Die Nase, die bei jeder Lüge ein Stück länger wird: diesen "Pinocchio-Effekt" wünschen sich viele Arbeitnehmer für ihre Chefs, wenn sie unwahre Angaben zur Stelle, zu den Entwicklungsperspektiven in der Firma oder zum Einkommen machen. Was bei Online-Datingportalen und in sozialen Netzwerken relativ häufig vorkommt, nämlich vorzugeben, etwas zu sein, was man nicht ist, stößt auch in der Arbeitswelt negativ auf. Wie sind die Erfahrungen der Deutschen mit "Company Catfishing"?

Bei den Überstunden und vielen Stellenbeschreibungen wird gelogen

Wenn Arbeitgeber vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind, um beispielsweise qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber für sich zu gewinnen, nennen Personaler das "Company Catfishing" (Catfishing: Vortäuschen falscher Tatsachen). Dass sich diese Taktik auf die spätere Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung nicht unbedingt positiv auswirkt, ist wohl offensichtlich. Eine Umfrage der Jobplattform Monster in Eschborn in Zusammenarbeit mit dem Umfrageinstitut YouGov Deutschland hat jetzt mehr Information zum "Company Catfishing" präsentiert. Das überraschende Ergebnis: 32 % der Befragten haben im Bewerbungsverfahren schlechte Erfahrungen gemacht. Mit falschen Informationen wurden sie in den Job gelockt. Vieles erwies sich mit der Realität nicht vereinbar. An welchen Punkten stellen sich Unternehmen gerne besser dar, als sie es eigentlich sind? Am häufigsten flunkern Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren und bei den Überstunden. Das sind die heiklen Themen, bei denen Arbeitgeber nicht immer bei der Wahrheit bleiben:

  • Work-Life-Balance (11 %)
  • Stellenbeschreibung (11 %)
  • Teamkultur bzw. Führungsstil (11 %)
  • Karriere- bzw. Aufstiegschancen (9 %)
  • Gehaltsschritte (9 %) 

Weniger häufig, aber immer noch zu oft versuchen Unternehmen zudem zu verschleiern, dass sie bei der räumlichen und technischen Ausstattung (5 %) sowie bei den im Unternehmen möglichen Arbeitszeitmodellen hinterherhinken (7 %). Weitere 6 % der Beschäftigten mussten schon einmal unwahre Angaben zu Benefits, Boni und Provisionen verarbeiten.

Bei Frauen sind die Betriebe vorsichtiger

7 % haben außerdem erlebt, dass die im Bewerbungsverfahren versprochenen Werte des Unternehmens, wie zum Beispiel Diversität, Inklusion und Nachhaltigkeit, nicht mit der tatsächlichen Arbeitskultur übereinstimmen.

Überraschenderweise sind es Männer, die häufiger von Unwahrheiten im Bewerbungsverfahren erzählen. Insgesamt 36 % der männlichen Befragten gaben an, schon einmal von einem Unternehmen falsche Angaben zur Stelle oder der Unternehmenskultur erhalten zu haben. Bei den Frauen waren es 29%.

Was regionale Unterschiede betrifft, scheinen vor allem Arbeitgebende in Berlin besonders häufig zu flunkern. In der Tendenz gaben etwas mehr als die Hälfte der Befragten aus Berlin an, schon einmal im Bewerbungsverfahren belogen worden zu sein. Zum Vergleich: In Bayern sind es lediglich 31 %.

So reagieren Beschäftigte auf Company Catfishing

Mitarbeiter erkennen in der Regel schnell, falls Informationen manipuliert oder unvollständig sind. Für 27 % der Befragten sind irreführende Aussagen im Bewerbungsverfahren ein absolutes No-Go. Frauen (28,8 %) sind dabei ungehaltener als Männer (24,6 %). Sie treten das Arbeitsverhältnis sogar nicht an und/oder suchen einen anderen Job, wenn sich während des Bewerbungsprozesses oder nach Antritt der neuen Stelle herausstellt, dass die Angaben nicht der Wahrheit entsprechen.

Rund ein Drittel der Arbeitnehmer (32 %) sind tolerant und finden die eine oder andere Unwahrheit über den neuen Job und das neue Unternehmen gar nicht so schlimm. Voraussetzung ist allerdings, dass ihnen der Job ansonsten gefällt. Das sagen 34 % der Frauen und 31 % der Männer. Sie würden sich erst einmal damit abfinden, wenn die im Vorhinein versprochenen Aspekte nicht mit der Realität übereinstimmen. Den perfekten Arbeitsplatz gibt es ohnehin nicht, meinen die Befragten.

19 % entscheiden sich darüber hinaus für einen Mittelweg und suchen bei falschen Versprechungen bzw. Falschdarstellungen das Gespräch mit der Personalabteilung oder dem Management. Sie wollen die Sache nicht einfach aussitzen oder vergessen, sondern ansprechen, um die Sache aufzuklären. Bei den Männern würden dies knapp 20 % machen.

Warum Unternehmen Company Catfishing unbedingt vermeiden sollten

Unwahrheiten oder Täuschungsversuche können dem Ansehen eines Unternehmens erheblich schaden. "Unternehmen, die Catfishing betreiben, stellen sich selbst ein Bein", meint Laetitia Boidevaix, Head of Marketing DACH bei Monster Germany. Jobinteressierte haben keinen Einblick in das Unternehmen. Sie können letztlich nicht beurteilen, wie es mit Punkten wie Work-Life-Balance, Hierarchien, Aufgabengebiete, Gehaltsschritte, Unternehmenskultur und Karriereperspektiven konkret aussieht. Lügen der Unternehmen sind auf die Schnelle nicht zu entlarven.

Ungenaue oder gar falsche Informationen führen schnell zu Frustration und Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern. Das wirkt sich dann negativ auf die Mitarbeiterbindung und das Image des Unternehmens aus. Der größte Fehler mit Blick auf eine nachhaltige Arbeitgebermarke ist es jedoch, vorzutäuschen, Menschen seien das Wertvollste und man kümmere sich um ihre Bedürfnisse, wenn das der Realität nicht entspricht.

"Wenn Unternehmen stattdessen transparent und ehrlich Informationen über die Arbeitsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten kommunizieren, fördert dies nicht nur eine positive Unternehmenskultur, sondern hilft auch dabei, talentierte Fachkräfte anzuziehen und Mitarbeiterbeziehungen langfristig zu pflegen", meint Laetitia Boidevaix.