- Was führte 1973 zur Ölpreiskrise?
- Welche Maßnahmen wurden damals getroffen?
- Hatten diese Auswirkungen?
- Könnten diese Maßnahmen heute auch helfen und was würden sie bringen?
1973 bestimmte der Schock über die Ölpreise das Leben. Benzin, Diesel und Heizöl wurden so teuer wie noch nie. Infolgedessen wurden Maßnahmen beschlossen, um den Verbrauch zu senken. Was führte zu dieser Preiserhöhung und wie wollte man den Verbraucher entlasten? Und wie kann man Parallelen zur heutigen Preisentwicklung ziehen?
Wie kam es zu dem Ölpreisschock?
1973. In Westdeutschland hatte das Wirtschaftswunder für den Aufschwung gesorgt, billiges Öl war mit Hauptantrieb für Wachstum. Doch plötzlich änderte sich alles. Die Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC) drosselte die Fördermengen massiv. Das führte zu Preissteigerungen im Rohöleinkauf und damit auch an den Tankstellen. Binnen kürzester Zeit sprang der Preis für Diesel von (umgerechnet) 23 auf 36 Cent je Liter. Das hört sich im ersten Moment immer noch günstig an, wenn man jedoch bedenkt, dass der Monatslohn zu dieser Zeit im Durchschnitt bei (umgerechnet) 875 Euro lag, erkennt man die Problematik. Doch warum geschah das? Was steckte hinter dieser Maßnahme der OPEC? War es reine Gier der Ölförderländer oder muss man doch etwas genauer hinsehen?
1967 eroberte Israel im Rahmen des Sechstagekriegs die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen und besetzte den Gaza-Streifen, das Westjordanland und Ost-Jerusalem und geriet dadurch international zunehmend unter Druck. Die arabischen Länder, denen Israel seit der Gründung ein Dorn im Auge war, forderten einen Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten. Nach dem Tod des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdul-Nassar, dem Erzfeind Israels, fühlten sich die Israeliten unter Golda Meir wieder sicher. Ein Angebot des neuen ägyptischen Präsidenten Anwar as Sadat, der sich zu einem Friedensvertrag bereit erklärte, wurde abgelehnt. Dies verschärfte die Stimmung im Nahen Osten und so beschlossen Ägypten und Syrien einen gemeinsamen Angriff auf Israel. Am 6. Oktober 1973, zu Yom Kippur, dem heiligsten Feiertag der Israeliten, fielen Ägypter und Syrer in Israel ein. Doch Israel wehrte sich entschieden und stand mit seinen Truppen nur drei Wochen später 100 Kilometer vor Kairo und 60 Kilometer vor Damaskus. Allerdings waren die arabischen Staaten noch lange nicht geschlagen und benutzen eine anderes viel stärkeres Druckmittel als ihre Truppen - das Erdöl. Am 17. Oktober 1973 beschloss die OPEC als Reaktion auf den als Yom-Kippur-Krieg bezeichneten Konflikt eine Reduktion des Ölangebots um 5 Prozent gegenüber dem Niveau vom September 1973.
Da die OPEC zu dieser Zeit den Großteil des Ölmarktes unter ihrer Kontrolle hatte, hatte dies weitreichende Folgen. Diese Reduzierung sollte so lange bestehen bleiben, bis die von Israel besetzten Gebiete befreit und die "Rechte des palästinensischen Volkes" wiederhergestellt waren. Die USA und die Niederlande traf, da sie als Freunde Israels galten, sogar ein Boykott. Gleichzeitig war die mit dem Boykott einhergehende Erhöhung des Ölpreises aber auch eine Reaktion auf die Inflation und den Verfall des Dollars. Die OPEC erhoffte sich durch die höheren Ölpreise die ständig steigenden Kosten für Anlagen und Waren, die sie in den Industriestaaten kauften, wieder hereinzuholen. Die Auswirkungen waren dramatisch. Der Ölpreis schoss sofort in die Höhe. Deutschland, welches dreiviertel des benötigten Erdöls importierte, bezog davon 55 Prozent aus den arabischen Ländern.
Folgen und Maßnahmen
Bis zu diesem Zeitpunkt galten die globalen Energiereserven der Industrieländer quasi als unerschöpflich, doch jetzt zeigte sich, dass die Reserven in der Bundesrepublik Deutschland gerade mal für drei Monate reichten. Und das auch nur bei sparsamstem Verbrauch. Das plötzliche Embargo löste einen Schock in der Bevölkerung aus. Politiker befürchteten eine Krise ungeahnten Ausmaßes, Ökonomen prognostizierten das Ende von Wachstum und Wohlstand und Zeitungen schürten mit immer schlimmeren Überschriften die Angst in der Bevölkerung zusätzlich. Am 19. November 1973 beschloss die Bundesregierung unter Kanzler Willy Brandt als Sofortmaßnahme die Einführung von vier autofreien Sonntagen und ein generelles Tempolimit von 100 Km/h auf den Autobahnen, um möglichst viel Erdöl einsparen zu können. Die Strafen für das Übertreten des Verbotes auf den Autobahnen wurden, nachdem am ersten autofreien Sonntag bei den intensiv durchgeführten Kontrollen rund 1300 Autofahrer angehalten worden waren, von 80 auf 500 D-Mark erhöht. Dieses Verbot betraf alleine in der BRD rund 13 Millionen Autofahrer, Ausnahmen gab es beispielsweise nur für Taxis oder Ärzte. Auch in den Nachbarländern galten ähnliche Regeln. Als die EU-Außenminister in einer Nahost-Erklärung, der sich auch Japan anschloss, Israel zur Räumung der besetzten Gebiete aufforderte, lockerte die OPEC das Embargo und erhöhte die Förderung wieder. Allerdings blieben die Preise weiter auf hohem Niveau, für das Barrel Öl hatte sich der Preis bei Jahresende fast vervierfacht.
