Warum täuschen Frauen einen Orgasmus vor? Eine Frage, die viele Männer umtreibt. Eine neue Studie, erschienen im Fachjournal ScienceDirect, geht dieser Frage jetzt auf den Grund. Und die Forscherinnen und Forscher kommen zu zahlreichen, oft überraschenden Ergebnissen. Die allermeisten Gründe für den Fake-Orgasmus dürften Männern nicht gefallen.
Zwischen 30 und 75 Prozent aller Frauen haben schon einmal einen Orgasmus vorgetäuscht oder tun das sogar regelmäßig. Das war schon vor der neuen Studie klar, die ein Forscherteam von der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest in Ungarn 2022 durchgeführt hat. Nicht klar waren hingegen die Gründe für den Fake-Orgasmus. Bislang waren Wissenschaftler*innen davon ausgegangen, dass in den meisten Fällen Müdigkeit, Schmerzen oder schlichtweg schlechter Sex ausschlaggebend für den vorgetäuschten Orgasmus seien. Doch die neue Studie, für die 360 heterosexuelle Frauen (Durchschnittsalter: 33 Jahre) nach ihren Erfahrungen mit dem Vortäuschen von Orgasmen gefragt wurden, zeigt auf, dass die genannten Gründe zwar existieren, die Wahrheit jedoch deutlich vielschichtiger ist.
Vorgetäuschter Orgasmus: Öfter in festen Beziehungen
Die Frauen füllten für die Studie (Titel: "Motives that Mediate the Associations Between Relationship Satisfaction, Orgasmic Difficulty, and the Frequency of Faking Orgasm") anonym einen Fragebogen aus. Alle gaben an, aktuell in einer Beziehung zu sein. Mindestens einmal in ihrem Leben hätten sie zudem masturbiert - und mindestens einmal oder mehrmals ihrem Partner beim Sex einen Orgasmus vorgetäuscht. Die Ergebnisse unterscheiden sich stark hinsichtlich One-Night-Stands und rein sexuellen Beziehungen auf der einen und Langzeitpartnerschaften auf der anderen Seite. Zudem kamen die Forscherinnen und Forscher zu dem Schluss, dass es "äußere" und "innere" Beweggründe für den Fake-Orgasmus gibt.
Frauen, die einen One-Night-Stand haben oder eine rein sexuell orientierte Beziehung führen, täuschen seltener einen Orgasmus vor. Der Grund scheint einleuchtend: Ihnen ist an ihrer eigenen sexuellen Befriedigung gelegen. Zudem besäßen diese Frauen ein höheres Selbstwertgefühl, so die Studie.
Bei Frauen, die in einer langfristigen Partnerschaft leben, zeigt sich hingegen ein komplexeres Bild. In festen Beziehungen täuschten Frauen öfter einen Orgasmus vor. Sie wollen dadurch beispielsweise Enttäuschungen aufseiten des Partners vermeiden, das Selbstwertgefühl ihres Partners stärken oder das Interesse und die Erregung des Partners aufrechterhalten. Das bestätigt die Ergebnisse einer früheren Studie, die hinterfragte, warum Frauen beim Sex stöhnen. Aber: Andererseits kann im Laufe einer lang andauernden Beziehung der Druck abnehmen, dem Partner zu gefallen. Die Notwendigkeit, einen Höhepunkt vorzuspielen, nimmt ab.
Frauen schämen sich: Deshalb täuschen sie den Orgasmus vor
Die Wissenschaftler unterscheiden in den Ergebnissen der Studie außerdem "äußere" und "innere" Beweggründe für den Fake-Orgasmus.
- Äußerer Beweggründe: Zu den äußeren Beweggründen zählen die bereits genannten - also Müdigkeit, Schmerzen und schlechter Sex. Aber auch Rauschzustände gehören beispielsweise dazu, genauso wie Langeweile und der Wunsch, dass der Sex schnell vorbei sein möge.
- Innere Beweggründe: Diese sind deutlich komplexer. Die Wissenschaftler*innen kommen zu dem Schluss, dass viele Frauen aus Unsicherheit einen Orgasmus vortäuschen. Demnach haben sie Angst davor, von ihrem Partner als "abnormal" oder "dysfunktional" abgestempelt zu werden, wenn sie nicht "kommen". Des Weiteren zählen hierzu Schamgefühle und das Vermeiden von Konflikten mit dem Partner.
Unsicherheit - die Angst, als abnormal oder ungenügend wahrgenommen zu werden - ist laut den Forscher*innen der häufigste Grund, warum Frauen einen Orgasmus vortäuschen.
Studien-Ergebnisse überraschen die Forscher
Die an der Studie beteiligten Forscherinnen und Forscher waren davon ausgegangen, dass das Vortäuschen von Orgasmen häufiger in Kurzeit-Beziehungen vorkomme - ganz einfach, um Schwierigkeiten beim "Kommen" zu überspielen. Dass der Fake-Orgasmus häufiger in Langzeitpartnerschaften praktiziert wird, war eine dementsprechende Überraschung.
Ein besonders pikantes Ergebnis der Studie zum Schluss: Die Wissenschaftler*innen fanden heraus, dass ein vorgetäuschter Orgasmus in schlecht laufenden Beziehungen keineswegs häufiger vorkommen muss, als in gut laufenden: „Frauen, die unzufrieden in ihrer Beziehung sind, haben womöglich so wenig in ihre sexuelle und/oder allgemeine Beziehung investiert, dass sie gar nicht erst das Bedürfnis verspürten, vorzutäuschen, sexuell befriedigt zu sein – sei es wegen des eigenen Selbstwertgefühls oder aus Sorge um den Partner.“
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