• Total faul und wollen nicht: Was ist dran an dem Mythos der Totalverweigerer?
  • Bürgergeld kostet zu viel: Bürgergeld wird überall und leicht gewährt
  • Alles nur für andere: Wie hoch ist der tatsächliche Ausländeranteil?

Das Bürgergeld sollte es besser machen als das vorherige System Hartz IV. Auch in der Bezeichnung der Grundsicherung wollte die Reform des SGB II-Gesetzbuches sich bürgernäher zeigen. Eine Sozialleistung, die alle Bürger in Deutschland in einer finanziellen Notlage in Anspruch nehmen können. Die Reform von Hartz IV trat zum 1. Januar 2023 in Kraft. In der öffentlichen Debatte wurde das Bürgergeld seitdem immer von vielen Mythen, Befürchtungen und Vorurteilen begleitet.

Mythos 1: Arbeit lohnt sich nicht mehr

Ein häufig gehörter Vorwurf über das Bürgergeld lautet: Empfänger von Bürgergeld hätten netto mehr Geld zur Verfügung als ein Arbeitnehmer mit Mindestlohn. Es fehlten deswegen die Anreize für Menschen, die erwerbslos seien, sich eine Arbeit zu suchen. 

Faktencheck

  • In der Bürgergeld-Reform wurden gezielte Anreize für die Aufnahme einer Arbeit geschaffen. Dazu gehören zum Beispiel Anreize für Qualifizierung und Weiterbildung oder auch für eine Ausbildung. Die Jobcenter verfügen über viele Förderinstrumente, sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber, um eine Arbeitsaufnahme zu unterstützen. 
  • Wer Bürgergeld bezieht, muss sich regelmäßig beim Jobcenter melden und an Terminen teilnehmen. Bei Verstößen sind Kürzungen bis zu 30 % des Regelbedarfs möglich. Verschärfungen von Sanktionen sind in Einzelfällen möglich. 
  • Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung hat herausgefunden, dass Alleinstehende, die in Vollzeit zum Mindestlohn arbeiten (Stand 2026), pro Monat ein um 532 Euro höheres Nettoeinkommen haben als alleinstehende Bürgergeldempfänger.

Mythos 2: Zu viele Ausländer bekommen Bürgergeld

Dieser Mythos ist keine "Wahrheit", sondern eine Frage der Einschätzung bzw. der Einordnung. Das Vorurteil lautet: Es würden überproportional viele Ausländer und Geflüchtete Bürgergeld, damit dem deutschen Staat auf der Tasche liegen und die Sozialausgaben in die Höhe treiben bzw. Sozialtourismus betreiben. 

Faktencheck

  • Laut Correctiv beziehen besitzen mehr als die Hälfte der Bürgergeld-Empfänger in Deutschland eine deutsche Staatsangehörigkeit. Die Zahl der Bezieher mit nicht-deutschem Pass liegt bei unter 50 Prozent
  • Die Zahlen zu den Bürgergeld-Beziehern mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit sind sogar öffentlich im Statistik-Portal der Arbeitsagentur zugänglich. Du kannst dort nach deiner Region filtern. 
  • Bei dieser Behauptung spielt auch der Kontext eine Rolle. Oftmals wird etwa die statistische Angabe "62 Prozent haben Migrationshintergrund" genannt – ohne zu erklären, was darunter fällt. Denn dazu gehören auch Menschen, die schon lange in Deutschland leben und keinen Fluchthintergrund besitzen bzw. die womöglich eine doppelte Staatsangehörigkeit haben.  
  • Außerdem gilt: Wer Bürgergeld beanspruchen möchte, muss seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Wer sich länger als sechs Wochen außerhalb Deutschlands aufhält, verliert seinen Anspruch auf Bürgergeld. Ein Bezug im Ausland ist grundsätzlich ausgeschlossen. 
  • Sozialverbände, wie zum Beispiel die Caritas, betonen, dass das Bürgergeld als Teil der Sicherung des Existenzminimums funktioniert und dieses nicht nach Herkunft differenziert werden darf.
  • Asylbewerber bekommen kein Bürgergeld. Sie erhalten Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Mythos 3: Bürgergeld wird überall und leicht gewährt

Die Beantragung von Bürgergeld sei zu einfach und wird schnell und großzügig gewährt. Es würde nicht ausreichend geprüft, wer Bürgergeld bekommen kann, und überhaupt würden auch viel zu hohe Mieten übernommen werden.  

