• der Schwerbehindertenausweis: Das bringt er - so beantragst du ihn
  • Vorteile im Beruf und  in der Mobilität
  • freie Nutzung öffentlicher WCs durch den "Euroschlüssel"
  • so läuft die Beantragung ab

Wer durch einen Unfall, eine  schwere Erkrankung oder auch schon von Geburt an körperlich eingeschränkt ist, hat im Alltag mit allerlei Hürden zu kämpfen. Aus diesem Grund gibt es in Deutschland den Schwerbehindertenausweis, der zumindest in manchen Situationen Erleichterungen für behinderte Menschen schaffen soll. Wir erklären, was es mit dem Ausweis auf sich hat, welche Vorteile er konkret hat und wie die Beantragung abläuft.

Der Schwerbehindertenausweis: Was ist das?

Der Schwerbehindertenausweis ist für all diejenigen gedacht, die durch eine Erkrankung oder auch deren Folgen in dem Ausmaß in ihrem Alltag beeinträchtigt sind, dass sie als schwerbehindert gelten. Der Sozialverband VdK Deutschland verweist darauf, dass der Ausweis deutschlandweit gültig ist und die Schwere der Behinderung in einem Buchstabensystem angibt. Auch spezielle Merkzeichen und die Gültigkeitsdauer des Ausweises sind vermerkt.

Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis haben alle Personen, die mindestens einen Grad der Behinderung von 50 aufweisen. Die Vorteile des Ausweise sind nicht von der Hand zu weisen: Wer Inhaber*in eines Schwerbehindertenausweises ist, profitiert von Nachteilsausgleichen und speziellen Rechten für schwerbehinderte Personen.

Doch bei weitem nicht jeder, dem ein Schwerbehindertenausweis zustehen würde, beantragt diesen auch: Stiftung Warentest weist darauf hin, dass in Deutschland etwa acht Millionen Menschen über einen Schwerbehindertenausweis verfügen - jedoch steht er Schätzungen zufolge weitaus mehr Menschen zu. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, verweist darauf, dass viele Menschen zunächst versuchen, für sich mit dem Alltag mit Behinderung klarzukommen. "Erst später erfahren sie, dass sie mit dem Ausweis Anspruch auf Nachteils­ausgleiche haben," so Bentele.

Der Schwerbehindertenausweis: Vorteile im Beruf

Personen mit Behinderung erhalten gewisse rechtliche Vorteile, damit ihr Alltagsleben erleichtert wird. Unter anderem zeigen sich diese im Berufsleben: Wer fünf Tage die Woche arbeitet, erhält auf das Jahr verteilt zusätzliche Urlaubstage.

Zudem werden diese Personen vor Überstunden geschützt - wer keine Überstunden machen möchte, muss das auch nicht. Hinzu kommt, dass sich seit 2021 auch steuerliche Vorteile durch den Schwerbehindertenausweis ergeben: Pro Jahr kann je nach Behinderungsgrad ein Pauschbetrag zwischen 384 und 2.840 Euro abgesetzt werden. Wer als hilflos (Merkenzeichen H), blind (Merkzeichen Bl) oder taubblind (Merkzeichen Tbl) gilt, kann sogar 7.400 Euro geltend machen.

Allgemein gilt ein höherer Schutz im Berufsleben, denn auch wenn die Firma Stellen abbaut, ist jemand mit einer Schwerbehinderung erst einmal auf der sicheren Seite. Der Arbeitgeber darf nicht einfach kündigen, sondern muss nach einer Möglichkeit schauen, den Arbeitnehmer weiterhin zu beschäftigen. Auch wer über einen Grad der Behinderung von 30 oder 40 verfügt, genießt die Vorteile des Schutzes des Arbeitsplatzes. Dafür muss lediglich bei der Agentur für Arbeit ein Antrag auf Gleichstellung mit Schwerbehinderten gestellt werden.

Vorteile des Schwerbehindertenausweises: Weiterhin mobil sein

Auch in Bezug zum Aspekt mobil sein als behinderte Person zeigt der Schwerbehindertenausweis seine Vorteile. Wer als "außergewöhnlich gehbehindert" gilt (Merkzeichen aG) zahlt keine oder zumindest weniger KFZ-Steuer. Zudem besteht das Recht, auf Behindertenparkplätzen zu parken - in manchen Fällen sogar im Halteverbot oder in der Fußgängerzone. Hierfür wird ein blauer Parkausweis benötigt, der bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde erhältlich ist.

Wer kein Auto besitzt, kann die Vorteile des Schwerbehindertenausweises auch im öffentlichen Verkehr nutzen: Bus und Bahn können vergünstigt oder sogar kostenlos genutzt werden. Dieser Freifahrt-Schein muss allerdings beim jeweiligen Verkehrsbetrieb beantragt werden. Das Versorgungsamt stellt dann ein "Beiblatt" zur Verfügung, das dann als Fahrkarte gilt, wenn eine aktuelle Wertmarke aufgeklebt ist, die jedes Jahr erneuert werden muss. Diese ist entweder kostenlos oder kostet 91 Euro im Jahr - je nach Merkzeichen.

