- Was sind Minusstunden und was zählt dazu?
- Nachweis von Minusstunden
- Sind Minusstunden vom Gehalt abzuziehen?
- Sind Minusstunden mit Urlaub zu verrechnen?
- Schwangerschaft hat besondere Regeln
Flexible Arbeitszeiten sind ein Fortschritt – für Arbeitnehmer und für Arbeitgeber. Das setzt allerdings klare Arbeitszeitregeln und eine technisch einfach zu bedienende Technik voraus. Das Prinzip der Erfassung ist einfach: Wer weniger als vertraglich vereinbart arbeitet, sammelt Minusstunden. Wer mehr arbeitet, sammelt Plusstunden auf seinem persönlichen Arbeitszeitkonto. Es gibt allerdings einige Feinheiten und besondere Situationen im Arbeitsleben (Kündigung, Schwangerschaft, Ausbildung etc.), in denen spezielle Lösungen notwendig sind. Wie sind die Minus- und Plusstunden bei einer Kündigung zu behandeln? Sind Minusstunden mit dem Urlaub zu verrechnen? Wir geben einen Überblick über die kniffligen Fragen.
Was sind Minusstunden und was zählt dazu?
Minusstunden sind im Arbeitsrecht die Zeiten, die von der vertraglich festgelegten Arbeitszeit (üblicherweise 40 oder 35 Stunden) abweichen und weniger gearbeitet werden. Sind beispielsweise 40 Wochenstunden vereinbart, der Arbeitnehmer hat aber nur 36 Stunden gearbeitet, zählt das als vier Minusstunden auf seinem Konto. Die Bezeichnung für Minusstunden ist unterschiedlich. Manchmal heißen sie Mindeststunden oder Unterstunden. Das Gegenteil sind Überstunden (Mehrarbeit). Es ist möglich, beide Teilkonten miteinander zu verrechnen.
Voraussetzung für die Stundenregistrierung ist ein persönliches Arbeitszeitkonto. Ohne Konto gibt es kein Minus und kein Plus. Gibt es in der Firma, in der du arbeitest, keine Arbeitszeitkonten, ist es schwierig, Minus- oder Plusstunden unstrittig zu erfassen. In einigen Fällen ist eine "Selbsterfassung der Arbeitszeit" vorgesehen, bei anderen gibt es Vertrauensarbeitszeit. Bei dieser Variante gleichst du eine längere Pause oder einen früheren Feierabend einfach selber aus, indem du an einem anderen Tag länger arbeitest. Nicht alle Methoden der Arbeitszeiterfassung sind erlaubt. So hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg einer radiologischen Praxis verboten, ein System mit einem Fingerabdruck-Scanner zu verwenden (LAG, Urteil vom 4.6.2020, Az.: 10 Sa 2130/19).
Nur wenn Beschäftigte weniger arbeiten und dies selbst zu verantworten haben, ist diese Zeit als Minus zu verbuchen. Das kann folgende Gründe haben: Du beginnst die Arbeit verspätet, du willst früher gehen, du überziehst die Mittagspause oder private Termine (zum Beispiel ein Arzttermin, Besuch beim Amt oder andere Besorgungen) liegen in der Arbeitszeit. Krankheit oder ein Feiertag sind keine Minusstunden. Ebenfalls nicht der Erholungsurlaub, angeordnete Fortbildungen oder genehmigter Bildungsurlaub. Geht die Weiterbildung auf deine Initiative und Interessen zurück und fallen Stunden während der regulären Arbeitszeit an, kann es sein, dass du die Zeit nacharbeiten musst.
Nachweis von Minusstunden
Eine pauschale gesetzliche Regelung, beispielsweise im Arbeitszeitgesetz (ArbZG), wie viele Minusstunden erlaubt sind, gibt es nicht. Entscheidend ist, was im Arbeits- oder Tarifvertrag steht. Gibt es keine Regelung, sind Minusstunden streng genommen eigentlich gar nicht möglich. Arbeitest du weniger als im Arbeitsvertrag vorgesehen, dann ist das ein Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten. Mögliche Folgen: Abmahnung oder Gehaltskürzung.
Der Arbeitgeber kann die Zahl der zulässigen Minusstunden vorübergehend erhöhen, um den Mitarbeitern mehr Flexibilität (Krankheit der Kinder oder Angehörigen, Kita ist vorübergehend geschlossen) einzuräumen. In der Vereinbarung zum Arbeitszeitkonto legt der Arbeitgeber fest, wie viele Minusstunden möglich sind. Hast du ein Negativsaldo, musst du durch Überstunden – meist ebenfalls in einem festgelegten Zeitraum – ausgleichen. Minusstunden verfallen nicht.
Wie sind Minusstunden nachzuweisen? Minusstunden und Mehrarbeit sind rechtssicher nur zu erfassen, wenn das Unternehmen die Arbeitszeit über ein Zeiterfassungssystem protokolliert und ein Arbeitszeitkonto führt. Du musst dem Arbeitszeitkonto zustimmen – entweder durch einen Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag mit einem entsprechenden Passus. Nicht zu empfehlen sind Tricks beim Erfassungssystem. Ein Mitarbeiter einer Großmetzgerei musste sogar nach 25-Dienstjahren gehen, weil er seine Arbeits- und Pausenzeiten nicht richtig erfasste (Hessisches LAG, Urteil von 17.2.2014, Az.: 16 Sa 1299/13). Eine Kontrolle durch den Arbeitgeber ergab, dass der Kläger in 1,5 Monaten Pausen von insgesamt mehr als 3,5 Stunden gemacht hatte, ohne sich an- und abzumelden. Die Zeiten waren bezahlt worden.
