- Was der Bio-Verband genau fordert und wer sich dahinter überhaupt verbirgt
- Sind Bio-Lebensmittel tatsächlich besser als konventionell angebaute Produkte?
- Was eine Mehrwertsteuer-Senkung insgesamt überhaupt bringen würde
- Die Bundesregierung will tierische Produkte höher besteuern: Ist das sinnvoll?
Würden mehr Bio-Produkte gekauft, wenn diese günstiger wären? Diese Frage stellen sich wohl nicht nur Verbraucher*innen und die Lebensmittelindustrie, sondern auch der Bio-Verband. Dieser fordert eine Mehrwertsteuer-Senkung für Bio-Produkte. Ist das sinnvoll?
Sind biologische Lebensmittel wirklich besser und sollten deshalb geringer besteuert werden?
In einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung fordert die Vorstandsvorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) Tina Andres den Mehrwertsteuersatz für Bio-Produkte zu senken. Die Bundesregierung möchte stattdessen jedoch lieber den bislang ermäßigten Steuersatz auf Lebensmittel für alle tierischen Produkte erhöhen. Dies hält die Vorsitzende des BÖLW jedoch für den falschen Weg. Vielmehr scheint ihr eine Senkung der Mehrwertsteuer für sämtliche Bio-Lebensmittel und die gleichzeitige Erhöhung der Steuer ausschließlich auf konventionelle tierische Produkte die bessere Variante zu sein.
Die Forderung, die ökologische Landwirtschaft auf diesem Weg zu stärken, ist aus Sicht des Bio-Verbandes nachvollziehbar. Immerhin vereint der Spitzenverband der Bio-Branche insgesamt 15 Mitgliedsverbände wie Demeter, Bioland, Reformhaus und andere unter seinem Dach. Diese repräsentieren und zertifizieren rund 35.000 Biobauern und 17.000 Hersteller von biologischen Lebensmitteln. Der Naturkostfach- und Lebensmitteleinzelhandel setzt nach eigenen Angaben mit Bio-Waren aktuell 15,87 Mrd. € um, was jedoch vom Gesamtumsatz aller Lebensmittel in Deutschland nur knapp unter sechs Prozent (2019) ausmacht. Doch jetzt zur Frage, ob Bio-Produkte tatsächlich besser sind als solche aus konventioneller Landwirtschaft.
Dabei sind zwei Aspekte wichtig: 1. Ist der Konsum von Bio-Lebensmitteln für uns im Vergleich zu Nicht-Bio-Produkten gesünder und 2. welche Auswirkungen auf Natur und Umwelt haben die beiden Anbaumethoden? Mit Bezug auf die erste Frage können sich vermutlich die meisten Menschen, die in den vergangenen Jahren zum Beispiel die Diskussion um das Pflanzengift Glyphosat verfolgt haben, selbst eine Meinung bilden. Ob nun dieses oder auch andere Gifte, welche Tiere und Pflanzen töten, ist es zumindest sehr unwahrscheinlich, dass die permanente Aufnahme über unsere Nahrungsmittel uns nicht schadet.
Warum sind Bio-Produkte oft teurer?
Es mag richtig sein, wenn konventionell wirtschaftende Bauern sagen, die Schadstoffmenge pro Lebensmittel sei zu gering, um uns zu schädigen. Doch wir essen ja nicht nur einen Apfel oder 100 Gramm Gemüse oder Fleisch am Tag, sondern ein Vielfaches davon und das dann über viele Jahre. Dazu kommen auch noch die Schäden für die Natur. Man denke dabei an das Bienen- und Insektensterben der vergangenen Jahre. Hunderte von Tierarten sind schon durch die menschlichen Gifte ausgerottet worden.
Die eingesetzten Spritz- und Düngemittel belasten unser Grundwasser. Die Monokulturen der konventionellen Landwirtschaft sind nicht nur unnatürlich und bieten vielen Tieren keinen Lebensraum mehr, sondern sind auch anfälliger in Bezug auf Parasiten und Extremwetter. Dazu kommt noch der Einsatz von Kunstdüngern, durch deren Herstellung die Entstehung von enormen Mengen des klimaschädlichen CO2-Gases verursacht wird. Aber die ökologische Bio-Landwirtschaft steht nicht nur in diesen Punkten viel besser, weil umweltschonender, da, sondern auch in Bezug auf das Tierwohl.
Schweine und Rinder werden hier auch nicht in regelrechten Tierfabriken zu Tausenden gehalten, bekommen keine Schwänze abgeschnitten oder Hörner abgesägt. Vielmehr dürfen sich die Tiere meist im Freien aufhalten und bekommen hochwertiges Futter. Viele weitere Vorteile in Bezug auf das Tierwohl wären hier zu nennen. Allerdings unterscheiden sich die Haltungsbedingungen und auch generell die Güteklassen der Bio-Lebensmittel je nach Zertifizierung. Das einfache EU-Bio-Label stellt an die Landwirte längst nicht so hohe Ansprüche, wie zum Beispiel an die zertifizierten und häufig überwachten Demeter- oder Bioland-Bauern. Deshalb sind deren Produkte auch deutlich teurer als die nach allgemeinem EU-Standard produzierten. Zusammenfassend kann man also sagen, dass Bio-Produkte im Hinblick auf unsere Gesundheit sowie den Umwelt- und Naturschutz eindeutige Vorteile bieten, die jedoch auch ihren Preis haben.
