Die Not der Krankenkassen ist groß. Die Anbieter kämpfen mit einem drohenden 12-Milliarden-Finanzloch. Mögliche Lösungen werden heiß diskutiert. Bundeskanzler Friedrich Merz hat zuletzt mit einem harten Plan die Versicherten ins Visier genommen. Jetzt weist ein Krankenkassen-Chef auf ein besonderes Problem hin.

Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker-Krankenkasse rückt die Pharmaindustrie in den Fokus. Der Grund: Auch hier geht es um viel Geld. Nicht nur im Interview mit "Die Zeit" weist er darauf hin, dass die Arzneimittelhersteller zu den Gewinnern im System zählen. Es bräuchte demnach "eine Lösung für die steigenden Arzneimittelpreise."

Krise bei den Krankenkassen, aber die Pharmaindustrie kassiert ab

Und Baas wird konkreter: "Kurzfristig müsste die Regierung die Hersteller verpflichten, den gesetzlichen Kassen wieder höhere Rabatte zu geben." Bereits in einem Beitrag der ZDF-Sendung WISO zur Kassen-Krise machte der TK-Chef auf das Problem aufmerksam.

Baas damals: "Wer gut verdient muss man sagen, ist die Pharmaindustrie. Da muss man unterscheiden zwischen Originalpräparaten und sogenannten Nachahmerpräparaten." Bei den Nachahmerpräparaten, so erklärte er es, würde man inzwischen nicht mehr "besonders gut" verdienen. Baas: "Wir haben dort vor einigen Jahren Rabatt-Verträge eingeführt. Was vorher 100 Euro gekostet hat, hat danach noch fünf Euro gekostet." 

Wo die Hersteller allerdings ihre Geldgewinnen machen würden, sei bei den Originalprodukten. Hier gibt es die speziellen Verträge nicht. Baas: "Hier brauchen wir faire Verhandlungen." 

"Arzneimittel keine besonderen Kostentreiber"

Auf Nachfrage von inFranken.de hat sich der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland (vfa) zum Thema geäußert. Klare Aussage: "Die GKV muss endlich sauber finanziert werden: Wer ein klares Bild über die Kosten hat, wird sehen, dass Arzneimittel keine besonderen Kostentreiber sind und es keine besondere 'Dynamik' gibt."

Der Anteil der pharmazeutischen Industrie (Herstelleranteil) an den GKV-Leistungsausgaben liege demnach seit Jahren stabil bei zwölf Prozent. Das Wachstum der Arzneimittelausgaben lag 2024 laut dem Verband "unter der Entwicklung der GKV-Gesamtausgaben". Der vfa weist in seiner Antwort darauf hin, dass Vorbeugen unterm Strich günstiger sei, als heilen.

Heißt: "Um den steigenden Anforderungen an das Gesundheitssystem zu begegnen, muss ein deutlich stärkerer Fokus auf die Prävention und Früherkennung gelegt werden." Nur rund 3 Prozent der GKV-Ausgaben würden auf die Prävention entfallen – obwohl, so heißt es, "viele chronische Erkrankungen oder schwere Verläufe durch frühzeitige Intervention vermeidbar wären". Der Sprecher des vfa erklärt: "Impfungen, Vorsorge und Gesundheitsförderung senken langfristig die Kosten. Prävention muss deshalb systematisch in die GKV integriert werden – mit klaren politischen Rahmenbedingungen und Zielen."

Staat muss Krankenkassen die Kosten den Bürgergeldempfänger abnehmen

Wie auch Jens Baas selbst, sieht auch der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland einen großen Hebel zur Verbesserung bei der Bundesregierung: "Die GKV trägt aktuell gesamtgesellschaftliche Aufgaben, wie etwa Leistungen für Familien oder auch GKV-Beiträge von Bürgergeldbeziehern. Kosten dieser Art sollten eigentlich aus Steuermitteln finanziert werden sollten."

Eine vollständige Steuerfinanzierung allein der GKV-Beiträge von Bürgergeldbeziehern würde die GKV, laut vfa um bis zu 10 Mrd. Euro jährlich entlasten.

Der TK-Chef hatte zuletzt mit deutlichen Worten Finanzminister Lars Klingbeil attackiert und genau diesen Vorwurf angebracht: "Allerdings unterschlagen Sie das winzige Detail, dass unsere Versicherten und ihre Arbeitgeber jedes Jahr allein schon 10 Milliarden Euro für die Versicherung von Bürgergeld-Empfängern aufbringen müssen! Eine Aufgabe, die unzweifelhaft in Ihr Ressort und von Steuern finanziert gehört."

Krankenkassen: 42 Milliarden Euro sparen mit Digitalisierung

Vom Verband der forschenden Pharma-Unternehmen kommt gegenüber unserer Redaktion auch ein Vorschlag, der dem Gesundheitswesens bis zu 42 Milliarden Euro sparen könnte: Die Digitalisierung. 

Wie genau? "Ein digitales Gesundheitssystem mit einer funktionierenden elektronischen Patientenakte vermeidet etwa Doppeluntersuchungen innerhalb kurzer Zeit bei Beschwerden"

Zudem würde es die Kommunikation verbessern, die Falschmedikation vermeiden und Behandlungspfade, etwa bei Chronikern optimieren.