- Kommt die Abschaffung der staatlichen Förderung bei den PV-Anlagen?
- Anstatt die PV-Förderung abzuschaffen, sollte es besser einen vollständigen Smart-Meter-Rollout geben
- Worum geht es eigentlich bei der garantierten Vergütung?
- Gutachten soll das Rollback der Energiewende unterfüttern
- Will das Energieministerium nur den Stillstand bei der Energiewende verwalten?
Es bahnt sich erneut ein handfester Streit in der Regierungskoalition zur Energiepolitik an. Wirtschafts- und Energieministerin, Katherina Reiche (CDU) plant als ersten Schritt, die staatliche Förderung kleiner und neuer Solaranlagen einzustellen. Sie hält die Förderung privater Solaranlagen für überflüssig.
Kommt die Abschaffung bei den PV-Anlagen?
Die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Katherina Reiche, hat als ersten Schritt für die Neuausrichtung der Energiewende die Abschaffung der Förderung für neue und kleine PV-Anlagen gefordert. Zentrales Argument von Reiche: "Neue kleine PV-Anlagen rechnen sich schon heute im Markt und bedürfen keiner Förderung."
Ob sie damit Balkonkraftwerke oder nur die kleinen PV-Anlagen auf den Dächern meint, ließ sie allerdings im Interview mit der Augsburger Allgemeinen offen. An der Einspeisevergütung für bereits montierte Solaranlagen will das Wirtschaftsministerium mit Hinweis auf den Bestandsschutz allerdings nicht rütteln. Es geht also erst einmal nur um Neuanlagen. Ansonsten droht eine Klageflut der PV-Anlagen-Besitzer.
Prompt wies Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, die Forderung mit Hinweis auf den Koalitionsvertrag zurück. Es sei nicht abgemacht, die Solarenergieförderung in Teilen einzustellen. "Ganz im Gegenteil: Die Koalition hat sich darauf verständigt, private Haushalte zu Akteuren der eigenen Energieversorgung zu machen", betont die SPD-Politikerin auf ihrer Abgeordneten-Internetseite.
Anstatt die PV-Förderung abzuschaffen, sollte es besser einen vollständigen Smart-Meter-Rollout geben
Die Grünen rufen gar zum Widerstand gegen die Kürzungspläne von Reiche auf. "Die Freunde der dezentralen Energiewende in Bürgerhand müssen jetzt aufstehen, egal ob Kommunen, Unternehmen, Landwirte und Klimaschützer", sagt der stellvertretende Grünen-Chef Sven Giegold, ebenfalls in der Augsburger Allgemeinen. PV-Anlagen auf Dächern seien die umweltfreundlichste Form, um Energie zu erzeugen. "Die Politik von Katherina Reiche hat viele Verlierer."
Und der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) sieht die gesetzlich vorgegebenen Klima- und Ausbauziele sogar gefährdet. Statt über Streichungen nachzudenken, brauche es vielmehr verlässliche Investitionsbedingungen in allen Photovoltaik-Marktsegmenten. Dazu zähle auch eine Förderung für Solarstrom, der nicht selbst verbraucht werde, erklärte der BSW-Solar. Nach einer Umfrage unter Solarinstallateuren würden sich lediglich vier von zehn Kunden ohne eine Förderung noch eine Solarstromanlage im Heimsegment anschaffen.
Philipp Schröder, der CEO des Cleantech-Startups 1Komma5Grad fordert in seiner Stellungnahme, aus der der Nachrichtensender ntv zitiert, eine "ernst gemeinte Qualitätsoffensive" der Politik: "Bevor wir die Einspeisevergütung abschaffen, brauchen wir zuerst eine Systemmodernisierung für mehr Digitalisierung und bessere Prozesse: der flächendeckende Smart-Meter-Rollout, einfache Abstimmungen mit Verteilnetzbetreibern und klare Marktkommunikationsregeln sind dafür grundlegend. Solange Prozesse haken und Daten nicht zuverlässig ausgetauscht werden, gibt es keine verlässliche Basis für die Umstellung der Förderung."
Worum geht es eigentlich bei der garantierten Vergütung?
Wer mit einer eigenen PV-Anlage Strom produziert, bekommt bisher eine gesetzlich garantierte Vergütung für jede Kilowattstunde Strom, die er ins Netz einspeist. Für PV-Besitzer, die einen Teil des produzierten Stroms selbst verwenden, sind das aktuell 7,86 Cent/kWh (Teileinspeisung) bei einer maximalen Anlagenleistung von Zehn-Kilowatt-Peak. Ziel der Förderung: Den Zubau erneuerbarer Energien durch private Haushalte beschleunigen.
1Komma5Grad hat nachgerechnet, wie viel Euro dem Neukunden durch den Vorschlag-Reiche entgehen würden, und das Ergebnis in einer Pressemitteilung mitgeteilt. Eine gewöhnliche Zehn-Kilowatt-Peak-Solaranlage produziert etwa 10.000 kWh Strom im Jahr. Ohne zusätzliche Komponenten wie Batterie oder Steuerung werden in der Regel 70 % bis 80 % davon ins Netz eingespeist. Würde die Einspeisevergütung wegfallen, müssten Kunden auf 550 Euro bis knapp 630 Euro pro Jahr verzichten.
Auf die Mindestlebensdauer einer PV-Anlage von 20 Jahren entspricht das zwischen 11.000 Euro und 12.500 Euro an Einnahmen aus der Stromeinspeisung, die PV-Anlagen-Besitzern bei Wegfall der Förderung verloren gehen.
Gutachten soll das Rollback der Energiewende unterfüttern
Solar-Energieexperten spekulieren darüber, dass Ministerin Reiche die Position der Stromkonzerne wie E.ON und RWE übernimmt (E.ON war der ehemalige Arbeitgeber von Katharina Reiche, bevor sie ins Amt der Ministerin kam). Die beiden mächtigen Konzerne hatten in einem neunseitigen gemeinsamen Positionspapier zum Start der neuen Regierung gefordert, Ökostromerzeugern keine fixe Einspeisevergütung mehr zu zahlen.
Wörtlich heißt es im Positionspapier: "Fixe Einspeisevergütung für alle Neuanlagen im EEG abschaffen und durch eigene Vermarktung ersetzen, keine Vergütung in Stunden mit negativen Strompreisen."
Um die notwendigen Argumente für den Kurswechsel bei der Energiewende zu beschaffen, hat das Energieministerium ein Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnisse Ende August 2025 vorliegen sollen.
Will das Energieministerium nur den Stillstand und die Stagnation verwalten?
Dabei geht es um nichts Geringeres als die "Neuausrichtung der Energiepolitik", wie ntv berichtet. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat die Leistungsbeschreibung für das Gutachten aus dem Reiche-Ministerium veröffentlicht und ausgewertet.
DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner beschreibt seinen Eindruck nach der Lektüre so: "Katherina Reiche hat ideologische Scheuklappen auf: Anstatt Innovationen und die Erneuerung des Wirtschaftsstandorts in Schlüsselbereichen voranzubringen, möchte sie offenbar Stillstand und Stagnation verwalten."
Dazu passt, dass das Gutachten vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI) erstellt wird. LobbyControl berichtet in seiner Lobby-Pedia, dass das Institut durch die Energiekonzerne E.ON und RWE gefördert wird. Man darf gespannt sein, was der Bundesministerin Katherina Reiche noch alles einfällt, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu unterlaufen.