- Die zwei Arten von Praktika
- Medizinstudentin klagt erfolglos bis zum Bundesarbeitsgericht
- Mehr Wertschätzung als früher
- So sieht das durchschnittliche Praktikum in Deutschland aus
- Einblick in die Branche
- So sieht der Wunsch-Praktikant aus
Eigentlich eine gute Neuigkeit für die 'Generation Praktikum': Die Zeit der langen und unbezahlten Praktika und billigen Arbeitskräfte soll vorbei sein. Aber ganz so stimmt das dann doch nicht. Tatsächlich haben mit der Einführung des Mindestlohns seit 2015 viele Praktikant*innen einen Anspruch auf eine Vergütung. Sie profitieren davon, wenn im Herbst diese Vergütung auf 12 Euro steigt, aktuell liegt er bei 9,82 Euro (§ 22 Mindestlohngesetz, MiLoG) brutto pro Stunde. Aber es gibt nicht wenige Praktikanten, die leer ausgehen.
Die zwei Arten von Praktika
Es gibt zwei Arten von Praktikum, Pflicht und Kür. Besser formuliert: Ist das Praktikum Pflicht, weil von der Schule oder der Hochschule vorgeschrieben oder ist es freiwillig und geht auf den eigenen Wunsch zurück. Diese Unterscheidung ist wichtig, entscheidet sie doch darüber, ob du ein Praktikumsgehalt bekommst oder du auch zum Nulltarif arbeiten musst (manchmal zahlt der Betrieb trotzdem und freiwillig). Ein Pflichtpraktikum ist von Schule oder Hochschule vorgeschrieben, ist in der Prüfungsordnung festgelegt.
Praktikanten bei einer freiwilligen Tätigkeit im Betrieb, deren Tätigkeit über drei Monate in Vollzeit hinausgeht, erhalten rund 1.571 Euro brutto im Monat bei einer 40-Stunden-Woche und 160-Stunden im Monat. Gerade kleinere Unternehmen wollen nichts oder weniger zahlen und bieten daher nur Praktika unter drei Monaten an. Der eigentliche Zweck des Mindestlohns, Arbeit angemessen zu bezahlen, ist bei Praktikanten nur bedingt erfüllt. Trotzdem: Der Mindestlohn ist ein Quantensprung für Praktikanten, bedenkt man, dass Praktikanten vor 2015 je nach Größe der Firma in der Regel zwischen 400 und 800 Euro brutto verdient haben.
Es gibt sie also doch noch, die unentgeltlichen Praktika, die zumeist im Rahmen des Studiums absolviert werden. Doch auch wenn Pflichtpraktikanten keinen gesetzlichen Vergütungsanspruch haben, so kann trotzdem der Arbeitgeber den Einsatz eines jungen Menschen finanziell entlohnen. Ein Entgelt-Verbot gibt es jedenfalls nicht.
Medizinstudentin klagt erfolglos bis zum Bundesarbeitsgericht
Dass es für Pflichtpraktika keine Entlohnung gibt, bestätigte jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt einer Medizinstudentin. Die Richter des fünften Senats bekräftigten, dass ihr für ein sechsmonatiges vorgeschriebenes Praktikum zur Zulassung zum Studium, kein gesetzlicher Mindestlohn zusteht (BAG vom 19.1.2022, Az.: 5 AZR 217/21).
Der gesetzlich festgelegte Ausschluss vom Mindestlohn gilt danach nicht nur für Praktika während einer schulischen oder universitären Ausbildung, sondern auch für Vorpraktika, die zur Zulassung eines Studiums notwendig sind. Im Streitfall wollte die Klägerin an einer privaten, staatlich anerkannten Hochschule Medizin studieren.
Für die Zulassung zum Studium sah die Studienordnung unter anderem einen sechsmonatigen Krankenpflegedienst vor. Die Klägerin absolvierte deshalb ein Praktikum in einer Krankenpflegestation einer Klinik in Trier. Eine Vergütung erhielt sie für ihre Arbeit nicht. Bedeutungslos ist, dass es sich um private Hochschule handelte.
Mehr Wertschätzung als früher
Inzwischen haben sich die veränderten Praktikumsregeln in den Betrieben eingespielt. Und die Betroffenen finden sie eigentlich gar nicht so schlecht, wie der jährliche Praktikantenspiegel von CLEVIS-Consult zeigt (der jetzt FUTURE TALENTS REPORT heißt). Seit 2010 befragt das Unternehmen jährlich Praktikanten zu ihren Arbeitgeber*innen und ihren Erfahrungen. Rund 5.000 Praktikanten aus 300 Betrieben bewerteten 2021 ihren Arbeitgeber und gab ihre Meinung zu Protokoll.