Sind Minusstunden vom Gehalt abzuziehen?
In erster Linie müssen Arbeitnehmer Minusstunden innerhalb eines festgelegten Zeitraums durch Mehrarbeit (Überstunden) ausgleichen. Der Arbeitgeber darf den Gegenwert von Minusstunden erst dann vom Entgelt abziehen, wenn die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter gegen die vertraglich festgelegten Vereinbarungen verstößt. Beispiele dafür sind: Es fallen mehr Minusstunden an, als erlaubt sind. Die Minusstunden sind nicht innerhalb des Ausgleichszeitraums nachgearbeitet. Was zählt nicht als Minusstunden? Minusstunden fallen nicht an, wenn der Arbeitgeber eine geringere Arbeitszeit für den Betrieb oder Abteilungen anordnet, weil er beispielsweise keine Arbeit hat. Andere Fälle können ein Stromausfall oder eine Betriebsunterbrechung durch defekte Maschinen sein.
Minusstunden bei Kündigung: Kündigt der Arbeitnehmer oder wird ihm gekündigt, muss er vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses seine Minusstunden durch Überstunden ausgleichen. Machst du das nicht, darf der Arbeitgeber die fehlenden Stunden mit dem letzten Gehalt verrechnen. Ist kein Arbeitszeitkonto vereinbart, darf der Arbeitgeber keine Gehaltskürzungen vornehmen.
Wie mit deinen Plusstunden nach einer ordentlichen fristgemäßen Kündigung zu verfahren ist, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder kannst du die Überstunden abfeiern. In diesem Fall erhältst du einen Freizeitausgleich für die geleisteten Überstunden und du kannst zumindest teilweise die Zeit bis zum Ende der Kündigungsfrist mit Überstunden überbrücken. Oder du lässt dir die Überstunden auszahlen. Das heißt, du erhältst einen finanziellen Ausgleich für deine Überstunden. Ist nichts anderes vereinbart worden, gilt der reguläre Stundensatz auch bei Überstunden. Bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung ist ein Freizeitausgleich für erbrachte Überstunden nicht möglich, da das Arbeitsverhältnis mit Zugang oder Erhalt der fristlosen Kündigung endet. Es gibt also keine Kündigungsfrist, die sich mit Überstunden überbrücken lässt. Daher gilt für jede fristlose Kündigung: Überstunden sind durch den Arbeitgeber auszubezahlen.
Sind Minusstunden mit Urlaub zu verrechnen?
Minusstunden mit Urlaub verrechnen: Eine Verrechnung von Minusstunden mit Urlaub oder Resturlaub ist nicht möglich – weder bei einer Kündigung, noch zum Jahresende, um das Arbeitszeitkonto auszugleichen.
Das Arbeitsrecht begründet dies so: Urlaub ist nur für eine zukünftige Zeit zu gewähren, nicht rückwirkend. Bedeutet konkret: Da Minusstunden bereits angefallen sind, sind sie nicht im Nachhinein als Urlaub zu deklarieren. Das hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil: BAG vom 9.6.1998, Az.: 9 AZR 43/97) entschieden.
Minus- und Plusstunden von Azubis: Grundsätzlich sind für Auszubildende keine Überstunden vorgesehen. Wenn in Ausnahmefällen Mehrarbeit vom Azubi zu leisten ist, muss diese der Ausbildung dienlich und eine ausbildungsbeauftragte Person anwesend sein. Für Überstunden während der Ausbildung muss ein angemessener Ausgleich erfolgen, entweder in Form einer Bezahlung oder durch Freizeit. Minusstunden in der Ausbildung sind nicht zulässig. Der Azubi ist im Betrieb, um zu lernen und hat das Recht, die tägliche Arbeitszeit dort zu verbringen. Selbst wenn der Betrieb den Azubi nach Hause schickt, ist das eine bezahlte Freistellung.
Schwangerschaft hat besondere Regeln
Minusstunden vor dem Mutterschutz: Für die Zeit einer Schwangerschaft und im Mutterschutz gibt es einige spezielle Regelungen zu Minusstunden und Arbeitszeiten. Generell gilt: Schwangere dürfen maximal 8,5 Stunden am Tag, beziehungsweise 90 Stunden in zwei aufeinander folgenden Wochen arbeiten. Das regelt § 4 Mutterschutzgesetz (MuSchG). Während des Mutterschutzes in den sechs Wochen vor der geplanten und acht Wochen nach der erfolgten Geburt tritt das Beschäftigungsverbot in Kraft.
Fallen in der Zeit vor dem Mutterschutz Minusstunden an, werden diese genauso gehandhabt wie im Fall einer Kündigung. Sie sind mit dem Entgelt zu verrechnen, wenn ein nicht ausgeglichenes Arbeitszeitkonto bis zum Beginn des Mutterschutzes vorliegt.
Mit einer Ausnahme: Das MuSchG regelt in § 23 Abs. 1, dass Minusstunden während der Schwangerschaft nicht durch Vorsorgeuntersuchungen entstehen dürfen. Werdende Mütter muss der Arbeitgeber freistellen. Hat der Mutterschutz einmal begonnen, sind in dieser Zeit keine Minusstunden auszugleichen.