Die Auswirkungen waren katastrophal. Durch die gestiegenen Energiepreise stürzte die Konjunktur ab, rezessive Tendenzen waren zu erkennen. Die Wirtschaft schlitterte in eine Stagflation, das heißt, die Preise stiegen, obwohl die Wirtschaft stagnierte, die Weltwirtschaft geriet in die schwerste Krise seit den 30-er Jahren. Die Zeit der Vollbeschäftigung in Deutschland war vorbei, die Arbeitslosigkeit stieg gewaltig. Weitere Folgen:
- Von 1973 bis 1974 stieg der Preis für ein Barrel Erdöl trotz der Dollarentwertung um 172,2 Prozent von 82,20 DM auf 223,87 DM. Die Bundesrepublik musste 1974 für ihre Öl-Importe knapp 23 Milliarden DM ausgeben - eine Steigerung um 152,7 Prozent gegenüber 1973.
- Die Arbeitslosigkeit stieg auf 2,6 Prozent (1974) und 4,8 Prozent (1975), als 1.047.000 Arbeitslose registriert waren (zum Vergleich 1973: 273.000). Gleichzeitig fiel die Zahl der "Gastarbeiter" von 2.493.000 im Jahre 1973 auf 2.039.000 im September 1975.
- Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im gleichen Zeitraum von 5,3 Prozent (1972) auf 0,4 Prozent (1974) bzw. -1,8 Prozent (1975).
- Die Inflationsrate zeigte 1974 dagegen mit 7 Prozent den gleichen Wert wie 1973. Erst 1975 verlangsamte sich Inflation auf 6 Prozent.
Parallelen zur jetzigen Lage - würden die Maßnahmen von damals helfen?
Wie schon 1973 ist der Auslöser für den gestiegenen Ölpreis in erster Linie in einem Konflikt mehrerer Länder zu finden. Und wie 1973 ist die Lage Deutschlands durchaus vergleichbar. War es damals die starke Abhängigkeit von der OPEC, so ist es momentan die von Russland. So bezieht Deutschland rund 40 Prozent des benötigten Öls von dort. Da die OPEC an ihren aktuellen Fördermengen festhält, ist auch hier mit einer Entspannung nicht zu rechnen. Ein weiterer Faktor ist auch die Lage durch die Corona-Pandemie, die immer noch viele Häfen und auch Transportmöglichkeiten teilweise außer Betrieb setzt.
Was kann man also tun? Da die Menge an Rohöl sich in absehbarer Zeit kaum erhöhen wird und die Preise auf dem Weltmarkt zurzeit nur nach oben gehen, ist die einzige Möglichkeit, Energie einzusparen, um mit dem vorhandenen möglichst lange auszukommen. Die Deutsche Umwelthilfe fordert, neben Greenpeace und anderen Gruppen, daher ein temporäres Tempolimit, um einen Einspareffekt wie 1973 zu erzielen. Laut Berechnung der DUH würden ein Tempolimit von 100 km/h generell auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und 30 km/h innerorts für die Dauer der Krise Einsparungen in Höhe von 3,7 Milliarden Liter Sprit und 9,2 Millionen Tonnen CO2 erzielen. Doch welche realen Auswirkungen hätte ein solches Tempolimit? Während im Jahr 1973 der ermittelte Durchschnittsverbrauch über alle PKW gerechnet bei rund 17 Litern je 100 Kilometern lag, betrug er 1991 noch 11 Liter, aktuell liegt er bei (gemittelt) 7,4 Litern. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Verbrauchswerte zur damaligen Zeit durch das Tempolimit eher verbessert wurden, als es bei den modernen Motoren der Fall sein könnte. Sicher ist, dass durch ein solches Tempolimit generell der Verbrauch gesenkt werden kann, je nach Modell um bis zu 25 Prozent. Welches Tempo jetzt allerdings wirklich optimal oder zielführend ist, da fehlen scheinbar aktuell noch Berechnungen. Auch wie ein solches Tempolimit umgesetzt oder kontrolliert werden soll, ist momentan nicht klar. Einbezogen werden muss auch, dass sich der Fahrzeugbestand von rund 13 Millionen PKW (Bundesrepublik Deutschland) im Jahr 1973 auf über 48 Millionen im Jahr 2020 erhöht hat.
Greenpeace geht sogar noch weiter. In einem 10 Punkte Programm werden Maßnahmen aufgelistet, die den Verbrauch von Öl senken sollen. Dazu gehören neben einem Tempolimit auch die Beibehaltung der Möglichkeit von Home-Office, der Verzicht auf Freizeitfahrten von über 20 Kilometern auch ein Sonntagsfahrverbot. Insgesamt, so Greenpeace, könnte damit der Ölbedarf in Deutschland um bis zu 12 Prozent sinken. Die Bundesregierung hält sich zu diesem Thema noch bedeckt, doch ist damit zu rechnen, dass sich der Bundestag früher oder später mit diesen Maßnahmen befassen muss. Ob und was dann am Ende für den Verbraucher rauskommt, das muss abgewartet werden. Übrigens: Auch wenn viele eine Senkung der Steuern auf Kraftstoffe fordern, war dies bisher nie ein Thema. Weder bei den Ölkrisen 1973 noch 1979 wurden die Steuern gesenkt. Es ist also davon auszugehen, dass dies jetzt, wenn überhaupt, höchstens zögerlich geschehen wird.