Lese-Empfehlung: Weshalb sich ein Schwerbehindertenausweis für Rentner*innen lohnt, erfährst du in unserem Artikel.

Der "Euroschlüssel": Freier Zugang zu Sanitäranlagen

Stiftung Warentest kritisiert, dass der deutsche Schwerbehindertenausweis nicht europaweit gilt und auch Ausweise aus anderen Ländern nicht außerhalb der Landesgrenzen gültig sind. Derzeit gibt es lediglich den blauen EU-Parkausweis, der europaweit gilt. Dennoch: Die Europäische Kommission plant die Einführung eines Behindertenausweises, der EU-weit gelten soll, dessen Einführung wird laut der Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderung für Ende 2023 erwartet.


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Immerhin einen Vorteil bekommen Behinderte jedoch europaweit: den kostenlosen Zugang zu Sanitäranlagen, mithilfe des sogenannten "Euroschlüssels". Dieses spezielle Schließsystem besteht bereits seit 1986 und gewährt allen behinderten Menschen, die körperlich eingeschränkt sind oder bei denen gewisse Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis vermerkt sind, freien Zugang zu Sanitäranlagen. So lassen sich unter anderem Toiletten an der Autobahn oder an Bahnhöfen kostenlos nutzen, auch öffentliche Toiletten in Fußgängerzonen lassen sich so betreten. Der Euroschlüssel lässt sich bei sich u.a. beim Club Behinderter und ihrer Freunde Darmstadt bestellen und kostet 23 Euro (zzgl. Versandkosten). Auch der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. bietet den Euroschlüssel an (Kosten: 26 Euro, zzgl. Versand).

Lese-Tipp: Welche Bedeutung die Pflegeversicherung hat und wie du Pflegegeld beantragen kannst, erfährst du in unserem Artikel.

Mutig sein und auf das eigene Recht bestehen: Der steinige Weg zum Schwerbehindertenausweis

Wird ein Schwerbehindertenausweis beantragt, vergehen oftmals viele Monate, bis die Karte dann tatsächlich in Händen gehalten werden kann. Stiftung Warentest weist darauf hin, dass das Versorgungsamt oftmals nicht sofort den Grad der Behinderung von 50 feststellt, der nötig ist, um einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten und auch Merkzeichen nicht direkt vergibt. In einem solchen Fall sollte ein Widerspruch eingelegt werden, bei dem unter anderem der Sozialverband VdK unter die Arme greift - auf dessen Website findest du weitere Informationen, wie du Widerspruch einlegen kannst und welche Vor- und Nachteile das mit sich bringt.


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Die VdK-Präsidentin Verena Bentele, die selbst seit ihrer Geburt blind ist, ermutigt alle Antragstellenden, auf ihr Recht zu pochen: „Die Menschen sollen keine Angst und keine Scham haben. Es geht nicht darum, sich ungerecht­fertigte Vorteile zu verschaffen. Der Ausweis und die damit verbundenen Nachteils­ausgleiche sind keine von der Gesell­schaft gnädig zugestandene Erleichterung. Es geht um Rechts­ansprüche, für die wir lange kämpfen mussten.“

Zum Weiterlesen: Die laut Stiftung Warentest besten Medikamenten-Apps verraten wir dir in unserem separaten Artikel.

Schwerbehindertenausweis beantragen: So gehst du vor

Wir erklären dir, wie du Schritt für Schritt an deinen Behindertenausweis kommst.

1. Wer ist zuständig?

Zunächst musst du herausfinden, wer für die Ausstellung deines Behindertenausweises zuständig ist. Im Großteil der Bundesländer ist das Versorgungsamt dafür verantwortlich. Hierbei ist die Website einfach teilhaben (wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales betrieben) enorm hilfreich, da du hier Informationen bekommen kannst, wo du die Antragsformulare deines Bundeslandes bekommst. Wer erstmalig einen Schwerbehindertenausweis beantragt, wählt das Formular "Erstantrag" aus. Wenn sich die Einschränkungen im Alltag durch die Behinderung verstärkt haben, kann ein "Neufeststellungsantrag" gestellt werden. So kann die höhere Einschätzung des Grades der Behinderung oder zusätzliche Merkzeichen im Ausweis beantragt werden.

2. Lass dich professionell beraten

Wer sich unsicher ist und Fragen hat, wendet sich am besten an die Sozialdienste von Gewerkschaften, Rehakliniken, den Sozialverband VdK Deutschland oder an den Sozialverband Deutschland - dort wird dir weitergeholfen.

