei 2.576 Euro im Monat. Im zweiten Aufenthaltsjahr zahlen Pflegebedürftige aktuell durchschnittlich 2.370 Euro im Monat. Ab dem dritten und vierten Aufenthaltsjahr sinkt der Betrag weiter. Das zeigen Berechnungen des Verbands der Ersatzkassen. Finanztest setzt die Pflegelücke in den Pflegegraden 2 bis 5 mit 1.500 Euro deutlich geringer an. Sie rechnet die Ausgaben für Wohnen und Verpflegung allerdings nicht hinzu. Bei den Kosten für stationäre Pflege gibt es außerdem große regionale Unterschiede. Einen einheitlichen Pauschalpreis für Pflegeheime gibt es nicht.  

Die Finanzierungslücken bei der ambulanten Pflege

Zweites Beispiel: Kosten für die ambulante Pflege. Das meiste Geld, nämlich 37,8 Milliarden Euro (Jahr: 2022) fließt in die ambulante Pflege, und zwar für die mehr als vier Millionen Pflegefälle, die zu Hause wohnen. Die Verbraucherzentrale Niedersachsen und Finanztest schätzen die Deckungslücke für die monatliche professionelle und ambulante häusliche Pflege. Genauere Daten gilt es nicht, deshalb können die Lücken größer oder kleiner ausfallen. Sie setzen dagegen das von der Pflegeversicherung gezahlte Pflegegeld, deren Höhe je nach Pflegegrad schwankt. Der Vergleich führt zu folgenden Zahlen:

  • Pflegegrad 1
  • Pflegegeld der Kasse: 0 Euro
  • Kosten für die professionelle Pflege: 150 Euro

 

  • Pflegegrad 2
  • Pflegegeld der Kasse: 761 Euro
  • Kosten für die professionelle Pflege: 600 Euro  

 

  • Pflegegrad 3
  • Pflegegeld der Kasse: 1.432 Euro
  • Kosten für die professionelle Pflege: 1.300 Euro

 

  • Pflegegrad 4
  • Pflegegeld der Kasse: 1.778 Euro
  • Kosten für die professionelle Pflege: 2.600 Euro

 

  • Pflegegrad 5
  • Pflegegeld der Kasse: 2.200 Euro
  • Kosten für die professionelle Pflege: 2.600 Euro

In der Pflegegrad-Stufe 1,3, 4 und 5 können Beträge auflaufen, die die Pflegekasse nicht übernimmt. Die Pflegebedürftigen zahlen diesen Teil ("Deckungslücke") aus eigenem Einkommen und Vermögen. Ist kein Geld oder anderes Vermögen vorhanden, kann evtl. das Sozialamt einspringen.

Wer schließt die Finanzierungslücke bei der Pflege?

Das Fazit für die Beispielrechnungen für die stationäre und ambulante Pflege ist eindeutig: Die Leistungen aus der Pflegeversicherung reichen oftmals nicht aus, um die Kosten abzudecken. Deshalb stellt sich die Frage: Wie ist die Finanzlücke zu schließen? In jedem Fall sind im ersten Zugriff Eigenleistungen gefragt: Renten, Vermögen, Einnahmen aus Immobilien.

Kann der Pflegebedürftige dieses Geld nicht aufbringen, müssen die unmittelbaren Angehörigen (Kinder) zahlen. Dabei bleibt ein sog. "Schonvermögen" von 10.000 Euro unberücksichtigt. Für den Ehe- oder Lebenspartner gilt der gleiche Betrag. Insgesamt wird also ein Schonvermögen von 20.000 Euro nicht angerechnet. Darüber hinaus sind Kinder, die ein Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro haben, ihren Eltern zum Unterhalt verpflichtet. Das Sozialamt kann sich also in diesem Fall das Geld von den Kindern holen. 