Insgesamt zeichnet der Praktikantenspiegel ein zufriedenes Bild der Lernenden mit ihren Arbeitgebern und den absolvierten Praktika. Die allgemeine Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber*innen fällt mit über 80 Prozent ausgesprochen hoch aus. Obwohl über 45 Prozent der befragten Praktikanten regelmäßig Überstunden leisten, zeigen sie sich dennoch zufrieden mit der Balance zwischen Arbeit und Freizeit.
"Dem Praktikum und somit auch den Praktikanten wird viel mehr Wertschätzung entgegengebracht. Das zeigt sich allein durch die hohe Zufriedenheit der Praktikanten mit der Aufgabengestaltung", berichtet Kristina Bierer, Studienleiterin des CLEVIS Praktikantenspiegels.
Und so sieht das durchschnittliche Praktikum in Deutschland aus...
- Das durchschnittliche Praktikum dauert etwa fünf Monate.
- Durchschnittlich erhalten Praktikanten pro Monat 1.067,59 Euro.
- 92 % der Praktika werden vergütet.
- 32 Prozent absolvieren ein Pflichtpraktikum meistens während des Studiums.
- Über ein Drittel zieht wegen der ersten Betriebserfahrungen sogar um.
- Jeder Sechste geht deswegen ins Ausland.
- Erfolgsfaktoren Praktikum: 95 Prozent haben ein Onboarding erhalten.
- Wichtig ist, dass die Führungskräfte Wertschätzung zeigen, aktiv kommunizieren und selber Begeisterung zeigen.
- 82 Prozent würden ihren Praktikumsplatz weiterempfehlen.
Einblick in die Branche
Einen 'großen Einsatz' im Praktikum zu zeigen, ist für fast allen Praktikanten selbstverständlich, da sie im Gegenzug viel von der praktischen Erfahrung für sich profitieren möchten. "Ich bin überzeugt, dass ich in dem Unternehmen viel lernen kann", wird als der wichtigste Grund genannt, ein Praktikum zu absolvieren.
Als zweithäufigster Grund sind die Einblicke in eine Branche. Durch ein Praktikum erhoffen sich die befragten Teilnehmer*innen, eine bestimmte Branche besser kennenzulernen und dadurch eine Orientierung für ihr Studium bzw. ihre weitere Karriere zu erhalten. Jens Plinke, Leiter Personalmarketing & Employer Branding beim Wirtschaftsprüfer Deloitte berichtet: "Hier wird dafür gesorgt, dass die Praktikanten verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen, sich weiterentwickeln können und spannende Einblicke in ihr jeweiliges Aufgabenfeld bekommen."
An dritter Stelle steht der karrierebezogene Anreiz. So wollen viele Praktikanten vom Namen des Unternehmens profitieren, denn ein Praktikum bei einem prestigeträchtigen Unternehmen wertet den Lebenslauf auf. 'Der Name des Unternehmens macht sich gut im Lebenslauf'. Die Bewerber passen ihr Praktikum teilweise gezielt für ihre geplante Karriereentwicklung an und überlegen sich im Vorfeld, wie sie die praktische Erfahrung nutzen können.
Das erwarten die Betriebe
Erstaunlich: Personaler beklagen einen Praktikantenmangel. Dieser geht nach Aussagen der Personalverantwortlichen jedoch nicht auf zu wenig Bewerbungen oder Interessenten zurück, sondern auf die Qualität der Bewerbungen. Wobei die Ansprüche an Praktikanten gestiegen sind, weil Praktika eine inhaltliche Aufwertung erfahren haben. So wird Praktikant*innen zusehend mehr Verantwortung übertragen. Dafür erwarten die Personalverantwortlichen meist schon sehr viel von den angehenden Talenten und vergessen dabei, dass die Bewerber erst am Anfang ihres Berufslebens stehen. Die drei Hauptprobleme aus der Sicht von Personalverantwortlichen auf dem Praktikantenmarkt sind:
- Härterer Kampf um Talente durch Konkurrenz mit anderen Arbeitgebern.
- Die Bewerbungen weisen eine schlechte Qualität auf.
- Die Bewerber erfüllen die hohen Anforderungen nicht.
Befragt man Unternehmen danach, welche Qualifikationen ihr Wunsch-Praktikant haben soll, werden übereinstimmend persönliche sowie soziale Kompetenzen genannt. Je nach Stelle sind natürlich die fachlichen Qualifikationen nicht zu unterschätzen. Auch Kenntnisse in Microsoft Office werden erwartet.