Faktencheck

  • Wer Bürgergeld erhält, muss nach den gesetzlichen Vorgaben hilfebedürftig sein und muss bereits sogenannte vorrangige Leistungen ausgeschöpft haben. Das heißt: vorhandenes Einkommen oder verwertbares Vermögen muss zunächst verwendet werden. Dieses wird mit Freibeträgen auf die Leistungsberechnung angerechnet. Außerdem werden Leistungen wie Familiengeld oder Sozialgeld vorher geprüft.
  • Wenn die Miete für die Wohnung, in der die Antragssteller bereits vor Antragsstellung leben, zu hoch ist, gilt aktuell eine Karenzzeit bei zu hohen Unterkunfts- bzw. Heizkosten. Das bedeutet, für ein Jahr dürfen die Mietkosten, die über den Angemessenheitsgrenzen liegen, zunächst übernommen werden.  
  • Je nach Mietenspiegel in Städten und der Verfügbarkeit von Wohnraum (Knappheit) können, werden die sogenannten "Kosten der Unterkunft" (KDU) in "in angemessener Höhe" übernommen. Diese regional unterschiedlichen Grenzen sind bei deinem Jobcenter in deinem Ort nachzufragen.

Mythos 4: Bürgergeldbeziehende leben in Luxus

Ein weiterer Mythos lautet, dass Bürgergeld-Empfänger regelrecht im Luxus leben und den lieben langen Tag es sich gut gehen lassen. Schließlich bekommen sie auch die Miete übernommen, und überhaupt jeden Wunsch erfüllt.

Faktencheck:

  • Laut Sozialverbänden ist das Gegenteil der Fall: Eine Person mit Mindestlohn und einer Vollzeitbeschäftigung hat deutlich mehr Geld zur Verfügung als jemand, der Bürgergeld bezieht. Für eine alleinstehende Person beträgt der Regelsatz aktuell 563 Euro pro Monat. Auch, wenn davon die Mietkosten nicht abgehen, so müssen vom Regelsatz Kosten für Strom, Lebensmittel, Kleidung, Körperpflege, Anschaffungen für die Wohnung, Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel und weitere Lebenskosten gedeckt werden. 
  • Kosten für weitere Bedarfe, sogenannte Mehrbedarfe, müssen erst im Einzelfall bei einem Jobcenter beantragt werden. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn eine Schwangerschaft besteht.
  • Das Bürgergeld liegt unter der Armutsgrenze. Wer in Deutschland weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens zur Verfügung hat, gilt als arm.

Mythos 5: Die meisten Bürgergeldbeziehenden sind arbeitsfähig und wollen nicht

Sehr hartnäckig hält sich der Mythos, dass die meisten Bürgergeldbezieher arbeitsfähig sind und einfach nur nicht arbeiten gehen wollen.

Faktencheck:

  • Das Bürgergeld hat seit Oktober 2024 schärfere Regelungen bei den Sanktionen. Denn es gilt: Wer Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts erhält, muss auch alles dafür tun, um den Zustand der Hilfebedürftigkeit zu beenden und sich selbst finanzieren zu können. Wer Arbeit abgelehnt oder Termine beim Jobcenter versäumt, muss mit Sanktionen bis zu 30 Prozent für bis zu drei Monate rechnen.
  • Die meisten Bürgergeldbezieher möchten arbeiten gehen, sofern dies in ihren persönlichen Möglichkeiten liegt. Arbeitsstellen für Menschen, die es aus unterschiedlichen Gründen schwer auf dem Arbeitsmarkt haben, sind in Zeiten des Fachkräftemangels schwer zu finden. Gründe können sein: keine Ausbildung, fehlende Qualifikationen, fehlende oder mangelnde Kenntnisse, familiäre Gründe, Pflege von Angehörigen, Kindererziehung, chronische Erkrankungen und andere gesundheitliche Einschränkungen, keine Mobilität etc. Mit Förderprogrammen für Arbeitgeber und Maßnahmen für Bürgergeld-Empfänger soll diesem Umstand entgegengewirkt werden.
  • Zusätzlich kommen viele Menschen hinzu, die aufstockende Leistungen im Bürgergeld erhalten. Dies sind Menschen, die also eine Arbeit haben, deren Verdienst allerdings nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu sichern.
  • Der Anteil der sogenannten "Totalverweigerer" ist unter den Bürgergeldbeziehern sehr gering. Lediglich 0,4 Prozent lehnen eine zumutbare Arbeit ab. Diese Zahl ist fast verschwindend klein.
  • Zur Zahl der Bürgergeld-Empfänger in Deutschland gehören nicht nur Erwachsene, die laut Definition des SGB II zwischen 15 und 67 Jahren als erwerbsfähig gelten. Es sind leider auch viele Kinder und alleinerziehende Mütter und Väter darunter. Zum Schutz der Kinder wird im Paragraph 10 SGB II geregelt, dass eine Erwerbstätigkeit als unzumutbar, wenn die Erziehung des Kindes gefährdet wäre und es keine alternativen Betreuungsmöglichkeiten gibt. Dies gilt für Kinder, die unter drei Jahre alt sind.