Mitten in der finanziellen Krise der Krankenkassen muss sich jetzt ein Anbieter auch noch mit einem Betrugsskandal beschäftigen. Wie die KKH Kaufmännische Krankenkasse in einer Pressemitteilung schreibt, ist im vergangenen Jahr der bislang größte registrierte Schaden durch Abrechnungsbetrug entstanden - 5,4 Millionen Euro.
Eine Summe die besonders auch auf die Beiträge der Versicherten eine Auswirkung hat. Emil Penkov, Chefermittler bei der KKH erklärt dazu: "Diese illegal erschlichenen Gelder fehlen in der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Versicherten und können sich daneben auch auf die Höhe der Kassenbeiträge auswirken."
Krankenkasse besonders durch Betrug im ambulanten Pflegedienste betroffen
Der größte Teil der Gelder entfällt dabei laut Angaben der KKH auf ambulante Pflegedienste. Hier wurden mit diversen Betrugsmaschen mehr als 4,1 Millionen Euro ergaunert. Bundesweit, so heißt es weiter, seien beim KKH-Ermittlerteam 479 neue Hinweise auf mögliches Fehlverhalten im Gesundheitswesen eingegangen. Dabei war alles dabei von gefälschten Rezepten für teure Medikamente über den Missbrauch von Gesundheitskarten und abgerechnete Behandlungen, die frei erfunden sind, bis hin zu erschlichenen Krankengeldzahlungen.
- Betrugsfälle in der ambulanten Pflege: 270
- Fälle mit Physiotherapiepraxen: 62 Fälle
- Betrug durch Arztpraxen: 21 Fälle
Die Versicherung weist darauf hin, dass hinter diesen nackten Zahlen durchaus "tragische Schicksale" stecken. Die Folge des Betrugs sind "gepanschte Medikamente für schwerkranke Patienten" oder die "Betreuung von Pflegebedürftigen durch Personen, die ohne entsprechende Qualifikation Ernährungssonden setzen". Diese Dinge sind lebensbedrohlich.
GKV-Spitzenverband
Auf Nachfrage von inFranken.de beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen GKV heißt es zum aktuellen Betrugsfall: "Der GKV-Spitzenverband hat seinen siebten Bericht zum Fehlverhalten im Gesundheitswesen am Anfang des Jahres auf die Situation aufmerksam gemacht."
Weiter heißt es: "Wir haben in unserem Positionspapier klare Forderungen zum Reformbedarf an die Bundesregierung gestellt."
Unter dem Titel "Schäden durch Fehlverhalten im Gesundheitswesen so hoch wie nie" erklärt Dr. Martin Krasney, Vorstand des GKV Spitzenverbandes: "Dreistellige Millionenbeträge, die durch Fehlverhalten im Gesundheitswesen verloren gehen, fehlen zugleich für die medizinische und pflegerische Versorgung der Menschen."
Schadenssumme für Kassen in Deutschland bei rund 18,5 Milliarden Euro
Blickt man auf die Zahlen für 2022 und 2023, dann geht hier laut der Mitteilung "der Schaden zulasten der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung durch Abrechnungsbetrug mit mehr als 200 Millionen Euro auf einen neuen Höchststand".
Die Dunkelziffer würde einer internationalen Studie zufolge bei 6,19 Prozent der jährlichen Gesundheitsausgaben liegen. Damit geht es um eine Schadenssumme von rund 18,5 Milliarden Euro allein in Deutschland.
Ermittler Penkov: "Es sind immer nur einige wenige eines Berufsstandes, die durch Betrug und Korruption teils skrupellos Gelder abzweigen und dadurch ehrliche Leistungserbringer in Misskredit bringen." Der Betrug wird häufig durch Abrechnung nicht erbrachter Leistungen (161 Mal) umgesetzt. Dazu kommen Einsatz von unqualifizierten Personals (139) und Abrechnung ohne Zulassung oder Genehmigung (69). Und so verteilen sich die Betrugssummen:
- Ambulanten Pflegedienste: 4,1 Millionen Euro
- Apotheken: 500.000 Euro
- Krankenhäuser 365.000 Euro
Die KKH konnte bisher fast eine halbe Million Euro erfolgreich zurückfordern
Krankenkasse setzt auf KI im Kampf gegen den Betrug
Für die Zukunft setzt man bei der Kaufmännische Krankenkasse auf die Hilfe von KI. Hierzu erklärt Emil Penkov: "Es reicht nicht, wenn die Fehlverhaltensstellen der Krankenkassen quasi zu Fuß einzelnen Hinweisen auf Abrechnungsbetrug nachgehen. Wir müssen das Dunkelfeld proaktiv erhellen. KI-Algorithmen können Betrugsstrukturen und Fälle aus dem großen Pool an Abrechnungsdaten aller Kassen herausfiltern und zentral für alle Ermittler bereitstellen."
Ergänzende Vorschriften seien im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz zwar vorgesehen, wurden demnach bislang aber nur selten in neue Regelungen umgesetzt.
Die Forderung der KKH ist daher klar: "Umso wichtiger ist es, dass zeitnah die betreffenden Vorschriften zur besseren Fehlverhaltensbekämpfung und Prävention mittels KI-Einsatzes nachgeholt werden".