Spätestens an dieser Stelle kommt die private Pflegezusatzversicherung ins Spiel. Sie kann die Deckungslücke verringern oder komplett schließen. Es gibt drei unterschiedliche Modelle: die Pflegetagesgeldversicherung, die Pflegekostenversicherung und die Pflegerentenversicherung.

Pflegetagegeld-Versicherungen gerechnet für zwei Modellkunden

Wie die Modelle funktionieren, erläutert die Verbraucherzentrale Thüringen in einem Informationsflyer. Genauer unter die Lupe genommen hat Finanztest die Pflegetagegeld-Versicherung. Sie deckt Risiken im Alter ab, die die gesetzliche Pflegeversicherung offen lässt: Sind Seniorinnen und Senioren pflegebedürftig, zahlt das Versicherungsunternehmen pro Tag oder Monat einen vorher festgelegten Betrag. 

Die Höhe der Zahlungen ist je nach Pflegegrad unterschiedlich. Das volle Pflegetagegeld erhält der Versicherte oftmals erst ab Pflegegrad 4 oder 5. Bei niedrigerem Pflegegrad wird nur ein im Vertrag festgelegter geringer Anteil ausbezahlt. Das Pflegetagegeld kann der Pflegebedürftige frei nach seinen Vorstellungen verwenden.

Die Stiftung Warentest hat mit zwei Modellkunden das Leistungsniveau von 27 Pflegetagegeldtarifen von 24 Krankenversicherungen genauer untersucht. Um die Leistungen transparent zu machen, schlossen Modellkunden ihre Versicherung mit 55 Jahren ab und investierten monatlich rund 115 bis 125 Euro. Das so entstandene Ranking der Leistungsbilanz ist unterteilt in Zahlungen bei der häuslichen und stationären Pflege.

HanseMerkur bietet das beste Leistungsniveau

Die beste finanzielle Leistung für einen monatlichen Beitrag von 116 Euro bietet die Versicherung HanseMerkur. Bei der häuslichen Pflege sind je nach Pflegegrad immerhin rund 2.800 Euro und bei der stationären Pflege bis zu 2.150 Euro drin. Das dürfte ausreichen, um den Finanzbedarf zu decken. Außerdem schließen die Allianz, DKV und Huk-Coburg mögliche Lücken zu 86 % bis 90 %. Sie bieten damit ebenfalls eine hohe Absicherung.

Hier sind die sieben besten Versicherungen, die gemessen an ihrem durchschnittlichen Leistungsniveau bei häuslicher- und stationärer Pflege in den fünf Pflegegraden, abzüglich evtl. erhobener Beiträge, die besten Leistungen erbringen:

  • Der Leistungssieger
  • HanseMerkur (Modell 1)
  • Häusliche Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 174 Euro und 2.784 Euro
  • Stationäre Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 114 Euro und 2.148 Euro
  • Leistungsniveau: 113 %
  • Tarif: PG (PGA/2900, PGS/2300) 

 

  • Allianz (Modell 1)
  • Häusliche Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 151 Euro und 1.350 Euro
  • Stationäre Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 151 Euro und 1.350 Euro
  • Leistungsniveau: 90 %
  • Tarif: PZTB03/45, PZTA03/43

 

  • DKV (Modell 1)
  • Häusliche Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 378 Euro und 2.358 Euro
  • Stationäre Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 1.533 Euro und 2.358 Euro
  • Leistungsniveau: 86 %
  • Tarif: PTG/55

 

  • Huk-Coburg (Modell 1) 
  • Häusliche Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 150 Euro und 1.300 Euro
  • Stationäre Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 0 Euro und 1.440 Euro
  • Leistungsniveau: 86 %
  • Tarif: PMvario/1555

 

  • VRK (Modell 1)
  • Häusliche Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 150 Euro und 1.375 Euro
  • Stationäre Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 0 Euro und 885 Euro
  • Leistungsniveau: 78 %
  • Tarif: PflegeFlexible/1000

 

  • vigo (Modell 1)
  • Häusliche Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 179 Euro und 1.500 Euro
  • Stationäre Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 179 Euro und 1.500 Euro
  • Leistungsniveau: 78 %
  • Tarif: Düsseldorfer Pflegetabelle PT/50