Mehrwertsteuer rauf oder runter: Was von von der Forderung des Bio-Verbandes zu halten ist
Das Argument des Bio-Verbandes für eine Senkung der Mehrwertsteuer lautet also: Biologisch angebaute Lebensmittel sind einerseits für den Menschen gesünder und leisten andererseits einen aktiven Beitrag zum Natur- und Umweltschutz. Zudem werden Tiere in der ökologischen Landwirtschaft meist artgerechter gehalten und ernährt. Deshalb sind auf diese schonende Weise hergestellte Lebensmittel besonders wertvoll und damit auch förderungswürdig. Das kann durch eine Absenkung der Mehrwertsteuer geschehen, da somit die Produkte für noch mehr Verbraucher und Verbraucherinnen attraktiv werden.
Buchtipp: 'Vegetarische und vegane Ernährung' - jetzt ansehenDemgegenüber, so zumindest der BÖLW, sollte die Mehrwertsteuer für alle Produkte aus konventioneller Landwirtschaft sogar erhöht werden. Die Absicht der Bundesregierung besteht jedoch darin, grundsätzlich alle tierischen Lebensmittel zu verteuern, und zwar unabhängig davon, aus welcher Anbaumethode diese stammen. Hier lautet das Argument: Die Haltung von Tieren verursacht erhebliche Umweltschäden, die durch den Anfall von riesigen Mengen an Gülle sowie auch dadurch entstehen, dass zunächst einmal das Futter für die Tiere angebaut werden muss. Diese Ackerflächen stehen dann nicht mehr für die Produktion von Getreide sowie Obst und Gemüse zur Verfügung, da für die Herstellung von einem Kilo Fleisch zwischen sieben und zwölf Kilo Getreide eingesetzt werden müssen. Zudem werden dafür enorme Energiemengen verbraucht. Der Ökonom Dr. Tobias Gaugler hat einmal errechnet, dass die Energieaufnahme über tierischen Produkte für den Menschen eine ähnlich niedrige Effizienz (Verhältnis von Aufwand zu Nutzen) habe, wie bei unserer früheren Glühbirne: 5 %. Somit geht mit der Tierhaltung ein riesiger Ressourcen- und Energieverbrauch einher, der zudem die Umwelt in extrem hohen Maße schädigt. Gleichzeitig sind die Kosten für tierische Lebensmittel schon seit Jahren auf einem extremen Tiefstand. Somit scheint der Vorschlag der Bundesregierung nicht ganz unbegründet zu sein, auf solche Produkte eine höhere Steuer zu erheben.
Die höheren Preise sollen dann die Verbraucher und Verbraucherinnen dazu anhalten, weniger tierische Nahrungsmittel zu konsumieren. Die höheren Steuereinnahmen könnten dann zur Beseitigung von Umweltschäden verwendet werden. Die Biobranche möchte das für ihre Produkte jedoch nicht gelten lassen, da sie ja grundsätzlich umweltfreundlicher produziere. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass auch bei ökologischer Tierhaltung das Problem des enormen Flächen- und Ressourcenverbrauchs entsteht. Auch wäre zu fragen, ob gerade die Senkung oder Erhöhung der bei Lebensmitteln ja ohnehin niedrigen Mehrwertsteuer einen sinnvollen Kaufanreiz setzt. Und ob beispielsweise eine Absenkung der Steuer um fünf Prozent gerade bei Bio-Produkten, die oftmals zwischen 30 und teilweise sogar mehr als 100 Prozent teurer als konventionelle Produkte sind, für Verbraucher und Verbraucherinnen wirklich kaufentscheidend ist, darf dahingestellt bleiben. Womöglich ergäbe sich der größte Effekt für Mensch und Umwelt sogar dadurch, dass die Regierung durch höhere Mehrwertsteuer-Einnahmen die Kosten für eine Aufklärungskampagne zu biologischer und vegetarisch/veganer Kost finanzieren könnte.
*Hinweis: In der Redaktion sind wir immer auf der Suche nach nützlichen Produkten für unsere Leser. Es handelt sich bei den in diesem Artikel bereitgestellten und mit einem Einkaufswagen-Symbol beziehungsweise einem Sternchen gekennzeichneten Links um sogenannte Affiliate-Links/Werbelinks. Wenn du auf einen dieser Links klickst bzw. darüber einkaufst, bekommen wir eine Provision vom Händler. Für dich ändert sich dadurch nichts am Preis. Unsere redaktionelle Berichterstattung ist grundsätzlich unabhängig vom Bestehen oder der Höhe einer Provision.