3. Behandelnde Ärzt*innen mit einbeziehen

Wer einen Schwerbehindertenausweis beantragen möchte, muss behandelnde Ärzt*innen miteinbeziehen - teile ihnen mit, dass du den Ausweis beantragen willst. Für die Beantragung müssen sie zudem von ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbunden werden, damit sie dem zuständigen Amt Informationen über deinen Zustand geben können. Von den Ärzt*innen benötigst du dann alle Berichte über Befunde, Laborwerte und sonstige Dokumente, die im Zuge deiner Behandlung erstellt wurden. Außerdem benötigst du eine Stellungnahme des Arztes oder der Ärztin, aus der klar hervorgeht, weshalb du mit deinem Zustand den Behindertenausweis benötigst.

4. Ausfüllen des Antrags

Beim Ausfüllen des Antrags solltest du darauf achten, dass du nicht nur deine hauptsächliche Behinderung nennst, sondern auch alle Nebenerscheinungen, sowie alle Punkte, an denen du im Alltag dadurch eingeschränkt wirst. Je deutlicher und gehaltvoller du deine Aussagen machst, umso detaillierter kann das Amt den Antrag überprüfen. Gut zu wissen: Merkzeichen müssen gesondert beantragt werden, wie beispielsweise Bl für blind. Wenn du davon ausgehst, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 zu erreichen, kannst du auch direkt ein Passfoto beilegen.

5. Ordnung ist die halbe Miete: Strukturiere deine Unterlagen

Es ist wichtig, dass du über alle Unterlagen verfügst, die du im Laufe deiner Behandlung bekommen hast bzw. die erstellt wurden. Dazu zählen unter anderem Befundberichte, Röntgenbilder und weitere medizinische Berichte, aber auch Berichte bezüglich eines Arbeitsunfalls oder Bescheide zur Anerkennung einer Berufskrankheit. Wer bereits bei anderen Ämtern, z.B. bei der Rentenversicherung, Anträge gestellt hat, fügt diese auch hinzu. In jedem Fall ist es ratsam, alle Unterlagen sorgfältig zu sortieren und im Idealfall durchzunummerieren, damit man bei Rückfragen schnell das richtige Dokument findet.

6. Unterlagen kopieren und Antrag an das Amt senden

Wichtig: Niemals die Original-Befunde an das Amt schicken, sondern immer Kopien anfertigen und diese zusenden. Bevor der fertige Antrag dann abgesendet wird, sollte dieser kopiert werden und diese Kopie in den eigenen Unterlagen aufbewahrt werden. Das gilt auf jeden Fall, wenn der Antrag in Papier-Form gestellt wird. Aber auch, wer den Antrag online stellt, profitiert vom Ausdruck des Antrags, da dieser so übersichtlich abgeheftet werden kann.

7. Lange Wartezeit in Kauf nehmen

Wer einen Schwerbehindertenausweis beantragt, muss oft Monate warten, bis der Grad der Behinderung festgestellt ist. Hat dich die Feststellung dann erreicht und dir ist der Grad der Behinderung deiner Meinung nach zu niedrig, kannst du innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen.

8. Informiere deinen Arbeitgeber

Das gilt für alle Menschen, die Angestellte sind: Der Arbeitgeber sollte direkt informiert werden, sobald du die Feststellung deiner Behinderung bekommen hast. Denn je nach Grad deiner Behinderung kann es rechtliche Veränderungen bezüglich deines Arbeitsverhältnisses geben - siehe die Vorteile des Schwerbehindertenausweises im Beruf.

9. Kümmere dich um dir zustehende Erleichterungen

Je nach Grad der Behinderung und Merkzeichen stehen dir nun bestimmte Erleichterungen im Alltag zu. Zum Beispiel könnte dir ein Sonderparkausweis zustehen - darüber informiert der VdK. Weitere Informationen zu den Nachteilsausgleichen erfährst du bei Familienratgeber.de, ein Angebot von Aktion Mensch.

Fazit: Diese Vorteile hast du mit dem Schwerbehindertenausweis - so beantragst du ihn

Für Menschen mit Behinderung oder einer Krankheit bringt der Schwerbehindertenausweis einige Vorteile mit sich, die den Alltag zumindest etwas erleichtern sollen. Unter anderem erhalten Betroffene dadurch Erleichterungen im Berufsleben, eine Vereinfachung in ihrer Mobilität sowie kostenlosen Zugang zu öffentlichen Toiletten mithilfe des "Euroschlüssels".


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Wer den Schwerbehindertenausweis beantragen möchte, geht am besten Schritt für Schritt vor. Dafür werden unter anderm alle medizinischen Dokumente und sonstigen Anträge benötigt. Wer Beratung möchte, wendet sich am besten an die Sozialdienste von Rehakliniken und Gewerkschaften oder auch an den Sozialverband VdK Deutschland oder den Sozialverband Deutschland.

Zum Weiterlesen: Der Europäische Gerichtshof stärkt die Rechte von Arbeitnehmern mit Behinderung - mehr darüber erfährst du in diesem Artikel.

 

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