 

  • LVM (Modell 1)
  • Häusliche Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 197 Euro und 1.560 Euro
  • Stationäre Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 197 Euro und 1.560 Euro
  • Leistungsniveau: 78 %
  • Tarif: PZT-Komfort/52

Modell 1 besagt: Bei ambulanter Pflege steigt die Leistung pro Pflegegrad, stationär sind mindestens die Grade 2 bis 5 gleich abgesichert. Vorgabe bei flexiblen Tarifen: Mindestens bei Pflegegrad 2 bis 4 gibt es 100 % der vereinbarten Leistung. Bei ambulanter Pflege rund 10 % bei Pflegegrad 1, rund ein Drittel bei Pflegegrad 2, 75 % bei Pflegegrad 3 und 100 % bei Pflegegrad 4 und 5.

Fünf Krankenversicherungen bieten insgesamt zu wenig

Das geringste Leistungsniveau bieten folgende fünf Versicherungen:

  • Bayerische Beamtenkasse (Modell 1)
  • Häusliche Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 19 Euro und 1.350 Euro
  • Stationäre Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 19 Euro und 1.350 Euro
  • Leistungsniveau: 62 %
  • Tarif: PflegePrivat Premium Plus/45

 

  • UKV (Modell 1)
  • Häusliche Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 19 Euro und 1.350 Euro
  • Stationäre Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 19 Euro und 1.350 Euro
  • Leistungsniveau: 62 %
  • Tarif: PflegePrivat Premium Plus/45

 

  • Generali (Modell 1)
  • Häusliche Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 19 Euro und 1.350 Euro
  • Stationäre Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 19 Euro und 1.350 Euro
  • Leistungsniveau: 57 %
  • Tarif: PflegePlus/1350

 

  • Mecklenburgische (Modell 1)
  • Häusliche Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 296 Euro und 1.241 Euro
  • Stationäre Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 1.241 Euro und 1.241 Euro
  • Leistungsniveau: 57 %
  • Tarif: ProMe Pflegeplus/45

 

  • SDK (Modell 1)
  • Häusliche Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen -9 Euro* und 1.000 Euro
  • Stationäre Pflege (je nach Pflegegrad) zwischen 891 Euro und 1.000 Euro
  • Leistungsniveau: 55 %
  • Tarif: PG1, PG2, PG3, PG4, PG 5/1000

Modell 1 besagt konkret: Bei ambulanter Pflege steigt die Leistung pro Pflegegrad, stationär sind mindestens die Grade 2 bis 5 gleich abgesichert. Vorgabe bei flexiblen Tarifen: Mindestens bei Pflegegrad 2 bis 4 gibt es 100 % der vereinbarten Leistung. Bei ambulanter Pflege rund 10 % bei Pflegegrad 1, rund ein Drittel bei Pflegegrad 2, 75 % bei Pflegegrad 3 und 100 % bei Pflegegrad 4 und 5.

*Der Minusbetrag entsteht, wenn die Versicherung im Leistungsfall weiter Beiträge verlangt.

Komplexe Materie braucht Beratung

Wie bei jeder Versicherung entscheidet auch in diesem Fall das Kleingedruckte über die Leistungen. Im konkreten Fall hat Finanztest auch Aspekte wie Verzicht auf dreijährige Wartezeit, Leistungen weltweit, Dynamik um die Inflation auszugleichen, Assistenz-Leistungen, Suchterkrankung, Krankenhausaufenthalt, Sonderzahlungen etc. berücksichtigt. Es kann sein, dass die monatlichen Beiträge für die Pflegetagegeld-Versicherung dich überfordern.

Vor einer Kündigung solltest du dich in jedem Fall beraten lassen. Beratung ist insgesamt sehr empfehlenswert, weil Pflegeleistungen zu versichern eine sehr komplexe Materie ist.   

Alles wichtige rund um das Thema Pflege findest du hier: